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Frankfurter Kunstverein
Fake Views
Das Medienkünstler Eva und Franco Mattes setzen sich kritisch mit der digitalen Gesellschaft auseinander. Im Frankfurter Kunstverein haben sie einen Ausstellungsparcours errichtet, der Täuschungen, Machtstrukturen und Narrative sichtbar machen soll.
Seit den 90er-Jahren beschäftigen sich Eva und Franco Mattes mit den Phänomenen unserer digitalen Gesellschaft. Unter dem Pseudonym 0100101110101101.org – der Name spielt auf das Binärsystem an – wurden die Künstler zu Pionieren der Netzkunstbewegung. Nun sind ihre Arbeiten im Frankfurter Kunstverein zu sehen und dort sind sie genau am richtigen Platz.
Zum einen ist Frankfurt einer der wichtigsten Standorte unserer digitalen Zeit, denn hier befindet sich der weltweit größte Internetknotenpunkt DE-CIX genannt. Dieser ist von Rechenzentren in über 600 Städten weltweit aus erreichbar und verbindet Tausende Netzbetreiber miteinander. Zum anderen ist es der Direktorin des Kunstvereins Franziska Nori, die die Ausstellung kuratiert hat, ein großes Anliegen, gesellschaftliche Phänomene ins Bewusstsein zu rufen und das Nicht-Sichtbare sichtbar zu machen. Man denke nur an die eindringliche Ausstellung „Three Doors“ im vergangenen Jahr.
Kunstverein: Gesellschaftliche Phänomene ins Bewusstsein rufen
Nun also „Fake Views“. Zum einen spielt der Ausstellungstitel auf manipulierte Nachrichten, die sogenannten Fake News, an, zum anderen steht er auch für eine mittlerweile weit verbreitete Praxis, durch manipulierte Klickzahlen für Videos und Bilder den Eindruck einer größeren Bedeutung zu wecken. Um es drastisch zu sagen: Diese Praxis ist zu einer Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaft geworden, denn durch Bots und manipulierte Bilder werden Vorurteile bedient, Narrative gelenkt und die öffentliche Meinung beeinflusst.
Mit einem Ausstellungsparcours, der wie ein zusammenhängender Organismus funktioniert, sollen manipulierte und manipulative Daten und Prozesse – die für uns ja oft unsichtbar sind – offengelegt werden und damit zum Nachdenken anregen. Brauchen wir Whatsapp wirklich für unsere Kommunikation? Ist diese Datencloud, die so leicht und schwebend daherkommt, nicht in Wirklichkeit ein energieverschlingendes schwarzes Loch?
„Fake Views“ im Kunstverein: Ein geschlossenes System
Für die Ausstellung wurde eine Datentrasse durch alle Stockwerke des Kunstvereins gelegt. Dies wirkt ästhetisch, hat aber auch einen praktischen Nutzen: Alle Arbeiten werden von dieser Trasse versorgt, es existiert sozusagen eine sichtbare Netzstruktur. Der Parcours beginnt im ersten Stock mit der Skulptur „Personal Photographs“, die im Raum schwebt und durch die metallenen Kabelträger und -stränge einen Blick auf die nicht mehr ganz so neue Altstadt erlaubt – ein ästhetischer Nebeneffekt, der aber die Bedeutung Frankfurts für die digitale Struktur in die Ausstellung miteinbezieht.
Die Arbeit ist ein in sich geschlossenes System, erklärt Franziska Nori. Hier zirkulieren private Fotos der Künstlerinnen, die aber nicht sichtbar werden, da es sich um binäre Daten handelt. Die ambivalente Beziehung zwischen privaten und öffentlichen Daten soll auf diese Weise sichtbar gemacht werden.
Ambivalente Beziehung zwischen privaten und öffentlichen Daten
Als Herzstück der Ausstellung bezeichnet Nori die Arbeiten „Befnoed“ und „The Bots“. Beide Videoinstallationen thematisieren die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse von Menschen, die zu schlechten Konditionen für digitale Plattformen arbeiten und auch als „Cybertariat“ bezeichnet werden. Hinter sechs Schreibtischen befinden sich Screens, auf denen die Aussagen von Content-Mitarbeiterinnen abgespielt werden, die getarnte Make-up-Tutorials sind: eine Anspielung auf die Praxis von Aktivistinnen in Unrechtsregimen, die darauf hoffen, dass ihre Videos nicht zensiert werden.
In „The Bots“ wird deutlich: Mitarbeiter müssen eine Flut an gewaltverherrlichenden, pornografischen und anderen belastenden Bildern sichten, um diese zu löschen. Den Inhalten sind die Menschen schutzlos ausgeliefert – ohne psychologische Betreuung. Die Aussagen stammen aus investigativen Recherchen, bei denen Zeuginnen zu ihrer Tätigkeit in der Facebook-Moderationszentrale in Berlin befragt wurden.
Damit sie anonym bleiben können, werden ihre Aussagen von Schauspielerinnen wiedergegeben. Wir werden Zeugen ihrer Gefühle und Bedenken. Eva und Franco Mattes hatten für ihre Recherchen Zugang zu vertraulichen Richtlinienkatalogen. Diese bislang der Öffentlichkeit verborgenen Regeln wurden von den Künstlern in der Wandarbeit „Abuse Standards Violations“ sichtbar gemacht.
Info_______________________________________________________________
Fake Views – Eva & Franco Mattes, 14.7. bis 10.9. im Frankfurter Kunstverein, Markt 44, www.fkv.de
Zum einen ist Frankfurt einer der wichtigsten Standorte unserer digitalen Zeit, denn hier befindet sich der weltweit größte Internetknotenpunkt DE-CIX genannt. Dieser ist von Rechenzentren in über 600 Städten weltweit aus erreichbar und verbindet Tausende Netzbetreiber miteinander. Zum anderen ist es der Direktorin des Kunstvereins Franziska Nori, die die Ausstellung kuratiert hat, ein großes Anliegen, gesellschaftliche Phänomene ins Bewusstsein zu rufen und das Nicht-Sichtbare sichtbar zu machen. Man denke nur an die eindringliche Ausstellung „Three Doors“ im vergangenen Jahr.
Nun also „Fake Views“. Zum einen spielt der Ausstellungstitel auf manipulierte Nachrichten, die sogenannten Fake News, an, zum anderen steht er auch für eine mittlerweile weit verbreitete Praxis, durch manipulierte Klickzahlen für Videos und Bilder den Eindruck einer größeren Bedeutung zu wecken. Um es drastisch zu sagen: Diese Praxis ist zu einer Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaft geworden, denn durch Bots und manipulierte Bilder werden Vorurteile bedient, Narrative gelenkt und die öffentliche Meinung beeinflusst.
Mit einem Ausstellungsparcours, der wie ein zusammenhängender Organismus funktioniert, sollen manipulierte und manipulative Daten und Prozesse – die für uns ja oft unsichtbar sind – offengelegt werden und damit zum Nachdenken anregen. Brauchen wir Whatsapp wirklich für unsere Kommunikation? Ist diese Datencloud, die so leicht und schwebend daherkommt, nicht in Wirklichkeit ein energieverschlingendes schwarzes Loch?
„Fake Views“ im Kunstverein: Ein geschlossenes System
Für die Ausstellung wurde eine Datentrasse durch alle Stockwerke des Kunstvereins gelegt. Dies wirkt ästhetisch, hat aber auch einen praktischen Nutzen: Alle Arbeiten werden von dieser Trasse versorgt, es existiert sozusagen eine sichtbare Netzstruktur. Der Parcours beginnt im ersten Stock mit der Skulptur „Personal Photographs“, die im Raum schwebt und durch die metallenen Kabelträger und -stränge einen Blick auf die nicht mehr ganz so neue Altstadt erlaubt – ein ästhetischer Nebeneffekt, der aber die Bedeutung Frankfurts für die digitale Struktur in die Ausstellung miteinbezieht.
Die Arbeit ist ein in sich geschlossenes System, erklärt Franziska Nori. Hier zirkulieren private Fotos der Künstlerinnen, die aber nicht sichtbar werden, da es sich um binäre Daten handelt. Die ambivalente Beziehung zwischen privaten und öffentlichen Daten soll auf diese Weise sichtbar gemacht werden.
Als Herzstück der Ausstellung bezeichnet Nori die Arbeiten „Befnoed“ und „The Bots“. Beide Videoinstallationen thematisieren die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse von Menschen, die zu schlechten Konditionen für digitale Plattformen arbeiten und auch als „Cybertariat“ bezeichnet werden. Hinter sechs Schreibtischen befinden sich Screens, auf denen die Aussagen von Content-Mitarbeiterinnen abgespielt werden, die getarnte Make-up-Tutorials sind: eine Anspielung auf die Praxis von Aktivistinnen in Unrechtsregimen, die darauf hoffen, dass ihre Videos nicht zensiert werden.
In „The Bots“ wird deutlich: Mitarbeiter müssen eine Flut an gewaltverherrlichenden, pornografischen und anderen belastenden Bildern sichten, um diese zu löschen. Den Inhalten sind die Menschen schutzlos ausgeliefert – ohne psychologische Betreuung. Die Aussagen stammen aus investigativen Recherchen, bei denen Zeuginnen zu ihrer Tätigkeit in der Facebook-Moderationszentrale in Berlin befragt wurden.
Damit sie anonym bleiben können, werden ihre Aussagen von Schauspielerinnen wiedergegeben. Wir werden Zeugen ihrer Gefühle und Bedenken. Eva und Franco Mattes hatten für ihre Recherchen Zugang zu vertraulichen Richtlinienkatalogen. Diese bislang der Öffentlichkeit verborgenen Regeln wurden von den Künstlern in der Wandarbeit „Abuse Standards Violations“ sichtbar gemacht.
Info_______________________________________________________________
Fake Views – Eva & Franco Mattes, 14.7. bis 10.9. im Frankfurter Kunstverein, Markt 44, www.fkv.de
13. Juli 2023, 10.30 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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