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MMK: „John Cage. Museumcircle“
Das Prinzip des Zufalls
Am Freitag hat die Ausstellung „John Cage. Museumcircle“ im Zollamt des Museum Moderne Kunst (MMK) Eröffnung gefeiert. Noch bis 20. März 2022 erwartet Kunstinteressierte ein Kuriositätenkabinett aus 42 Frankfurter Museen, das auf dem Prinzip des Zufalls beruht.
Was haben eine Stützprothese, ein Fahrkartenautomat und Niko Kovačs Anzug gemeinsam? Und viel wichtiger: Was haben diese Dinge mit Kunst zu tun? Antworten auf die Fragen bietet die neue Ausstellung „John Cage. Museumcircle“ des Museum Moderne Kunst (MMK) im Zollamt in der Domstraße. Denn all diese Objekte wurden dabei zu Exponaten einer Ausstellung, die auf dem Zufallsprinzip beruht. Letzteres hat der amerikanische Künstler und Komponist John Cage vom Objektkünstler Marcel Duchamp übernommen, der mit seinem Ready-made „Fountain“ erstmalig ein Urinal in ein Museum brachte und damit in die Kunstgeschichte einging.
Cages Idee hinter „Museumcircle“ ist schnell erklärt: In einem Museum einer bestimmten Stadt – in diesem Fall Frankfurt – soll eine Ausstellung initiiert werden, die ausschließlich aus Exponaten anderer Museen derselben Stadt besteht. Das Wichtigste: Die per Zufallsgenerator ausgewählten Objekte werden an ebenfalls zufällig bestimmten Positionen im Raum gehängt oder platziert. „Dieses einfache, aber überaus präzise Konzept zielt auf die vollkommene Enthierarchisierung von Objekten aus unterschiedlichsten Sammlungen ab“, heißt es vonseiten des MMK. Die Ausstellung zeige die Leihgaben nicht chronologisch, sondern ahistorisch und dekontextualisiert. Der Komponist und Künstler entziehe die Objekte damit der „vermeintlichen Deutungshoheit und Macht von Museen“, die in der Anordnung und Wertung historischer Artefakte bestehe. Heißt konkret: „Kuratorische Entscheidungen erübrigen sich gänzlich“, erklärt Mario Kramer, Sammlungsleiter des MMK, und lacht.
Darüber hinaus gehe es bei der Ausstellung um die Freiheit, Leichtigkeit und das „Unhierarchische“ des Zusammenstellens, so Kramer. Das Kunstprojekt habe Cage 1991 entwickelt und bereits zwei Mal stattfinden lassen – unter anderem in der Neuen Pinakothek in München. „Dabei wird der Zufall zum Prinzip der Kunst erklärt“, sagt er. Jedes einzelne Objekt sei damit prinzipiell als gleichwertig zu betrachten – woraus im Endeffekt eine Art „Kuriositätenkabinett“ mit den verschiedensten Museumsexponaten entstehe, die auf experimentelle Art und Weise in einen neuen Kontext gesetzt werden.
Der Fahrkartenautomat von 1974 ist eine Leihgabe des Frankfurter Verkehrsmuseums. © Axel Schneider
Die Frankfurter Museumslandschaft umfasst laut Stadt Frankfurt rund 60 größere und kleinere Museen und Ausstellungshäuser. 42 davon waren nun an der Realisation der Ausstellung im Zollamt beteiligt und haben jeweils eine Liste von zehn Exponaten erstellt, die als Leihgabe für das Projekt zur Verfügung gestellt wurden. Jeweils eines aus der Liste ist durch das Zufallsprinzip ausgewählt worden. Neben bekannten Ausstellungshäusern wie dem Archäologischen Museum, dem Städel, dem Jüdischen Museum oder dem Eintracht Museum waren auch weniger bekannte Adressen wie das Deutsche Orthopädische Geschichts- und Forschungsmuseum beteiligt. Aus der großen Bandbreite der Museen ergaben sich daher auch die vielfältigsten und kuriosesten Ausstellungsstücke wie eine Stützprothese aus den 50ern, ein Fahrkartenautomat aus dem Jahr 1974 oder eben ein Anzug, den Ex-Eintracht-Trainer Niko Kovač beim Pokalfinale 2018 getragen hat; ein für Eintracht-Fans denkwürdiges Spiel mit einem 3:1-Sieg gegen den FC Bayern München.
Den aus dem Eintracht Museum stammenden Anzug trug Niko Kovač 2018 beim Pokalfinalsieg gegen Bayern München. © Axel Schneider
Cage selbst betonte bereits 1949, dass „Museumcircle“ keine Ausstellung im traditionellen Sinne sei, sondern vielmehr eine an die Musik erinnernde Komposition für ein Museum: „Subtil anarchisch und gleichzeitig befreiend, impliziert bereits der Titel einen Reigen, in dem mehrere Akte simultan stattfinden“, so der Künstler. Ganz nach Belieben könnten die Betrachter und Betrachterinnen selbst entscheiden, welchen Objekten sie besondere Aufmerksamkeit schenken möchten und welche Vergleiche oder Analogien sich für sie einstellten.
Gefördert wird die Ausstellung unter anderem durch die Hessische Kulturstiftung. Deren Geschäftsführerin, Claudia Scholtz, erklärt: „John Cages Museumcirce aktiviert auf überraschende und unterhaltsame Weise Neugier und Entdeckergeist der Besucherinnen und Besucher.“ Das Zufallsprinzip in der Auswahl und Zusammenstellung unterlaufe gewohnte Sinnzusammenhänge und öffne den Museumsraum so für neue Erfahrungen.
>> „John Cage. Museumcircle“, Zollamt des Museum Moderne Kunst, Domstraße 3, Altstadt, bis 20. März 2022, Di-So 10 bis 18 Uhr.
Cages Idee hinter „Museumcircle“ ist schnell erklärt: In einem Museum einer bestimmten Stadt – in diesem Fall Frankfurt – soll eine Ausstellung initiiert werden, die ausschließlich aus Exponaten anderer Museen derselben Stadt besteht. Das Wichtigste: Die per Zufallsgenerator ausgewählten Objekte werden an ebenfalls zufällig bestimmten Positionen im Raum gehängt oder platziert. „Dieses einfache, aber überaus präzise Konzept zielt auf die vollkommene Enthierarchisierung von Objekten aus unterschiedlichsten Sammlungen ab“, heißt es vonseiten des MMK. Die Ausstellung zeige die Leihgaben nicht chronologisch, sondern ahistorisch und dekontextualisiert. Der Komponist und Künstler entziehe die Objekte damit der „vermeintlichen Deutungshoheit und Macht von Museen“, die in der Anordnung und Wertung historischer Artefakte bestehe. Heißt konkret: „Kuratorische Entscheidungen erübrigen sich gänzlich“, erklärt Mario Kramer, Sammlungsleiter des MMK, und lacht.
Darüber hinaus gehe es bei der Ausstellung um die Freiheit, Leichtigkeit und das „Unhierarchische“ des Zusammenstellens, so Kramer. Das Kunstprojekt habe Cage 1991 entwickelt und bereits zwei Mal stattfinden lassen – unter anderem in der Neuen Pinakothek in München. „Dabei wird der Zufall zum Prinzip der Kunst erklärt“, sagt er. Jedes einzelne Objekt sei damit prinzipiell als gleichwertig zu betrachten – woraus im Endeffekt eine Art „Kuriositätenkabinett“ mit den verschiedensten Museumsexponaten entstehe, die auf experimentelle Art und Weise in einen neuen Kontext gesetzt werden.
Der Fahrkartenautomat von 1974 ist eine Leihgabe des Frankfurter Verkehrsmuseums. © Axel Schneider
Die Frankfurter Museumslandschaft umfasst laut Stadt Frankfurt rund 60 größere und kleinere Museen und Ausstellungshäuser. 42 davon waren nun an der Realisation der Ausstellung im Zollamt beteiligt und haben jeweils eine Liste von zehn Exponaten erstellt, die als Leihgabe für das Projekt zur Verfügung gestellt wurden. Jeweils eines aus der Liste ist durch das Zufallsprinzip ausgewählt worden. Neben bekannten Ausstellungshäusern wie dem Archäologischen Museum, dem Städel, dem Jüdischen Museum oder dem Eintracht Museum waren auch weniger bekannte Adressen wie das Deutsche Orthopädische Geschichts- und Forschungsmuseum beteiligt. Aus der großen Bandbreite der Museen ergaben sich daher auch die vielfältigsten und kuriosesten Ausstellungsstücke wie eine Stützprothese aus den 50ern, ein Fahrkartenautomat aus dem Jahr 1974 oder eben ein Anzug, den Ex-Eintracht-Trainer Niko Kovač beim Pokalfinale 2018 getragen hat; ein für Eintracht-Fans denkwürdiges Spiel mit einem 3:1-Sieg gegen den FC Bayern München.
Den aus dem Eintracht Museum stammenden Anzug trug Niko Kovač 2018 beim Pokalfinalsieg gegen Bayern München. © Axel Schneider
Cage selbst betonte bereits 1949, dass „Museumcircle“ keine Ausstellung im traditionellen Sinne sei, sondern vielmehr eine an die Musik erinnernde Komposition für ein Museum: „Subtil anarchisch und gleichzeitig befreiend, impliziert bereits der Titel einen Reigen, in dem mehrere Akte simultan stattfinden“, so der Künstler. Ganz nach Belieben könnten die Betrachter und Betrachterinnen selbst entscheiden, welchen Objekten sie besondere Aufmerksamkeit schenken möchten und welche Vergleiche oder Analogien sich für sie einstellten.
Gefördert wird die Ausstellung unter anderem durch die Hessische Kulturstiftung. Deren Geschäftsführerin, Claudia Scholtz, erklärt: „John Cages Museumcirce aktiviert auf überraschende und unterhaltsame Weise Neugier und Entdeckergeist der Besucherinnen und Besucher.“ Das Zufallsprinzip in der Auswahl und Zusammenstellung unterlaufe gewohnte Sinnzusammenhänge und öffne den Museumsraum so für neue Erfahrungen.
>> „John Cage. Museumcircle“, Zollamt des Museum Moderne Kunst, Domstraße 3, Altstadt, bis 20. März 2022, Di-So 10 bis 18 Uhr.
13. Dezember 2021, 11.14 Uhr
Margaux Adam
Margaux Adam
Jahrgang 1991, Studium der Literaturwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seit Februar 2020 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Margaux
Adam >>
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