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Gesichter der Stadt
Die Portikus-Chefinnen: besser gemeinsam
Carina Bukuts und Liberty Adrien arbeiten als Kuratorinnen-Duo am Portikus. Ein Gespräch über Brücken, Arbeiten als Ping-Pong und kleine Gesten, die viel bewirken.
JOURNAL FRANKFURT: Liebe Frau Bukuts, liebe Frau Adrien, seit Frühjahr 2022 sind Sie als Kuratorinnen am Portikus tätig. Wie haben Sie Ihr erstes Jahr erlebt?
Carina Bukuts: Es war ein tolles Jahr. Am Anfang haben wir viele Interviews gegeben und dabei Ideen formuliert: Was wir uns für den Portikus wünschen, wie wir in die Stadt hineinwirken möchten, wie wir vielleicht auch sein Bild verändern möchten. Denn das Haus hat natürlich eine wahnsinnige Reputation und Ausstellungsgeschichte – uns ist aber aufgefallen, dass es viele Menschen in Frankfurt gar nicht so präsent haben. Das wollten wir ändern. Wenn ich an die Besucher:innenzahlen denke und an die vielen freundlichen Gespräche hier, dann hat das tatsächlich auch funktioniert.
Liberty Adrien: Carina hat in Frankfurt studiert. Für mich war die Stadt neu – und ich muss sagen, dass es eine sehr willkommen heißende Stadt ist. Inzwischen haben wir viele Beziehungen geknüpft und ein Verständnis für Frankfurt entwickelt. Mit dem planen wir jetzt das Programm der kommenden zwei Jahre.
Schon mit der ersten Ausstellung, „Diversion“ von Asad Raza, wollten Sie das Haus zur Stadt hin öffnen. Wie sind Sie vorgegangen?
CB: Wir haben versucht, möglichst unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen: Mit Führungen in mehreren Sprachen, einschließlich Gebärdensprache, durch viele Veranstaltungen im Rahmenprogramm… Es gibt aber auch Gesten, die wir uns als Kuratorinnen überlegen, die nicht unbedingt mit der Ausstellung direkt zu tun haben. Kleinigkeiten wie die, „Eintritt frei“ draußen anzuschreiben und beide Türen weit zu öffnen. Plötzlich kamen viele Passant:innen herein, die nie vorher diese Brücke überquert haben und vielleicht sonst vorbeigelaufen wären. Und sie kommen wieder. Das ist unsere Hoffnung: Dass Menschen zufällig hereinkommen und dann merken, hier ist ein Ort, an dem sie sich wohlfühlen, an den sie auch gerne wieder kommen.
In der Ausstellung „Assembly“, die noch bis 16. Juli läuft, wird die Kunst jetzt direkt im öffentlichen Raum platziert: Waschsalon, Zeitungskiosk, Parkhaus, Park, Meral’s Döner-Boot.
LA: Mit dieser Ausstellung war die Idee, einerseits in den öffentlichen Raum zu treten und andererseits dort auch verschiedene Leute zusammenzubringen. Vielleicht müssen wir in die Nachbarschaft gehen, vielleicht können wir nicht nur warten, bis die Leute zu uns kommen.
CB: Ein Satz, den wir zu Beginn oft gesagt haben: Der Portikus steht auf einer Insel, aber auch auf einer Brücke, und wir möchten solche Brücken in die Stadt schlagen. Mit „Assembly“ machen wir das jetzt wirklich. Vielleicht erreichen wir jetzt Menschen, die es sonst nicht einmal über die Brücke zu uns schaffen.
Nun haben Sie schon einige Vorhaben umgesetzt, zugleich ist die Zeit als Kuratorin am Portikus begrenzt. Was haben Sie noch geplant? Und was lassen Sie sich noch offen?
CB: Als nächste Ausstellung steht jetzt Simone Fattal an, auf die wir uns sehr freuen. Simone Fattal ist über 80 Jahre alt – auch das ist uns wichtig, Künstler:innen verschiedenen Alters zu zeigen. Danach folgt dann zur Buchmesse wieder das Art Book Festival in unserem Haus, dazu werden wir Kunst aus dem Gastland Slowenien zeigen. Dann folgt die südafrikanische Künstlerin Dineo Seshee Bopape. Mit ihr bilden wir nochmal eine andere Geografie ab, die in der Geschichte des Portikus bisher gefehlt hat.
LA: Gerade haben wir unser Programm für 2024 fertiggestellt. Auch hier wird es wieder viel Abwechslung zwischen Alter, Geografie, Experiment und Etabliertem geben.
CB: Ich denke, ein roter Faden ist aber auch gerade dieses Offenhalten, auch für die Ideen von Kolleg:innen. Die Ausstellungen sind also schon geplant, und wir freuen uns wirklich sehr darauf. Aber dann werden sicher noch einige Überraschungen kommen.
Auch das war ein Schritt ins Offene: Sie kannten sich ja noch gar nicht sehr lang, als die gemeinsame Bewerbung folgte.
CB: Wir haben uns 2019 kennengelernt, bei „RuhrDing“, eine Ausstellung im öffentlichen Raum. Dort haben wir festgestellt, dass wir im selben Stadtteil in Berlin wohnen. Als dann der Corona-Lockdown kam, haben wir beide viele gemeinsame Spaziergänge unternommen, uns über Kunst unterhalten und so kennengelernt. Irgendwann kam die Ideen, einen Ausstellungsparcours zu entwickeln, „Balade Berlin“, der ebenfalls über Spaziergänge erlebt werden konnte. Das fand großen Zuspruch, und als die Stelle am Portikus ausgeschrieben war, sagten uns plötzlich viele Menschen: Bewerbt euch doch dort! Wir dachten, wenn es eine Institution gibt, in der es schön wäre, gemeinsam als Duo zu arbeiten, dann hier. Zur Eröffnung von „Assembly“ kennen wir uns jetzt seit vier Jahren. Inzwischen ist alles eingespielt, wie Ping-Pong.
LA: Durch diese Zusammenarbeit hat man den Kopf frei. Natürlich gibt es immer viel zu tun, aber man teilt diese Intensität. Wenn man als Duo arbeitet, hat man Zeit, über Kunst zu sprechen – und nicht nur über To-Dos und Verwaltung. Wir haben großen Respekt für die Meinung der anderen, aber wir haben eine ähnliche Auffassung von Kunst und was sie sein kann. Wir kommen aus verschiedenen Ländern, haben unterschiedliche Ideen von Kunstgeschichte gelernt. So hinterfragt man seine eigenen Auffassungen. Es ist wirklich toll, zusammenzuarbeiten. Nicht nur, weil man die besten und die schlechtesten Momente teilt. Sondern auch, weil man alle anderen Momente teilt: die Entwicklung des Ausstellungsprogramms, den Austausch mit dem Publikum, mit Künstlerinnen und Künstlern.
CB: Ja, wir können diese Arbeitsweise wirklich nur weiterempfehlen!
>> Assembly. Interventionen im öffentlichen Raum, bis 16.07.
Simone Fattal. The Manifestations of the Voyage, bis 24.09.
________________________________________________________
Zu den Personen:
Carina Bukuts (links im Bild) hat Kunstgeschichte und Philosophie in Frankfurt studiert und als Autorin, freie Kuratorin und Redakteurin gearbeitet, u. a. für das frieze-Magazin sowie als Mitbegründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins PASSE-AVANT.
Liberty Adrien ist Kuratorin, Kunsthistorikerin und Kritikerin. Sie gründete
den unabhängigen Kunstraum Âme Nue in Hamburg, der sich der zeitgenössischen Kunst und Kultur widmet, und die Künstler:innenateliers
Âme Nue Ateliers in Paris.
Carina Bukuts: Es war ein tolles Jahr. Am Anfang haben wir viele Interviews gegeben und dabei Ideen formuliert: Was wir uns für den Portikus wünschen, wie wir in die Stadt hineinwirken möchten, wie wir vielleicht auch sein Bild verändern möchten. Denn das Haus hat natürlich eine wahnsinnige Reputation und Ausstellungsgeschichte – uns ist aber aufgefallen, dass es viele Menschen in Frankfurt gar nicht so präsent haben. Das wollten wir ändern. Wenn ich an die Besucher:innenzahlen denke und an die vielen freundlichen Gespräche hier, dann hat das tatsächlich auch funktioniert.
Liberty Adrien: Carina hat in Frankfurt studiert. Für mich war die Stadt neu – und ich muss sagen, dass es eine sehr willkommen heißende Stadt ist. Inzwischen haben wir viele Beziehungen geknüpft und ein Verständnis für Frankfurt entwickelt. Mit dem planen wir jetzt das Programm der kommenden zwei Jahre.
Schon mit der ersten Ausstellung, „Diversion“ von Asad Raza, wollten Sie das Haus zur Stadt hin öffnen. Wie sind Sie vorgegangen?
CB: Wir haben versucht, möglichst unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen: Mit Führungen in mehreren Sprachen, einschließlich Gebärdensprache, durch viele Veranstaltungen im Rahmenprogramm… Es gibt aber auch Gesten, die wir uns als Kuratorinnen überlegen, die nicht unbedingt mit der Ausstellung direkt zu tun haben. Kleinigkeiten wie die, „Eintritt frei“ draußen anzuschreiben und beide Türen weit zu öffnen. Plötzlich kamen viele Passant:innen herein, die nie vorher diese Brücke überquert haben und vielleicht sonst vorbeigelaufen wären. Und sie kommen wieder. Das ist unsere Hoffnung: Dass Menschen zufällig hereinkommen und dann merken, hier ist ein Ort, an dem sie sich wohlfühlen, an den sie auch gerne wieder kommen.
In der Ausstellung „Assembly“, die noch bis 16. Juli läuft, wird die Kunst jetzt direkt im öffentlichen Raum platziert: Waschsalon, Zeitungskiosk, Parkhaus, Park, Meral’s Döner-Boot.
LA: Mit dieser Ausstellung war die Idee, einerseits in den öffentlichen Raum zu treten und andererseits dort auch verschiedene Leute zusammenzubringen. Vielleicht müssen wir in die Nachbarschaft gehen, vielleicht können wir nicht nur warten, bis die Leute zu uns kommen.
CB: Ein Satz, den wir zu Beginn oft gesagt haben: Der Portikus steht auf einer Insel, aber auch auf einer Brücke, und wir möchten solche Brücken in die Stadt schlagen. Mit „Assembly“ machen wir das jetzt wirklich. Vielleicht erreichen wir jetzt Menschen, die es sonst nicht einmal über die Brücke zu uns schaffen.
Nun haben Sie schon einige Vorhaben umgesetzt, zugleich ist die Zeit als Kuratorin am Portikus begrenzt. Was haben Sie noch geplant? Und was lassen Sie sich noch offen?
CB: Als nächste Ausstellung steht jetzt Simone Fattal an, auf die wir uns sehr freuen. Simone Fattal ist über 80 Jahre alt – auch das ist uns wichtig, Künstler:innen verschiedenen Alters zu zeigen. Danach folgt dann zur Buchmesse wieder das Art Book Festival in unserem Haus, dazu werden wir Kunst aus dem Gastland Slowenien zeigen. Dann folgt die südafrikanische Künstlerin Dineo Seshee Bopape. Mit ihr bilden wir nochmal eine andere Geografie ab, die in der Geschichte des Portikus bisher gefehlt hat.
LA: Gerade haben wir unser Programm für 2024 fertiggestellt. Auch hier wird es wieder viel Abwechslung zwischen Alter, Geografie, Experiment und Etabliertem geben.
CB: Ich denke, ein roter Faden ist aber auch gerade dieses Offenhalten, auch für die Ideen von Kolleg:innen. Die Ausstellungen sind also schon geplant, und wir freuen uns wirklich sehr darauf. Aber dann werden sicher noch einige Überraschungen kommen.
Auch das war ein Schritt ins Offene: Sie kannten sich ja noch gar nicht sehr lang, als die gemeinsame Bewerbung folgte.
CB: Wir haben uns 2019 kennengelernt, bei „RuhrDing“, eine Ausstellung im öffentlichen Raum. Dort haben wir festgestellt, dass wir im selben Stadtteil in Berlin wohnen. Als dann der Corona-Lockdown kam, haben wir beide viele gemeinsame Spaziergänge unternommen, uns über Kunst unterhalten und so kennengelernt. Irgendwann kam die Ideen, einen Ausstellungsparcours zu entwickeln, „Balade Berlin“, der ebenfalls über Spaziergänge erlebt werden konnte. Das fand großen Zuspruch, und als die Stelle am Portikus ausgeschrieben war, sagten uns plötzlich viele Menschen: Bewerbt euch doch dort! Wir dachten, wenn es eine Institution gibt, in der es schön wäre, gemeinsam als Duo zu arbeiten, dann hier. Zur Eröffnung von „Assembly“ kennen wir uns jetzt seit vier Jahren. Inzwischen ist alles eingespielt, wie Ping-Pong.
LA: Durch diese Zusammenarbeit hat man den Kopf frei. Natürlich gibt es immer viel zu tun, aber man teilt diese Intensität. Wenn man als Duo arbeitet, hat man Zeit, über Kunst zu sprechen – und nicht nur über To-Dos und Verwaltung. Wir haben großen Respekt für die Meinung der anderen, aber wir haben eine ähnliche Auffassung von Kunst und was sie sein kann. Wir kommen aus verschiedenen Ländern, haben unterschiedliche Ideen von Kunstgeschichte gelernt. So hinterfragt man seine eigenen Auffassungen. Es ist wirklich toll, zusammenzuarbeiten. Nicht nur, weil man die besten und die schlechtesten Momente teilt. Sondern auch, weil man alle anderen Momente teilt: die Entwicklung des Ausstellungsprogramms, den Austausch mit dem Publikum, mit Künstlerinnen und Künstlern.
CB: Ja, wir können diese Arbeitsweise wirklich nur weiterempfehlen!
>> Assembly. Interventionen im öffentlichen Raum, bis 16.07.
Simone Fattal. The Manifestations of the Voyage, bis 24.09.
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Zu den Personen:
Carina Bukuts (links im Bild) hat Kunstgeschichte und Philosophie in Frankfurt studiert und als Autorin, freie Kuratorin und Redakteurin gearbeitet, u. a. für das frieze-Magazin sowie als Mitbegründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins PASSE-AVANT.
Liberty Adrien ist Kuratorin, Kunsthistorikerin und Kritikerin. Sie gründete
den unabhängigen Kunstraum Âme Nue in Hamburg, der sich der zeitgenössischen Kunst und Kultur widmet, und die Künstler:innenateliers
Âme Nue Ateliers in Paris.
9. Juli 2023, 15.00 Uhr
kjc
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