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Mit freundlicher Unterstützung des Künstlers und Esther Schipper, Berlin/Paris/Seol, Foto: Norbert Miguletz, MCASB/Foto: Alex Blair
Kunsthalle Mainz
Zwischenwelten aus Musik und Bildender Kunst
In Mainz zeigt Ari Benjamin Meyers bestechende Zwischenwelten aus Musik und Bildender Kunst. Eine Schau, wie man sie so viel zu selten zu sehen und zu hören bekommt.
Ein augenscheinlich ganz normaler Flügel steht zentral in der geräumigen Halle 2 der Kunsthalle Mainz. Das 1893 im Leipziger Traditionshaus J. G. Irmler erbaute Instrument zu spielen, ist laut Ari Benjamin Meyers für jeden Pianisten jedoch die „Hölle, ein kafkaesker Albtraum“. Denn egal, welche Taste man anschlägt, es erklingt – in verschiedenen Tonlagen – stets derselbe Ton As. „The New Empirical“ nennt der Komponist, Dirigent und Musiker seinen modifizierten Flügel, der aktuell in der Ausstellung „Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing“ in Mainz zu sehen ist.
Der Schlüssel zum Verständnis der Arbeit führt zum französischen Komponisten Erik Satie, der für Meyers eine zentrale Rolle einnimmt. 1893 komponierte Satie das Stück „Vexations“, zu Deutsch Demütigungen oder Quälerei, eine kleine Partitur, bestehend aus einem Thema und zwei Variationen. Während die Noten gut auf ein Blatt passen, zählt es dennoch zu einem der längsten Musikstücke aller Zeiten: Soll die Partitur dem Komponisten nach doch exakt 840 Mal wiederholt werden.
Kunsthalle Mainz zeigt „Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing“
Zuerst aufgeführt hat das Stück so auch nicht Satie selbst, sondern, gut fünfzig Jahre später, der Künstler und Komponist John Cage. Meyers Beschäftigung mit dem Stück ist indes eine Variation im doppelten Sinne: für „Vexations 2“ hat er die kurze Komposition genau 840 Mal transkribiert, mitsamt unbeabsichtigter Fehler und eigener musikalischer Variationen. Die so entstandenen Notenblätter bestücken nun die beiden Wände in Spielrichtung des 1-Ton-Klaviers. Das seinerseits nun wiederum ausschließlich jenen Ton erklingen lässt, der in Saties Vexations-Thema als einziger der gesamten Tonleiter dort nicht auftaucht.
Auslassungen, Variationen, Repetitionen, besondere Klangfarben, Harmonie und Dissonanz, mitunter alles, was Wesen und Ausdrucksmöglichkeit von Musik bestimmt, lässt sich in der Ausstellung „Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing“ wiederfinden. Unterfangen, wie man sie so in Museumshäusern leider immer noch selten findet – unverständlicherweise, sind doch die Beziehungen zwischen Musik und Bildender Kunst seit mindestens 100 Jahren ebenso evident wie mannigfaltig.
Meyers selbst bewegt sich seit Jahren an Grenzen und Schnittmengen jener Kunstdisziplinen. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf den Prozess des Probens, sowohl in Form von Performances, die im Laufe der Ausstellung zu hören sein werden, als auch als Grundstein seines musikalischen Schaffens selbst.
Besucher sollen aktiv werden bei Meyers „Duet“ in der Kunsthalle Mainz
Der Museumsbesucher soll hier allerdings nicht reiner Rezipient bleiben, vielmehr in den Prozess des Schaffens miteinbezogen werden. Die Arbeit „Duet“ fordert beispielsweise dazu auf, für einige Minuten mit einem Mitglied aus dem Team der Kunsthalle drei leicht nachsingbare Motive zum Leben zu erwecken. Seit 2014 wird die Arbeit an verschiedenen Orten der Welt „geprobt“, wo sie schnell unterschiedliche Bedeutungsebenen entfalten kann:
„In Kairo wurde die Arbeit plötzlich sehr politisch, weil auf einmal Fragen aufkamen wie: Kann ein Mann mit einer Frau singen, kann eine unverschleierte Frau mit einer verschleierten Frau singen?“, erzählt der Künstler. Wie schnell eine simple Melodielinie plötzlich im Rahmen des gemeinsamen Musizierens Gemüter erhitzen, andernorts versöhnende Wirkung entfalten kann, zeigt sich in dieser Arbeit.
Neue Installation „Heavy Metal“
Mehrere Etagen zeigen einen guten Querschnitt durch Ari Benjamin Meyers Kunst- und Musikverständnis: „Solo für Ayumi“ (2017) gewährt einen Einblick in die professionelle wie auch freundschaftliche Verbundenheit zwischen Komponist und Interpretin, hier der Geigerin Ayumi Paul. Handgeschriebene Partituren überdecken persönliche Briefe, private Objekte verweisen auf einschneidende Erlebnisse, die sich abstrahiert in den Musiknoten zu verbergen scheinen.
Arbeiten wie „Who’s Afraid of Sol La Ti?“ zielen auf den ephemeren Charakter nicht nur der musikalischen Aufführung, sondern des Vorgangs des Komponierens selbst ab, derweil die neue Installation „Heavy Metal“ die Wechselbeziehung zwischen Notation und dem Verfassen eines Musikstücks thematisiert. Mit einem umfassenden Rahmenprogramm ermöglicht die Ausstellung so eine willkommene Einladung in die Zwischenwelt von zeitbasierter und bildender Kunst und, ganz allgemeingültig, das vielfältige Band zwischen Kreation, Inspiration und Interpretation.
Info
Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing, Kunsthalle Mainz, bis 20.Oktober 2024 Informationen zum Programm erfahren Sie hier.
Der Schlüssel zum Verständnis der Arbeit führt zum französischen Komponisten Erik Satie, der für Meyers eine zentrale Rolle einnimmt. 1893 komponierte Satie das Stück „Vexations“, zu Deutsch Demütigungen oder Quälerei, eine kleine Partitur, bestehend aus einem Thema und zwei Variationen. Während die Noten gut auf ein Blatt passen, zählt es dennoch zu einem der längsten Musikstücke aller Zeiten: Soll die Partitur dem Komponisten nach doch exakt 840 Mal wiederholt werden.
Zuerst aufgeführt hat das Stück so auch nicht Satie selbst, sondern, gut fünfzig Jahre später, der Künstler und Komponist John Cage. Meyers Beschäftigung mit dem Stück ist indes eine Variation im doppelten Sinne: für „Vexations 2“ hat er die kurze Komposition genau 840 Mal transkribiert, mitsamt unbeabsichtigter Fehler und eigener musikalischer Variationen. Die so entstandenen Notenblätter bestücken nun die beiden Wände in Spielrichtung des 1-Ton-Klaviers. Das seinerseits nun wiederum ausschließlich jenen Ton erklingen lässt, der in Saties Vexations-Thema als einziger der gesamten Tonleiter dort nicht auftaucht.
Auslassungen, Variationen, Repetitionen, besondere Klangfarben, Harmonie und Dissonanz, mitunter alles, was Wesen und Ausdrucksmöglichkeit von Musik bestimmt, lässt sich in der Ausstellung „Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing“ wiederfinden. Unterfangen, wie man sie so in Museumshäusern leider immer noch selten findet – unverständlicherweise, sind doch die Beziehungen zwischen Musik und Bildender Kunst seit mindestens 100 Jahren ebenso evident wie mannigfaltig.
Meyers selbst bewegt sich seit Jahren an Grenzen und Schnittmengen jener Kunstdisziplinen. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf den Prozess des Probens, sowohl in Form von Performances, die im Laufe der Ausstellung zu hören sein werden, als auch als Grundstein seines musikalischen Schaffens selbst.
Der Museumsbesucher soll hier allerdings nicht reiner Rezipient bleiben, vielmehr in den Prozess des Schaffens miteinbezogen werden. Die Arbeit „Duet“ fordert beispielsweise dazu auf, für einige Minuten mit einem Mitglied aus dem Team der Kunsthalle drei leicht nachsingbare Motive zum Leben zu erwecken. Seit 2014 wird die Arbeit an verschiedenen Orten der Welt „geprobt“, wo sie schnell unterschiedliche Bedeutungsebenen entfalten kann:
„In Kairo wurde die Arbeit plötzlich sehr politisch, weil auf einmal Fragen aufkamen wie: Kann ein Mann mit einer Frau singen, kann eine unverschleierte Frau mit einer verschleierten Frau singen?“, erzählt der Künstler. Wie schnell eine simple Melodielinie plötzlich im Rahmen des gemeinsamen Musizierens Gemüter erhitzen, andernorts versöhnende Wirkung entfalten kann, zeigt sich in dieser Arbeit.
Mehrere Etagen zeigen einen guten Querschnitt durch Ari Benjamin Meyers Kunst- und Musikverständnis: „Solo für Ayumi“ (2017) gewährt einen Einblick in die professionelle wie auch freundschaftliche Verbundenheit zwischen Komponist und Interpretin, hier der Geigerin Ayumi Paul. Handgeschriebene Partituren überdecken persönliche Briefe, private Objekte verweisen auf einschneidende Erlebnisse, die sich abstrahiert in den Musiknoten zu verbergen scheinen.
Arbeiten wie „Who’s Afraid of Sol La Ti?“ zielen auf den ephemeren Charakter nicht nur der musikalischen Aufführung, sondern des Vorgangs des Komponierens selbst ab, derweil die neue Installation „Heavy Metal“ die Wechselbeziehung zwischen Notation und dem Verfassen eines Musikstücks thematisiert. Mit einem umfassenden Rahmenprogramm ermöglicht die Ausstellung so eine willkommene Einladung in die Zwischenwelt von zeitbasierter und bildender Kunst und, ganz allgemeingültig, das vielfältige Band zwischen Kreation, Inspiration und Interpretation.
Ari Benjamin Meyers – Always Rehearsing, Kunsthalle Mainz, bis 20.Oktober 2024 Informationen zum Programm erfahren Sie hier.
20. August 2024, 10.45 Uhr
Daniel Urban
Daniel Urban
Daniel Urban schreibt seit 2022 für das JOURNAL FRANKFURT mit dem Schwerpunkt TV und Streaming. Mehr von Daniel
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