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Im Kimono über die Zeil

Der japanische Generalkonsul möchte das 150-jährige Jubiläum der deutsch-japanischen Beziehungen mit einer riesigen Teezeremonie am Mainufer begehen. Herr Shigeeda, der bei offiziellen Anlässen das Allerweltsgesöff Sekt gegen den exklusiven hessischen Apfelwein austauscht, hält Frankfurt für "die ideale Stadt" – wie viele seiner Landsleute auch.

Wenn Herr Shigeeda aus den großen Fenstern seines Büros blickt, sieht er auf ganz Frankfurt. Toyoei Shigeeda, seit neun Monaten Generalkonsul von Japan, residiert im 34. Stockwerk des Frankfurter Messeturms. "Schaue ich von hier oben aus auf die Stadt", sagt der hochrangige Diplomat, "habe ich das Gefühl, ich kann ihre Zukunft ahnen". Shigeeda erzählt von noch freien, zur Bebauung geeigneten Plätzen, die er immer wieder entdecke. Frankfurt ist für ihn, den Japaner mit umfangreicher Auslandserfahrung, "die ideale Stadt". Eine Stadt, "von der aus unglaublich viel Information in alle Welt strömt". Der Mann mit dem sorgsam geteilten Mittelscheitel im tiefschwarzen Haar unterstreicht seine Worte mit den Hän den. Die Innenflächen, zunächst aneinander gepresst, schnellen nach vorne und driften schließlich weit auseinander. Fast so, als ob Herr Shigeeda einen Zug beim Schwimmen täte.

Wenn Toyoei Shigeeda über Frankfurt spricht, fällt ihm vieles ein. Das Mainufer etwa, das er liebt und an dem entlang er an Wochenenden frühmorgens gemeinsam mit japanischen und deutschen Freunden joggt. Oder der Römer und das alte Frankfurt. Mit der Geschichte Frankfurts verbindet ihn etwas ganz Besonderes: das Jahr 794. "Damals wurde Frankfurt erstmals urkundlich erwähnt – und es ist zugleich Kyotos Gründungsjahr". Ihm fällt auch der Apfelwein ein. Der 57-Jährige muss lachen, erinnert er sich an die erste Begegnung. Er war mit seiner Frau in Sachsenhausen unterwegs, bestellte in einem Lokal Bier. Schließlich saßen "da doch all die Senioren an ihren Tischen und tranken etwas, das die Farbe vo n Bier hatte". Heute weiß er Bescheid und ist in seiner Funktion als Generalkonsul gar zu einem Botschafter des Frankfurter Getränkes geworden. "Wenn ich Gäste empfange, bietet ich statt Sekt immer Apfelwein an".

Auf mehr als Viertausend schätzt der japanische Generalkonsul die Zahl der in Frankfurt lebenden Japaner. "Vor dreißig Jahren waren es viele Studenten, die kamen, heute sind es vor allem Unternehmensmitarbeiter japanischer Niederlassungen", sagt Shigeeda. "Zum Glück haben wir unsere Japanische Schule". Die liegt im Stadtteil Hausen. Integriert ist ein Kindergarten. Viele japanische Mütter lernen, um der Isolation zu entgehen, Deutsch am Japanischen Kultur- und Sprachzentrum. Geleitet wird die Einrichtung am Rossmarkt von Masumi Knoblauch. Vor vielen Jahren kam sie in Frankfurt an, im Minirock. Und wunderte sich über "all die vielen dicken deutschen Frauen". Bis sie verstand: sie waren schwanger. Masumi Knoblauch ist geblieben, heiratete einen Deutschen und wurde selber Mutter.

Die junge Verkäuferin im japanischen Lebensmittelmarkt "Umakiya" in der Bockenheimer Schlossstraße hat keinen Sprachkurs besucht. Auch Englisch kann sie nicht. Dafür ist ihre Freundlichkeit ausgesprochen groß und ein Spaziergang durch den kleinen, schlicht gehaltenen Verkaufsraum gerät zur spannenden Entdeckungstour. Praktischerweise steht alles, was man wissen muss, kleingedruckt in Deutsch auf den Verpackungen. Die Auswahl ist groß. Reicht von getrockneten Shitake-Pilzen und Nori-Algen über Sojasoßen und Tofu, eingelegten Ingwer und hübsch verpackten japanischen Reiskeksen bis zu Ta Ko Ya Ko, was auf Deutsch "gebackene Weizenbällchen, gefüllt mit Tintenfisch" heißt. In kleinen Töpfchen ab gefüllte Ajitsuke Mozuku, eine japanische Algenzubereitung, gibt es auch. Und riesige Zehn-Kilo-Säcke Reis. Mit den schönsten lockt der Hersteller Yume Nishiki. Über die zartrosafarbenen Säcke tanzen Kischblüten, Schilfwedel wiegen sich im Wind.

Wer nicht selber kochen möchte, hat in Frankfurt Gelegenheit, zahlreiche japanische Restaurants aufzusuchen. Sie haben so klingende Namen wie "Yumeya", "Kabuki" oder "Iwase". Wer auf die Schnelle japanisch essen möchte, trifft sich im "Superkato". Seit 25 Jahren gibt es den Sushi-Imbiss am Kornmarkt. Hier stehen vor allem Deutsche mittags Schlange. In einer großen Vitrine liegen dicht aneinandergereiht frisch zubereitete Maki-Sushi, lang wie Zigarren. Hinter meeresblauen japanischen Ziertüchern, aufgehängt an Bambusstangen, die den Küchenbereich von der Theke trennen, kann man das hektische Treiben der Sushi-Macher in Stoßzeiten nur erahnen.

Auch wenn die Deutschen längst schon zu Sushi-Fans geworden sind, ist sich Generalkonsul Shigeeda ganz sicher: "Viele wissen noch viel zu wenig von Japan". Das zu ändern ist sein großes Ziel. Sein großer Wunsch: "10.000 Menschen über öffentliche Teezeremonien kennenzulernen". 2011 feiere man schließlich 150 Jahre offizielle Beziehungen zwischen Deutschland und Japan. Dann möchte Shigeeda am Mainufer eine große Teezeremonie veranstalten. "Auf rot bedecktem Boden mit einer roten Sonne". Außerdem aber hat er noch etwas vor: "Viele Frauen", weiß der Frankfurter Generalkonsul, "haben zuhause einen Kimono hängen und nie die Gelegenheit, ihn zu tragen". Shigeeda möchte im Jubiläumsjahr die Kimonos aus de n Schränken holen und sucht Frankfurterinnen, die gekleidet in das traditionelle Frauengewand über die Zeil gehen. "Sie trinken einen Kaffee, bummeln durch die Stadt, besuchen vielleicht auch das Theater". Toyoei Shigeeda lächelt und sagt: "Das muss sehr schön sein".

Annette Wollenhaupt (pia)
 
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30. Juni 2010, 11.30 Uhr
red
 
 
 
 
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