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Spicken im Museum für Kommunikation
Wer kann von sich schon sagen, nie im Leben gespickt zu haben? Vermutlich die wenigsten. Laut Statistik schreibt in Deutschland jeder fünfte Schüler Spickzettel. Und in Prüfungen der Sekundarstufe spicken gar bis zu 60 Prozent aller Schüler. Das Museum für Kommunikation (MfK) lädt jetzt zu einer kleinen wie feinen Ausstellung unter dem Titel "Spickzettel. Bloß nicht erwischen lassen!" ein. Tausend Spickzettel aus nahezu hundert Jahren Schulgeschichte geben bis zum 5. September einen Einblick in die schöpferischen Fähigkeiten prüfungsgeplagter Schülerinnen und Schüler aus aller Welt. Entwickelt wurde die Schau vom Schulmuseum Nürnberg, das mit rund 1500 Spickzetteln aus 15 Ländern auf einen immense n Fundus an Spickern zurückgreifen kann.
Neben den klassischen Spickzetteln, sprich Notizen auf Papier, sind viele ausgesprochen raffinierte Varianten zu sehen. Eine Armbanduhr beispielsweise, die der damals 17 Jahre alte Günter Reuchlein 1956 komplett entkernte, um anschließend eine Rolle einzubauen, um die herum er je nach Bedarf bis zu 80 Zentimeter lange Textbänder spulte. Oder ein Riegel Schokolade, in den ein Schüler Formeln eingeritzt hat - eine Methode, die sich im Hochsommer wenig bewähren dürfte. Eine Medizinstudentin aus Padua hat sich besonders viel Mühe gegeben: In einer Vitrine ausgestellt ist eine Pappschachtel, datiert auf das Jahr 1947, in der sich eine Textrolle neben der anderen hochkant drängt. Jeder der insgesamt 32 Spicke r trägt eine Zahl. Ausstellungskurator Mathias Rösch, Direktor des Nürnberger Schulmuseums, vermutet angesichts der akribischen Arbeit, dass die Spicker nicht nur einmal zur Verwendung kamen, sondern dass "die Studentin mit ihnen gehandelt hat". In Russland etwa sei das Praxis. "Da trägt man Spickzettel reihenweise zusammengerollt mit sich am Körper, das sieht dann aus wie ein Patronengürtel."
"Es gibt Spickzettel", erzählt Rösch, "an die sind ganz intensive berührende Geschichten gebunden." Rösch muss da an allererster Stelle an den Spicker einer noch sehr jungen Schülerin aus Hongkong denken. "Sie besuchte die zweite Grundschulklasse und benutzte für ein Diktat einen großen schachbrettartig konstruierten Spickzettel." Das Mädchen klemmte ihn zwischen ihre Knie und die Schulbank. "In Hongkong-China herrscht ein sehr hoher Leistungsdruck", erzählt Rösch, "Eltern wie auch schon ihre Kinder erwarten sehr viel von sich." Besonders interessant findet der Kurator aber auch jene Spickzettel, die ein wohl behüteter Sohn aus besten bürgerlichen Verhältnissen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Manchen Spicker fertigte er dabei in doppelter Ausführung aus: "Offenbar machte er auch welche für einen Mitschüler." Einige der in der Schau gezeigten Spicker verblüffen auch deshalb, weil sie genau genommen nicht gerade unscheinbar und unauffällig sind. Spicker auf grellbuntem Papier etwa oder solche mit Texten in Schönschrift. Unhandliche Spicker, wie eine Ziehharmonika gefaltet, die auseinandergezogen mehrere Meter messen. "Solche Exemplare erfüllen weniger ihren eigentlichen Zweck", sagt Rösch, "sie sind vielmehr ein Fetisch, ein Glücksbringer im Schulgepäck."
Wie bei all seinen Ausstellungen setzt das Museum für Kommunikation auch dieses Mal auf interaktive Elemente, die zum Mitmachen animieren sollen. An einer Wand des Ausstellungsraumes hängt ein Bildschirm, auf dem ein Film läuft: Schüler sitzen in einem Klassenraum, schreiben eine Arbeit. Auf den ersten Blick scheint nichts Ungewöhnliches vor sich zu gehen. Jeder der Schüler konzentriert sich auf seine Aufgaben. "Raten Sie mal, wer hier spickt", fragt Kurator Rösch. Und gibt prompt schon die Antwort: "Alle". 40 Methoden des Spickens hat Mathias Rösch für die kleine Schau im MfK testen lassen. Die besten kommen hier zur Anwendung. Der Ausstellungsbesucher muss nur die jeweilige Person auf dem Bildschirm mit dem Finger antippen und schon kommt die Spicker-Auflösung. So entpuppt sich die leere Wasserflasche auf dem Tisch eines Schülers als raffinierte Spickervariante, auf der Innenseite der Banderole hat er die Auflösung einer Prüfungsaufgabe notiert. Ein Mitschüler hat sich eine Matheformel mit einem speziellen Stift in die Innenfläche seiner Hand geschrieben, aber erst indem er die Notiz mit einer kleinen UV-Lampe bestrahlt, wird die Schrift für ihn sichtbar.
Die Schau im Museum für Kommunikation thematisiert auch den Sinn des Spickens. Auch wenn es generell im Schulalltag geahndet werde, sei es, sind sich die Ausstellungsmacher einig, nicht so schlecht wie sein Ruf. Schließlich müsse sich ein guter Spickzettelschreiber sehr intensiv mit der Prüfungsmaterie auseinandersetzen.
Quelle: pia/Annette Wollenhaupt
Neben den klassischen Spickzetteln, sprich Notizen auf Papier, sind viele ausgesprochen raffinierte Varianten zu sehen. Eine Armbanduhr beispielsweise, die der damals 17 Jahre alte Günter Reuchlein 1956 komplett entkernte, um anschließend eine Rolle einzubauen, um die herum er je nach Bedarf bis zu 80 Zentimeter lange Textbänder spulte. Oder ein Riegel Schokolade, in den ein Schüler Formeln eingeritzt hat - eine Methode, die sich im Hochsommer wenig bewähren dürfte. Eine Medizinstudentin aus Padua hat sich besonders viel Mühe gegeben: In einer Vitrine ausgestellt ist eine Pappschachtel, datiert auf das Jahr 1947, in der sich eine Textrolle neben der anderen hochkant drängt. Jeder der insgesamt 32 Spicke r trägt eine Zahl. Ausstellungskurator Mathias Rösch, Direktor des Nürnberger Schulmuseums, vermutet angesichts der akribischen Arbeit, dass die Spicker nicht nur einmal zur Verwendung kamen, sondern dass "die Studentin mit ihnen gehandelt hat". In Russland etwa sei das Praxis. "Da trägt man Spickzettel reihenweise zusammengerollt mit sich am Körper, das sieht dann aus wie ein Patronengürtel."
"Es gibt Spickzettel", erzählt Rösch, "an die sind ganz intensive berührende Geschichten gebunden." Rösch muss da an allererster Stelle an den Spicker einer noch sehr jungen Schülerin aus Hongkong denken. "Sie besuchte die zweite Grundschulklasse und benutzte für ein Diktat einen großen schachbrettartig konstruierten Spickzettel." Das Mädchen klemmte ihn zwischen ihre Knie und die Schulbank. "In Hongkong-China herrscht ein sehr hoher Leistungsdruck", erzählt Rösch, "Eltern wie auch schon ihre Kinder erwarten sehr viel von sich." Besonders interessant findet der Kurator aber auch jene Spickzettel, die ein wohl behüteter Sohn aus besten bürgerlichen Verhältnissen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Manchen Spicker fertigte er dabei in doppelter Ausführung aus: "Offenbar machte er auch welche für einen Mitschüler." Einige der in der Schau gezeigten Spicker verblüffen auch deshalb, weil sie genau genommen nicht gerade unscheinbar und unauffällig sind. Spicker auf grellbuntem Papier etwa oder solche mit Texten in Schönschrift. Unhandliche Spicker, wie eine Ziehharmonika gefaltet, die auseinandergezogen mehrere Meter messen. "Solche Exemplare erfüllen weniger ihren eigentlichen Zweck", sagt Rösch, "sie sind vielmehr ein Fetisch, ein Glücksbringer im Schulgepäck."
Wie bei all seinen Ausstellungen setzt das Museum für Kommunikation auch dieses Mal auf interaktive Elemente, die zum Mitmachen animieren sollen. An einer Wand des Ausstellungsraumes hängt ein Bildschirm, auf dem ein Film läuft: Schüler sitzen in einem Klassenraum, schreiben eine Arbeit. Auf den ersten Blick scheint nichts Ungewöhnliches vor sich zu gehen. Jeder der Schüler konzentriert sich auf seine Aufgaben. "Raten Sie mal, wer hier spickt", fragt Kurator Rösch. Und gibt prompt schon die Antwort: "Alle". 40 Methoden des Spickens hat Mathias Rösch für die kleine Schau im MfK testen lassen. Die besten kommen hier zur Anwendung. Der Ausstellungsbesucher muss nur die jeweilige Person auf dem Bildschirm mit dem Finger antippen und schon kommt die Spicker-Auflösung. So entpuppt sich die leere Wasserflasche auf dem Tisch eines Schülers als raffinierte Spickervariante, auf der Innenseite der Banderole hat er die Auflösung einer Prüfungsaufgabe notiert. Ein Mitschüler hat sich eine Matheformel mit einem speziellen Stift in die Innenfläche seiner Hand geschrieben, aber erst indem er die Notiz mit einer kleinen UV-Lampe bestrahlt, wird die Schrift für ihn sichtbar.
Die Schau im Museum für Kommunikation thematisiert auch den Sinn des Spickens. Auch wenn es generell im Schulalltag geahndet werde, sei es, sind sich die Ausstellungsmacher einig, nicht so schlecht wie sein Ruf. Schließlich müsse sich ein guter Spickzettelschreiber sehr intensiv mit der Prüfungsmaterie auseinandersetzen.
Quelle: pia/Annette Wollenhaupt
7. Juni 2010, 17.25 Uhr
red
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