Partner
DFF
Babylon Frankfurt
In der neuen DFF-Ausstellung „Weimar weiblich“ lebt eine illustre Phase deutscher (Film-)Geschichte auf, die so manches Rollenbild auf den Kopf stellte.
„Wie viele meiner Kolleginnen von Bühne und Film habe ich gelernt, Jugend und Anmut hoch zu werten. Mit ‚Pond’s 2 Creams’ habe ich ein einfaches und wirksames Mittel gefunden. (...) Jede moderne Frau sollte Pond’s anwenden, um sich vor den Schäden der heutigen Lebensform zu schützen.“ Leni Riefenstahl ist es, die 1929 mit Abenteuerfilmen wie „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ als Schauspielerin hoch im Kurs steht und mittels Werbeanzeigen für die Errungenschaften der Kosmetikindustrie wirbt – aber auch vor aller Unbill einer trügerischen Moderne warnend den Zeigefinger hebt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Weimarer Republik, allgemein zwischen 1918–1933 datiert, bereits in ihrer Spätphase angelangt: Die Weltwirtschaftskrise steht vor der Tür, Hitlers Nationalsozialisten strecken ihre Krallen nach politischer Macht aus. Das hohe Gut eines neuen demokratischen deutschen Staates, hervorgegangen aus den Trümmern des Kaiserreiches nach Ende des Ersten Weltkrieges, drohte schon wieder abgelöst zu werden, nachdem es das geschundene Land im Jahrzehnt zuvor mit facettenreichen Entwicklungen bereichert hatte.
„Weimar weiblich“, so heißt jetzt eine Ausstellung, die von März bis November im Frankfurter DFF zu sehen ist und sich mit eben diesem Sujet von filmhistorischer und soziologischer Warte aus beschäftigt: „Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne“. Daria Berten, Kuratorin der neuen DFF-Schau, erklärt die Zusammenhänge: „Im Jahr 2018 gab es bereits eine Ausstellung unter diesem Titel, die in Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle Bonn und der Deutschen Kinemathek Berlin entstand. Wir haben 100 Exponate aus Berlin übernommen, 65 aus Bonn und von anderen Leihgebern, neu dazugekommen sind dann noch 150 aus unserem eigenen Archiv.“ Vor allem möchte man in Frankfurt den Fokus neu setzen, daher wurde das ursprüngliche Herzstück zum Thema „Frauen vor und hinter der Kamera“ um den Schwerpunkt „Geschlechtervielfalt“ ergänzt.
Und da ist man dann schon mitten drin im Geschehen. Die Weimarer Republik zeichnete sich nicht nur durch einen gewaltigen Boom der Kinoindustrie aus (1919 wurden in Deutschland mehr als 500 Filme produziert, allein in Frankfurt existierten an die 30 Lichtspieltheater). Gerade auch in kulturell-gesellschaftlicher Hinsicht kochten die Bedürfnisse nach neuen Ausdrucksformen hoch – vor allem in den Metropolen, bei denen Berlin die Schlüsselposition einnahm. „In der Mode war eine Tendenz zu außergewöhnlicher Kleidung zu erkennen“, erläutert Berten. „Was sich außerdem stark herausbildete, war ein anderes Körperideal.
Man versuchte nach Möglichkeit, Sport in den Alltag zu integrieren. Dazu gab es eine große Lust an der Exotik, an fremden Ländern.“ All dies schlug sich in den Filmen nieder, eher selten von Frauen inszeniert, oft von ihnen (teils unter männlichem Pseudonym) geschrieben. So brachte es die jüdische Autorin Jane Bass beispielsweise auf 128 Drehbücher. Eine auf ihrem Skript basierende Verfilmung, „Die Erbschaft von New York“, wurde extra für die DFF-Ausstellung neu digitalisiert und soll in zwei speziellen Premieren (u.a. mit Musik von Studierenden der HfMDK) zur Aufführung kommen. „Es geht uns auch darum, an diese Frauen zu erinnern, sie der Vergessenheit zu entreißen“, so Berten, die stolz darauf ist, dass man die Bestände der Ursprungsaustellung um neue Erkenntnisse und Exponate erweitern konnte: „Das zeigt, dass dies ein Bereich ist, in den es sich weiter
zu investieren lohnt.“
Überhaupt lässt sich konstatieren, dass eben jene „Modernität“ der Weimarer Zeit, vor der Riefenstahl bange war, diverse Ansatzpunkte zur Gegenwart bereithält: Ob es um das Rollenbild einer selbstbewussten „neuen Frau“ ging, um Diskussionen zur Abschaffung des Paragraphen 218, um Homosexualität, Crossdressing, Prostitution, um Weltanschauungen: „Es ist sehr interessant, wie sich da aus heutiger Perspektive Anknüpfungslinien und Überschneidungen ergeben“, schwärmt die Kuratorin, um gleich noch mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: „Viele Leute haben Bedenken, sich Stummfilme anzuschauen. Sie befürchten, das sei schwierig. Aber letztendlich funktionieren auch diese im Rahmen eines Unterhaltungsmediums, was das Kino nun mal ist. Sie sind leichtgängig, überhaupt nicht sperrig. Und das Wiedersehen mit ihnen hält so manche Überraschung bereit.“ Was man sich auch von der Ausstellung erhoffen kann. 90 Jahre nach deren Niedergang ist es spannend, die Weimarer Republik mal in anderem Licht zu sehen.
Weimar weiblich. Frauen und Gechlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918-1933), DFF, 29.3.–12.11., www.dff.film
„Weimar weiblich“, so heißt jetzt eine Ausstellung, die von März bis November im Frankfurter DFF zu sehen ist und sich mit eben diesem Sujet von filmhistorischer und soziologischer Warte aus beschäftigt: „Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne“. Daria Berten, Kuratorin der neuen DFF-Schau, erklärt die Zusammenhänge: „Im Jahr 2018 gab es bereits eine Ausstellung unter diesem Titel, die in Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle Bonn und der Deutschen Kinemathek Berlin entstand. Wir haben 100 Exponate aus Berlin übernommen, 65 aus Bonn und von anderen Leihgebern, neu dazugekommen sind dann noch 150 aus unserem eigenen Archiv.“ Vor allem möchte man in Frankfurt den Fokus neu setzen, daher wurde das ursprüngliche Herzstück zum Thema „Frauen vor und hinter der Kamera“ um den Schwerpunkt „Geschlechtervielfalt“ ergänzt.
Und da ist man dann schon mitten drin im Geschehen. Die Weimarer Republik zeichnete sich nicht nur durch einen gewaltigen Boom der Kinoindustrie aus (1919 wurden in Deutschland mehr als 500 Filme produziert, allein in Frankfurt existierten an die 30 Lichtspieltheater). Gerade auch in kulturell-gesellschaftlicher Hinsicht kochten die Bedürfnisse nach neuen Ausdrucksformen hoch – vor allem in den Metropolen, bei denen Berlin die Schlüsselposition einnahm. „In der Mode war eine Tendenz zu außergewöhnlicher Kleidung zu erkennen“, erläutert Berten. „Was sich außerdem stark herausbildete, war ein anderes Körperideal.
Man versuchte nach Möglichkeit, Sport in den Alltag zu integrieren. Dazu gab es eine große Lust an der Exotik, an fremden Ländern.“ All dies schlug sich in den Filmen nieder, eher selten von Frauen inszeniert, oft von ihnen (teils unter männlichem Pseudonym) geschrieben. So brachte es die jüdische Autorin Jane Bass beispielsweise auf 128 Drehbücher. Eine auf ihrem Skript basierende Verfilmung, „Die Erbschaft von New York“, wurde extra für die DFF-Ausstellung neu digitalisiert und soll in zwei speziellen Premieren (u.a. mit Musik von Studierenden der HfMDK) zur Aufführung kommen. „Es geht uns auch darum, an diese Frauen zu erinnern, sie der Vergessenheit zu entreißen“, so Berten, die stolz darauf ist, dass man die Bestände der Ursprungsaustellung um neue Erkenntnisse und Exponate erweitern konnte: „Das zeigt, dass dies ein Bereich ist, in den es sich weiter
zu investieren lohnt.“
Überhaupt lässt sich konstatieren, dass eben jene „Modernität“ der Weimarer Zeit, vor der Riefenstahl bange war, diverse Ansatzpunkte zur Gegenwart bereithält: Ob es um das Rollenbild einer selbstbewussten „neuen Frau“ ging, um Diskussionen zur Abschaffung des Paragraphen 218, um Homosexualität, Crossdressing, Prostitution, um Weltanschauungen: „Es ist sehr interessant, wie sich da aus heutiger Perspektive Anknüpfungslinien und Überschneidungen ergeben“, schwärmt die Kuratorin, um gleich noch mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: „Viele Leute haben Bedenken, sich Stummfilme anzuschauen. Sie befürchten, das sei schwierig. Aber letztendlich funktionieren auch diese im Rahmen eines Unterhaltungsmediums, was das Kino nun mal ist. Sie sind leichtgängig, überhaupt nicht sperrig. Und das Wiedersehen mit ihnen hält so manche Überraschung bereit.“ Was man sich auch von der Ausstellung erhoffen kann. 90 Jahre nach deren Niedergang ist es spannend, die Weimarer Republik mal in anderem Licht zu sehen.
Weimar weiblich. Frauen und Gechlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918-1933), DFF, 29.3.–12.11., www.dff.film
27. März 2023, 11.00 Uhr
Andreas Dosch
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
„Das Meer ist der Himmel“
Roadtrip mit dem Frankfurter Regisseur Enkelejd Lluca
Lust auf einen emotionalen Abstecher nach Albanien? Das Roadmovie „Das Meer ist der Himmel“ des Frankfurter Regisseurs Enkelejd Lluca nimmt die Zuschauer mit.
Text: Andreas Dosch / Foto: Regieanweisungen im Heimathafen: Enkelejd Lluca mit seinen Darstellern Blerim Destani (r.) und Amos Zaharia (l.) © Klaudia Pashnjari
KulturMeistgelesen
- Kunstausstellung in EschbornGesammelte Fotografien der Deutschen Börse
- AusstellungGoldene Zeiten – aber nicht für alle
- Applaus-Awards 2024Auszeichnungen für Clubs im Rhein-Main-Gebiet
- Frankfurt-OstendJens Düppe und Simin Tander in der Romanfabrik
- Frankfurter KatharinenkircheDen Sorte Skole: Reise in eine mystische Dimension
29. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen