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Foto: Rapper Schwarzkopf unterwegs in seinem Viertel © Till Taubmann
Foto: Rapper Schwarzkopf unterwegs in seinem Viertel © Till Taubmann

Nachwuchs-Rapper Schwarzkopf

Offenbach: „Alles ist einfach perfekt in dieser Stadt“

Deutsch-Rap gehört zu Offenbach. Einer, der am Anfang seiner Karriere steht, ist der Rapper Schwarzkopf. Bei einer Stadttour erzählt er von seinen Zielen – und den Hindernissen auf dem Weg.
Offenbacher Rap ist wie die Stadt selbst: roh und ungeschönt. Sie leistet seit vielen Jahren Pionierarbeit im Bereich des deutschen Rap. Mehrere bundesweit bekannte Künstler sind Kinder dieser Stadt. Die schillernden Figuren, die sich in einer Welt zwischen dem Leben auf der Straße und Geschäften in Millionenhöhe bewegen, üben große Faszination aus und gelten als Vorbilder. Was Offenbacher Rapper wie Haftbefehl, Soufian und Capo eint, sind ihre Geschichten: Geschichten von Einwanderung, Parallelwelten, Gewalt, Kriminalität und Drogen, zerrütteten Familienverhältnissen und den Abgründen der eigenen Seelenwelt.

In einem Mikrokosmos zwischen dem Parkhaus des von Leerstand geprägten Offenbacher Komm-Centers, dem Hauptbahnhof und einem versteckten Spielplatz seitlich der Kaiserstraße spielt sich das Leben der jungen Generation ab. Einer von ihnen ist der 15-jährige Nachwuchs-Rapper Schwarzkopf, mit bürgerlichem Namen Ivan Galinov. Wir treffen ihn für eine ungewöhnliche Stadttour.

Treffpunkt: Parkhaus des Offenbacher Komm-Centers

Ivan steht mit einer Gruppe Jugendlicher vor einem der Eingänge des Komm-Centers. Schon von Weitem fällt er auf, in Rot gekleidet, mit einem Basketball-Trikot der New York Knicks und gleichfarbiger Adidas-Jogginghose sowie einem Leder-Schulterholster. Anstatt den Center-Eingang zu betreten, gehen wir in das Parkhaus. In jeder Etage erzählt Ivan von Leuten, die hier anfingen, Drogen zu nehmen und zu verkaufen, von Abstürzen, Raubüberfällen, Schlägereien und Freunden, die nun im Knast sitzen.

Es folgen skurrile Szenen, etwa die minderjährigen Jungs, die Ivan wie einen Star behandeln, nahezu verfolgen und sonst in der untersten Etage des Parkhauses abhängen. Bei unerwünschten „Gästen“ blockieren sie die Aufzüge. Oben ist wenig Betrieb, es sitzen nur vereinzelte junge Männer zwischen den Etagen, es riecht nach Cannabis und auf dem obersten Parkdeck wird reifenquietschend das Driften mit einem dunklen 3er-Golf geübt.

Trotz dieser Umgebung ist das Parkhaus für die Jugendlichen im Viertel ein Treffpunkt. „Es waren alle da, Bulgaren, Türken, Rumänen, Deutsche und viele weitere Nationen, und wir haben uns alle gut verstanden“, erklärt Ivan. Jedoch sei das Parkhaus für ihn mit Schattenseiten verbunden, auch er habe hier früher „Scheiße gebaut“, wie er es nennt, selbst Schläge bekommen. Nun konzentriere er sich nur noch auf die Musik und auf professionellen Kampfsport.

Von Griechenland nach Offenbach

Ivan kam mit fünf Jahren nach Offenbach, geboren wurde er auf Kreta. Seine Eltern, Angehörige der türkischen Minderheit Bulgariens, arbeiteten als Erntehelfer. Damals habe häufig sein sechs Jahre älterer Bruder auf ihn aufgepasst, genug Geld blieb nie. Schließlich zog die Familie nach Deutschland und kam 2014 nach Hessen. In Offenbach kamen die ersten Musikversuche, eine traurig geendete Liebesbeziehung und der große Traum, ein Rapper zu werden. Nach Problemen mit den Behörden sowie mehreren Suizidversuchen habe sein Vater immer gesagt: „Aus dem Knast kommst du irgendwann raus, aus dem Grab nie wieder!“

Die junge Rap-Karriere und der Name Schwarzkopf

Mit Tagebüchern, in denen er niederschrieb, was er sich nicht zu sagen traute, habe alles angefangen. Wenn ein Buch voll war, verbrannte es Ivan, kam aber langsam zu der Erkenntnis, dass er reimen könnte, ihm das Spielen mit Sprache liege und sich so mancher Text gut anhöre. Mit zehn Jahren nahm er im Park mit einem Freund sein erstes Musikvideo auf – für Ivan heute „Kinderkram“. Mit zwölf veröffentlichte er sein erstes Lied auf YouTube. Zuerst lachten sie über ihn, als das Lied jedoch innerhalb kürzester Zeit einige tausende Aufrufe generierte, trieb es ihn an.

Sein weiterer zentraler Treffpunkt ist der sogenannte „Hexenpark“. Einmal habe er dort mit einem Freund auf einer Bluetooth-Box Beats abgespielt und dazu gerappt. Ein Mann auf einer Parkbank habe sie beobachtet, und nach einem Gespräch kam es schließlich zu dem Angebot, Ivan unter Vertrag zu nehmen. Der Mann stellte sich als ein ehemaliger Rapper vor, der früher unter dem Namen Schwarzkopf gerappt hatte: Ivan wollte er seinen Namen weitervererben. Der willigte ein und behielt den Namen – auch wenn aus dem Plattenvertrag mangels finanzieller Mittel nichts wurde.

Der Kontakt zu Impuls Rhein-Main e.V. und ein neues Management

Durch den Projektmanager Peter Metz sollte sich dann für Ivan einiges ändern. Der Vorstandsvorsitzende von Impuls Rhein-Main e.V. war Integrationsbeauftragter der Stadt Mörfelden-Walldorf und ist seit 20 Jahren für die Jugendämter im Rhein-Main-Gebiet im Bereich der sozialen Arbeit tätig. Ivan kam öfter in ein Tonstudio im Offenbacher Jugendzentrum, wo sich der Kontakt zu Metz intensivierte. Er unterstützt ihn dabei, eine Übungsleiterausbildung zu absolvieren, um später selbst im Kampfsport auszubilden.

Metz erklärt: „Ich möchte den jungen Leuten einfach eine Bühne geben. Die haben ja teilweise richtig Talent!“ Er konnte für Ivan insgesamt fünf Auftritte in Offenbach und Frankfurt organisieren. Ein Auftritt fand im „Günes Theater“ und einer im Ponyhof in Frankfurt statt: Den bisher größten Auftritt absolvierte Ivan durch eine Kooperation zwischen dem Diamant Museum Offenbach und der Schirn in Frankfurt. Mit Bezug zur Schirn-Ausstellung „The Culture“ bot ein durch das Rhein-Main-Gebiet tourender LKW (Projektname: „VERSTÄRKER“) jungen Rappenden eine Bühne – in Offenbach trat auch Schwarzkopf auf.

Das, was man von Offenbach erwartet, und der neue Haftbefehl

Heiner Blum, einer der Initiatoren der Tour, sieht in Ivan eine schillernde Figur. Mit Blick auf die Lyrics seiner Songs erklärt er: „Die Texte klingen, als hätte das ein 30-Jähriger geschrieben, der schon alles erlebt hat. Schwarzkopf ist einfach interessant und er verkörpert ein bisschen das, was man von Offenbach erwartet!“

In seinem neuesten Song verarbeitet Ivan Suizid, ein Thema, das ihn schon lange begleitet. Der Text handelt von der Verzweiflung und dem Umgang mit Liebeskummer. So rappt er über seine Fehler, hinterfragt sich selbst und thematisiert sein Verhältnis zu Gott. Einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben ist seine Mutter. So beschreibt er die Sorgen, die sich seine Mutter immer um ihn machte. Die Songs kommen mit einer Gangster-Attitüde daher, aber dafür nicht mit weniger Tiefgang, Poesie und Nachdenklichkeit. Blum findet: „Ich sehe in ihm den neuen Haftbefehl. In zwei bis drei Jahren wird Schwarzkopf ein Star sein!“

Am Ende der Stadttour kommt Ivan erneut auf die wichtigen Menschen in seinem Leben zu sprechen. Neben seiner Mutter spielt auch sein Bruder eine übergeordnete Rolle. Stolz präsentiert er sein Tattoo über der linken Brust, ein Diamant und dazu eine Krone, die für seinen Bruder steht: „Weil er mein König ist, mein ein und alles.“ Der Diamant verweist wiederum auf ihn selbst und seine Loyalität.

Eigenes MMA-Studio und Haus für die Mutter

Nach dem Übungsleiterschein im Kampfsport ist sein Plan, ein eigenes MMA-Studio zu eröffnen und seine Musik weiter auszubauen. Ebenso würde er irgendwann gerne eine eigene Moschee in der Stadt bauen. Mit Blick auf Offenbach meint Ivan: „Alles ist einfach perfekt in dieser Stadt. Man kann viel schaffen, aber auch abtauchen, drogensüchtig werden oder im Knast landen. Aber egal, wo ich in Offenbach bin, es fühlt sich wie zuhause an. Ich kenne jeden und jeder kennt mich.“

Ein Wunsch, den er mit vielen jungen Menschen teilt, ist der Gedanke, seiner Mutter eines Tages ein Haus zu kaufen. „Ich habe ihr gesagt, ich werde ihr das schönste Haus mit der wunderschönsten Küche kaufen. Ich habe viele Ziele in meinem Leben und wenn ich das nicht schaffe, gehe ich mit offenen Augen aus der Welt und das will ich nicht!“

Info
Rundgang in der Hochschule für Gestaltung Offenbach

Eröffnung: 12. Juli 2024, 18 Uhr, Hauptgebäude 1. OG, Aula
Ausstellung: 12. bis 14. Juli 2024
Öffnungszeiten: 12. Juli von 18 bis 22 Uhr, 13. Juli von 14 bis 22 Uhr, 14. Juli von 14 bis 20 Uhr
Orte: HfG-Campus Schlossstraße 31, GROW Strahlenberger Str. 45 (Kaiserlei), Höchster Porzellanmanufaktur (HPM) Palleskestr. 32, Frankfurt-Höchst, Johannesgemeinde Ludwigstr. 131, Hugenottenplatz/Stadthof

Der Eintritt ist frei.
Nähere Informationen zum Rundgang finden Sie hier.
 
12. Juli 2024, 14.05 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
Fotogalerie:
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