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Demokratie gestalten

Über Bilder Meinungen bilden

Das Städel Museum will demokratieförderndes Denken und Handeln unterstützen. Wie? Das erläutern Chantal Eschenfelder und Anna Huber vom Städel Museum in einem Gastbeitrag.
Was erzählt uns die Kunst von gestern über das Heute? Und was hat das eigentlich alles mit mir zu tun? Erfahren, was gewesen ist, was ist und was kommen könnte, sich Meinungen zu bilden, Debatten und Diskurse zu führen, um eine lebendige demokratische Kultur zu leben, steht im Zentrum der großen kulturellen Bildungsinitiative „Meinungsbilder. Anders sehen. Einander verstehen“. Das Städel Museum versteht sich als Ort für vielfältige gesellschaftliche Aspekte des Lebens und entwickelt seit Jahren Programme und Formate für eine zeitgemäße publikumsorientierte Kunstvermittlung. Die Meinungsbilder-Initiative soll demokratieförderndes Denken und Handeln unterstützen: Durch eine aktive Auseinandersetzung mit den Kunstwerken des Städel Museums lassen sich historische Entwicklungen und Prozesse, die das gesellschaftliche Wertesystem von Freiheit und Demokratie herausgebildet haben, eindrücklich nachvollziehen. Die Kunstwerke der Sammlung von 1300 bis zur Gegenwart erzählen Geschichten - von Globalisierung, Widerstand, Utopie, Emanzipation, Macht, Unterdrückung oder Populismus.

Eine große, weite Welt – auf den zweiten Blick

Wer im Städel Museum durch die Sammlungsräume der Alten Meister flaniert, mag die zwei Tafeln des italienischen Künstlers Meo da Siena leicht übersehen. Als doppelseitiges Altarwerk eines Klosters sind sie vor knapp 700 Jahren im umbrischen Perugia entstanden. Mit ihrem sperrigen, langgezogenen Format (60,5 x 305,3 cm) und der monotonen Aufreihung der Apostel und Heiligen entfachen sie heute nicht unbedingt die Neugierde der Vorbeischlendernden: Eine längst versunkene christliche Kunst des Mittelalters, könnte man meinen, in der der Goldgrund und die thronenden Christus und Maria von himmlischen Sphären künden. Doch wer genau hinschaut und sich von den zauberhaften Details überraschen lässt, dem eröffnen die zwei Tafeln – im wahrsten Sinne des Wortes – eine große, weite Welt!

Globalisierung gibt es nicht erst seit gestern

Schon das Ehrentuch hinter Christus erstaunt: Erinnern die Drachenfiguren nicht an Stoffmuster, wie man sie aus den ostasiatischen Kulturen kennt? Und welche Schriftzeichen zieren die Pergamentrollen der Marientafel? Kantig geformt und mit Punkt-Elementen versehen, stammen sie sicher nicht aus dem lateinischen Alphabet! Woher kam außerdem das Gold, dass die italienischen Künstler hauchdünn hämmerten und auf die Holztafeln flächig aufzubringen wussten, – damals schon aus den reichen Bodenschätzen des afrikanischen Kontinents?

Tatsächlich beweist diese Kunst aus den 1330er-Jahren: Globalisierung gibt es nicht er seit gestern. Und der frische Blick auf die alte Kunst lohnt sich, um die eigene Geschichte zu betrachten und einmal anders zu sehen. In unserer Gegenwart, in der Grenzen wieder schließen, Handelsbeziehungen einbrechen und die Teilung der Welt in Ost und West erneut mächtige Formen annimmt, erzählen die 700-jährigen Altartafeln von Austausch, Bewunderung und Befruchtung über Kontinente und Kulturen hinweg.

Filmreihe beleuchtet ausgewählte Kunstwerke des Museums

Diese globalen Zusammenhänge sind auch Gegenstand eines neuen digitalen Angebotes zum Auftakt der Initiative Meinungsbilder: Ab dem 1. Mai geht eine sechsteilige Filmreihe an den Start, die in jeder Folge ein ausgewähltes Kunstwerk aus der Städel Sammlung in den Mittelpunkt stellt. Auf dem YouTube-Kanal des Städel Museums und unter staedelmuseum.de/meinungsbilder lassen sich so auch die Altartafeln Meo da Sienas neu entdecken: Die Schauspielerin und Comedienne Enissa Amani erzählt von den globalen Aspekten des Kunstwerks und teilt ihre ganz persönlichen Eindrücke. Die Betrachtung der aufwendig gestalteten Stoffe und Kleider in Meo da Sienas Malerei hat sie ganz besonders beeindruckt. Denn was der Künstler hier sorgfältig nachahmt, ist der im Iran geborenen Deutschen überraschend vertraut: Im 14. Jahrhundert wurden solche, aus feiner Seide und Goldfaden gewebten Stoffe in Handwerkszentren wie dem iranischen Täbris hergestellt und gelangten über Anatolien und Armenien in die italienischen Hafenstädte. Schon die Herrscher des Mongolischen Großreichs – des größten zusammenhängenden Weltreichs der Geschichte – hatten die persische Webkunst für sich entdeckt und deren Verbreitung gefördert – von den Küsten des Ostchinesischen Meeres bis nach Nordafrika und Europa!

Im Rahmen von „Meinungsbilder. Anders sehen. Einander verstehen“ befragt das Städel Museum die Kunstwerke der eigenen Sammlung zu brandaktuellen Themen. Alle Informationen zur Initiative und aktuellen Angeboten unter staedelmuseum.de/meinungsbilder.

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Zu den Autorinnen:Chantal Eschenfelder leitet die Abteilung Bildung und Vermittlung sowie Digitale Sammlung des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung. Sie hat „Meinungsbilder“ initiiert. Anna Huber erarbeitet als stellvertretende Leitung der Abteilung insbesondere wissenschaftliche Inhalte für die Kunstvermittlung.
 
Fotogalerie:
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29. April 2023, 08.39 Uhr
Chantal Eschenfelder, Anna Huber
 
 
 
 
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