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Kunst im Raum
Was das Innen verrät
Mehrere Ausstellungshäuser in Frankfurt und Rhein-Main beschäftigen sich derzeit mit dem Innenleben ihrer Räume. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie spezifisch.
Gerade noch konnte man ihre bestechende Serie „Menschen im Bett“ im Historischen Museum Frankfurt wiederentdecken und sich wünschen, viel mehr davon zu sehen. Jetzt hat die Fotografin Inge Werth tatsächlich nachgelegt: Im Museum Giersch sind nun erneut Menschen im Bett zu sehen, diesmal in Farbe und inzwischen im Seniorenalter. „OUR HOUSE. Künstlerische Positionen zum Wohnen“ heißt die aktuelle Schau, die ebensolche in der ehemaligen Wohnvilla am Mainkai zusammenbringt. Anknüpfungspunkte zum Ausstellungspublikum dürfte es reichlich geben: Die Unmöglichkeit, in Deutschland bezahlbaren Wohnraum zu finden, wie er in Finnland so selbstverständlich ist wie in Wien; der Großbesitzer-Vermieter oder der Bauinvestor, die ihr Eigentum vor die Hunde gehen lassen, bewusst oder fahrlässig, und die Behörden, die dem wenig entgegenzusetzen haben, derweil das x-te ästhetisch fragwürdige wie kaum ausgelastete Luxusbauprojekt an den Start geht – all das kennt man nicht nur, aber doch massiv in Städten wie Frankfurt. Wie prekär sich Wohnen plötzlich anfühlen kann, wie soziale Ungleichheiten verschärft werden, hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt. Allesamt Themen, die in Form von Malerei, Installation, Skulpturen, Fotografie, Film und bemalten Raumtrennern aufgegriffen werden. Aber auch: wie viel Freude, ganz schlicht, das Zusammenleben machen kann. Das Einrichten und Gestalten. Und welche Bezüge sich zwischen privatem und öffentlichem Raum, mithin dem Museum als merkwürdigem Dazwischen ergeben.
Zwischen Tradition und Moderne: Wohnen als künstlerisches Thema
Das Museum Giersch ist einer von sechs Ausstellungsorten der Kooperation „INTERIOR. Häuser mit Geschichte“, initiiert von der Stiftung Opelvillen. Neben den Häusern in Frankfurt und Rüsselsheim nehmen das Kunsthaus Wiesbaden, das Museum Sinclair-Haus, der Nassauische Kunstverein Wiesbaden und das Kunstforum der TU Darmstadt teil. Alle Häuser verbindet, dass sie ursprünglich nicht als Museen gebaut worden sind. In den Opelvillen haben Direktorin Beate Kemfert und der Frankfurter Künstler Jochem Hendricks eine gemeinsame Schau kuratiert, die als künstlerisch-poetische Reaktion auf die Distanz zwischen dem Ausstellungshaus und seiner ursprünglichen Funktion gelesen werden kann. „Deep Distance Tender Touch“ inszeniert Werke unter anderem von Miriam Cahn, Arhun Aksakal, Daniel Spoerri, Martin Wenzel, Charlotte Posenenske und vielen anderen – zum Beispiel Tobias Rehberger, dessen einigermaßen berühmt gewordene Vasen dank einer Blumenspende während der gesamten Ausstellungsdauer regelmäßig frisch bestückt werden.
Digitale Einblicke und ein Rückblick ins Sakrale
Nicht alle Präsentationen sind im realen Raum zu haben, doch alle teilnehmenden Häuser haben ihre oft wechselvolle Geschichte auf der Projekt-Website notiert. Und es gibt aktuell noch andere Museen, die sich ganz explizit mit dem Innenraum befassen: Das Dommuseum eröffnete Ende Oktober in Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum die Schau „Raumwunder. Frankfurter Maler entdecken das Kircheninterieur“. Nicht das Ausstellungshaus selbst, aber doch sein Haupt-Sujet wird hier künstlerisch „vermessen“ – anhand zahlreicher Gemälde und Zeichnungen, die zwischen 1770 und 1820 in Frankfurt entstanden und die neben tatsächlichen Kircheninterieurs auch Hunderte Fantasiekirchen zeigen. Eine bizarre Randnotiz der Kunstgeschichte, könnte man meinen, doch die Maler Johann Ludwig Ernst Morgenstern (1738–1819) und Christian Stöcklin (1741–1795) sowie ihre Weggefährten kreierten damit eine Art eigenes Retro-Genre, das seinerzeit ausgesprochen nachgefragt war. Nicht zufällig fällt diese Sehnsucht nach dem sakralen Innen in die Zeit der Aufklärung, die erst zaghaft, dann unaufhaltsam den Verstand gegen den Mythos ins Feld brachte. So dienten die teils an exakten Parametern ausgemachten, teils allein in der Vorstellung verhafteten Gemälde wohl auch als Vergewisserung, dass jene gerade im Verschwinden begriffenen Räume tatsächlich existierten.
Das Museum Giersch ist einer von sechs Ausstellungsorten der Kooperation „INTERIOR. Häuser mit Geschichte“, initiiert von der Stiftung Opelvillen. Neben den Häusern in Frankfurt und Rüsselsheim nehmen das Kunsthaus Wiesbaden, das Museum Sinclair-Haus, der Nassauische Kunstverein Wiesbaden und das Kunstforum der TU Darmstadt teil. Alle Häuser verbindet, dass sie ursprünglich nicht als Museen gebaut worden sind. In den Opelvillen haben Direktorin Beate Kemfert und der Frankfurter Künstler Jochem Hendricks eine gemeinsame Schau kuratiert, die als künstlerisch-poetische Reaktion auf die Distanz zwischen dem Ausstellungshaus und seiner ursprünglichen Funktion gelesen werden kann. „Deep Distance Tender Touch“ inszeniert Werke unter anderem von Miriam Cahn, Arhun Aksakal, Daniel Spoerri, Martin Wenzel, Charlotte Posenenske und vielen anderen – zum Beispiel Tobias Rehberger, dessen einigermaßen berühmt gewordene Vasen dank einer Blumenspende während der gesamten Ausstellungsdauer regelmäßig frisch bestückt werden.
Nicht alle Präsentationen sind im realen Raum zu haben, doch alle teilnehmenden Häuser haben ihre oft wechselvolle Geschichte auf der Projekt-Website notiert. Und es gibt aktuell noch andere Museen, die sich ganz explizit mit dem Innenraum befassen: Das Dommuseum eröffnete Ende Oktober in Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum die Schau „Raumwunder. Frankfurter Maler entdecken das Kircheninterieur“. Nicht das Ausstellungshaus selbst, aber doch sein Haupt-Sujet wird hier künstlerisch „vermessen“ – anhand zahlreicher Gemälde und Zeichnungen, die zwischen 1770 und 1820 in Frankfurt entstanden und die neben tatsächlichen Kircheninterieurs auch Hunderte Fantasiekirchen zeigen. Eine bizarre Randnotiz der Kunstgeschichte, könnte man meinen, doch die Maler Johann Ludwig Ernst Morgenstern (1738–1819) und Christian Stöcklin (1741–1795) sowie ihre Weggefährten kreierten damit eine Art eigenes Retro-Genre, das seinerzeit ausgesprochen nachgefragt war. Nicht zufällig fällt diese Sehnsucht nach dem sakralen Innen in die Zeit der Aufklärung, die erst zaghaft, dann unaufhaltsam den Verstand gegen den Mythos ins Feld brachte. So dienten die teils an exakten Parametern ausgemachten, teils allein in der Vorstellung verhafteten Gemälde wohl auch als Vergewisserung, dass jene gerade im Verschwinden begriffenen Räume tatsächlich existierten.
18. Dezember 2024, 13.05 Uhr
Katharina J. Cichosch
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