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Konzert des Monats
Zum Weihnachtsblues ins Zoom
Wenn bei The Tiger Lillies der Schnee fällt, trügt die Idylle. Und die „Silent Night“ ist bei den Briten so gar nicht still. Im Zoom bringen sie am 12. und 13. Dezember, präsentiert vom JOURNAL FRANKFURT, Charles Dickens’ „A Christmas Carol“ auf die Bühne.
Ein Blick auf die Website der Briten verrät: Das Trio – meist als avant-garde punk-cabaret apostrophiert – hat aktuell zehn unterschiedliche, abendfüllende Programme im Repertoire, darunter„ „Devils Fairground“, die „One Penny Opera“, „The Last Days Of Mankind“ und „Cold Night In Soho“ (damit waren sie 2017 im Mousonturm). Martyn Jacques (Erzähler, Sänger, Pianist, Akkordion- und Ukulelenspieler), assistiert von Adrian Stout (Kontrabass, Singende Säge, Theremin, Gitarre, Gesang) und Budi Butenop (Schlagzeug) greift als Autor und Komponist gerne auf klassische Vorlagen, etwa John Gay, Brecht/Weill, Karl Kraus oder Edgar Allen Poe zurück. Aber Martyn Jacques hat den früh formulierten Wunsch schon lange realisiert, einen ganz eigenen spezifischen Stil mit seinen 1989 gegründeten Tiger Lillies kreieren zu wollen.
Was mal als von Bertolt Brecht, Kurt Weill und der Theatermusik der späten Zwanzigerjahre in Berlin inspirierten „Punk-Kabarett“ bezeichnet wurde, hat das Trio zu einer ureigenen Sprache ausgestaltet. In die Melange fließen Ballade, Jazz, Blues, osteuropäischer Folk, Zirkus- und Theatermusiken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) ein. Ein Klangkaleidoskop, das von Jacques Falsettgesang getoppt wird. Der transportiert Leid so sehr wie Hysterie, trägt meist tragikomische Züge und wird zum Sprachrohr für all die Verlierer und Außenseiter, die er nur zu gerne zu Protagonisten seiner Geschichten macht. Die werden dann in stimmungsvollen, dichten Arrangements bittersüß und schaurig-schön in Szene gesetzt.
„Punk-Kabarett“ – Ein Klangkaleidoskop, das von Jacques Falsettgesang getoppt wird
The Tiger Lillies sind Theater-erfahren, haben sich mit Büchners „Woyzeck“ auseinander gesetzt, sich von Shakespeares „Hamlet“ nicht verschrecken lassen, Wedekinds „Lulu“ wie Döblins „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“ in Töne übertragen, letztgenanntes am Schauspiel Frankfurt im Herbst 2015. Auch den „Struwwelpeter“ haben sie zu Songs geformt. Da braucht es keine Kulissen oder Bühnenbilder.
Theaterflair strahlt jede Aufführung der weiß geschminkten Mimen, der eine immer mit Melone zur Totenkopfweste, die anderen im karierten Anzug oder mit Kosakenmütze behütet, ohnehin aus. Für viel Atmosphäre sorgen zudem die sphärischen Klänge der Singenden Säge und des „Ur-Synthesizers“, dem elektronischen Instrument Theremin. Geheimnisvoll umkreisen die Töne die Aura der drei Charismatiker. Im Dezember nun gastieren The Tiger Lillies an zwei Abenden im Zoom mit „A Christmas Carol: A Victorian Gutter” frei nach Charles Dickens. Dessen gleichnamige Novelle mit sozialkritischen Tönen hat „Eine Geistergeschichte zum Christfest“ als Untertitel – beides passt deswegen bestens ins Œuvre der drei streitbaren Tiger Lillies. In aller Kürze: Der Geldverleiher Ebenezer Scrooge (Stout schlüpft wohl auf der Bühne in seine Rolle), ein grantiger Geizhals, bekommt eines Nachts Besuch von seinem verstorbenen Teilhaber und drei weiteren Geistern, die ihn veranlassen sein Leben zu ändern.
„Die Tatsache, dass seine Charaktere mit Einsicht für unsere Schwächen und Fehler ausgestattet sind, machte das Songwriting noch vergnüglicher"
„Es gibt soviel im Schaffen von Charles Dickens zu bewundern. Er erzählt wundervolle Geschichten. Und ,A Christmas Carol’ ist eine seiner Besten. Es war einfach an der Zeit, einen Songzyklus auf deren Basis zu schreiben“, meldet sich Jacques zu Wort. „Die Tatsache, dass seine Charaktere mit Einsicht für unsere Schwächen und Fehler ausgestattet sind, machte das Songwriting noch vergnüglicher. Was diese Geschichte so fantastisch macht ist Scrooges Reise von einem selbstsüchtigen Monster zu einem reuigen Wohltäter. Die Tatsache, dass drei Geister der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihn buchstäblich in diese Transformation mit Angst und Schrecken versetzen macht es auch komödiantisch. Was für ein Autor!“
Adrian Stout pflichtet ihm bei: „Unsere Musical-Version von ,A Christmas Carol’ dampft die Geschichte auf ihre fundamentalen erzählerischen Elemente ein, auf die soziale Ungerechtigkeit und die ständig präsente Angst vor dem Tod durch Armut und Hunger. Ein berührender Soundtrack mit minimalistischer Instrumentierung fängt die kalten viktorianischen Straßen Londons ein und zeigt aber auch die Hoffnung von menschlichen Verbindungen über Gier und Ignoranz.“
Die fundamentalen erzählerischen Elemente: soziale Ungerechtigkeit, Armut und Hunger
Im Juli kam übrigens ein neues Album der Tiger Lillies heraus. Es ist eine musikalische Solidaritätsadresse an alle Ukrainer und Ukrainerinnen. Alle Erlöser aus dem Verkauf des Albums „Ukraine“ werden zur Unterstützung des Landes eingesetzt. „Einige der Lieder handeln von den Leiden des ukrainischen Volkes in diesem schrecklichen Krieg“, sagt Martyn Jacques. Für sie empfindet er viel Mitgefühl. Für Putin hat er nur Verachtung übrig.
Info
The Tiger Lillies, Ffm. Zoom, Carl-Benz-Strasse 21, 12.+13.12., 20 Uhr, Eintritt: 44 €
Was mal als von Bertolt Brecht, Kurt Weill und der Theatermusik der späten Zwanzigerjahre in Berlin inspirierten „Punk-Kabarett“ bezeichnet wurde, hat das Trio zu einer ureigenen Sprache ausgestaltet. In die Melange fließen Ballade, Jazz, Blues, osteuropäischer Folk, Zirkus- und Theatermusiken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) ein. Ein Klangkaleidoskop, das von Jacques Falsettgesang getoppt wird. Der transportiert Leid so sehr wie Hysterie, trägt meist tragikomische Züge und wird zum Sprachrohr für all die Verlierer und Außenseiter, die er nur zu gerne zu Protagonisten seiner Geschichten macht. Die werden dann in stimmungsvollen, dichten Arrangements bittersüß und schaurig-schön in Szene gesetzt.
The Tiger Lillies sind Theater-erfahren, haben sich mit Büchners „Woyzeck“ auseinander gesetzt, sich von Shakespeares „Hamlet“ nicht verschrecken lassen, Wedekinds „Lulu“ wie Döblins „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“ in Töne übertragen, letztgenanntes am Schauspiel Frankfurt im Herbst 2015. Auch den „Struwwelpeter“ haben sie zu Songs geformt. Da braucht es keine Kulissen oder Bühnenbilder.
Theaterflair strahlt jede Aufführung der weiß geschminkten Mimen, der eine immer mit Melone zur Totenkopfweste, die anderen im karierten Anzug oder mit Kosakenmütze behütet, ohnehin aus. Für viel Atmosphäre sorgen zudem die sphärischen Klänge der Singenden Säge und des „Ur-Synthesizers“, dem elektronischen Instrument Theremin. Geheimnisvoll umkreisen die Töne die Aura der drei Charismatiker. Im Dezember nun gastieren The Tiger Lillies an zwei Abenden im Zoom mit „A Christmas Carol: A Victorian Gutter” frei nach Charles Dickens. Dessen gleichnamige Novelle mit sozialkritischen Tönen hat „Eine Geistergeschichte zum Christfest“ als Untertitel – beides passt deswegen bestens ins Œuvre der drei streitbaren Tiger Lillies. In aller Kürze: Der Geldverleiher Ebenezer Scrooge (Stout schlüpft wohl auf der Bühne in seine Rolle), ein grantiger Geizhals, bekommt eines Nachts Besuch von seinem verstorbenen Teilhaber und drei weiteren Geistern, die ihn veranlassen sein Leben zu ändern.
„Es gibt soviel im Schaffen von Charles Dickens zu bewundern. Er erzählt wundervolle Geschichten. Und ,A Christmas Carol’ ist eine seiner Besten. Es war einfach an der Zeit, einen Songzyklus auf deren Basis zu schreiben“, meldet sich Jacques zu Wort. „Die Tatsache, dass seine Charaktere mit Einsicht für unsere Schwächen und Fehler ausgestattet sind, machte das Songwriting noch vergnüglicher. Was diese Geschichte so fantastisch macht ist Scrooges Reise von einem selbstsüchtigen Monster zu einem reuigen Wohltäter. Die Tatsache, dass drei Geister der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihn buchstäblich in diese Transformation mit Angst und Schrecken versetzen macht es auch komödiantisch. Was für ein Autor!“
Adrian Stout pflichtet ihm bei: „Unsere Musical-Version von ,A Christmas Carol’ dampft die Geschichte auf ihre fundamentalen erzählerischen Elemente ein, auf die soziale Ungerechtigkeit und die ständig präsente Angst vor dem Tod durch Armut und Hunger. Ein berührender Soundtrack mit minimalistischer Instrumentierung fängt die kalten viktorianischen Straßen Londons ein und zeigt aber auch die Hoffnung von menschlichen Verbindungen über Gier und Ignoranz.“
Im Juli kam übrigens ein neues Album der Tiger Lillies heraus. Es ist eine musikalische Solidaritätsadresse an alle Ukrainer und Ukrainerinnen. Alle Erlöser aus dem Verkauf des Albums „Ukraine“ werden zur Unterstützung des Landes eingesetzt. „Einige der Lieder handeln von den Leiden des ukrainischen Volkes in diesem schrecklichen Krieg“, sagt Martyn Jacques. Für sie empfindet er viel Mitgefühl. Für Putin hat er nur Verachtung übrig.
The Tiger Lillies, Ffm. Zoom, Carl-Benz-Strasse 21, 12.+13.12., 20 Uhr, Eintritt: 44 €
7. Dezember 2023, 09.23 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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