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Filmpremiere

Auf Augenhöhe

Eine Österreicherin und ein Kongolese im Frankfurter Bahnhofsviertel: Lisa Bierwirths Kinodebüt „Le Prince“ erzählt von einer besonderen Begegnung. Am Dienstagabend fand die Hessen-Premiere in Frankfurt statt.
Lisa Bierwirth war 18, als ihre Mutter Susanne aus dem beschaulichen Hessisch-Lichtenau ins Frankfurter Bahnhofsviertel zog. Dort wurde sie in den nächsten 20 Jahren oft von ihrer Tochter besucht, die währenddessen nach Berlin gegangen war, um ein Regie-Studium zu absolvieren. „Ich mag Frankfurt sehr“, sagt Lisa heute. „Mich hat an der Stadt immer diese direkte Kollision der Welten fasziniert, wo das Bahnhofsviertel direkt an das Bankenviertel grenzt: Hier die Gewinner, da die Verlierer.“ Und hier war es auch, wo Susanne seinerzeit auf einen neuen Lebenspartner traf: Erick aus Kinshasa. „Trotz aller Probleme waren sie ein wirklich tolles, schillerndes Paar“, erinnert sich die Tochter, „in ihrer Unterschiedlichkeit, aber auch Widerständigkeit, in ihrem Humor und ihrer Dynamik. Durch sie kam der Impuls und auch das Selbstbewusstsein, eine solche Konstellation überhaupt erzählen zu können und zu wollen.“ Das Ergebnis ist jetzt im Kino zu bewundern: „Le Prince“, ein ebenso stilsicheres wie fesselndes Beziehungsdrama, Lisa Bierwirths Langfilm-Debüt.

Im Mittelpunkt steht Monika (Ursula Strauss), eine alleinstehende Frau Mitte 40, die sich als ambitionierte Kuratorin in der Ausstellungsszene gerade dazu anschickt, künftige Direktorin der Frankfurter Kunsthalle (wer kennt sie nicht?) zu werden. Genau in dieser Phase beruflicher Neuorientierung platzt Joseph (Passi Balende) in ihr bislang kontrolliertes Leben: Der Kongolese ist illegal in Deutschland und hält sich mit allerlei krummen Geschäften über Wasser. Da wäre sie also wieder, die „Kollision der Welten“, mit der sich Bierwirths Film auseinandersetzt – trefflich eingefangen bereits im Eröffnungsbild, einem etwas verschlissenen Hinterhof-Ambiente mit gleichzeitigem Banken-Skyline-Panorama, eine Kameraeinstellung, die deutlich zeigt: Hier versteht jemand Frankfurt.

Über 125 Minuten lang untersucht „Le Prince“ nun nicht allein die Frage, ob eine solch unkonventionell erscheinende Beziehung zwischen disparaten Charakteren überhaupt Zukunft hat, sondern tut auch alles, um Monika und Joseph eine reelle Chance zu geben. „Ich wollte keine Schwarz-Weiße-Beziehung erzählen, die von vornherein mit bestimmten Mustern besetzt ist“, erläutert Lisa Bierwirth ihr dramaturgisches Konzept. „Deshalb erzählen wir von einer Liebe auf den ersten Blick, von einem zufälligen Zusammentreffen. Und ich wollte davon erzählen, welche Kraft und welchen Mut es braucht, eine Liebe zu leben, der nicht die gleichen Chancen eingeräumt werden, die misstrauisch beäugt wird.“ Dass dies hervorragend gelungen ist, hat nicht zuletzt mit dem Bestreben nach größtmöglicher Authentizität zu tun, welches die Regisseurin und Ko-Autorin (mit Hannes Held) an den Tag legte: Es wurde vor Ort gedreht, u.a. in einer afrikanischen Bar in der Ottostraße, die mittlerweile zwar nicht mehr existiert, Lisa aber durch frühere Erlebnisse mit Erick ans Herz gewachsen war. Viele Menschen aus der afrikanischen Diaspora Frankfurts spielen im Film mit, es wurde ein Casting mit 200 Laien veranstaltet, und zum Teil bereitete es Bierwirth „schlaflose Nächte, eine Perspektive zu erzählen, die nicht meine ist und werden kann, dieses Milieu auch so zeigen, dass es nicht ausgedacht wirkt. Das brauchte viel Recherche, oft habe ich mich gefragt: Schaffe ich das?“

Keine Sorge: Es ist ihr bestens geglückt. Dem Film gelingt es trotz seiner Länge mühelos, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, welcher die fragilen Emotionen der Protagonist:innen auf ihrem (nicht immer) gemeinsamen Weg vorantreibt und zum Mitfühlen animiert. Großen Anteil daran hat selbstredend auch die – multikulturelle – Besetzung, angeführt von der Österreicherin Ursula Strauss und dem selbst aus dem Kongo stammenden Passi Balende, in Frankreich und Belgien eine große Nummer in der Rap- und Hip-Hop-Szene, was selbst die Regisseurin nicht auf dem Schirm hatte, als sie ihn für „Le Prince“ verpflichtete – aber dem Film in besagten Ländern durchaus zu einem Popularitätsschub verhelfen könnte. Und nicht zuletzt haben wir es hier mit einer weiteren Hauptdarstellerin zu tun, die im Kino schon lange nicht mehr ihre Vielseitigkeit derart überzeugend unter Beweis stellen konnte: Applaus, liebes Frankfurt, gut gemacht!

Dieser Text ist zuerst in der Oktober-Ausgabe (10/21) des JOURNAL FRANKFURT erschienen. Diese ist auch als ePaper erhältlich.
 
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30. September 2021, 10.37 Uhr
Andreas Dosch
 
 
 
 
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