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Editorial 5/2021
Glaube, Liebe, Hoffnung
Wie lässt sich Glaube leben, solange die Kirche Menschen aus ihrer Gemeinschaft ausschließt – oder sogar Verbrechen begeht? Chefredakteurin Ronja Merkel reflektiert in ihrem Editorial ihren eigenen Glauben und wirft einen Blick auf ein Heft, das ihr besonders am Herzen liegt.
„Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.“ (Jesaja 40:31)
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mir diesen Bibelvers zu meiner Taufe oder Konfirmation ausgesucht habe; beides ereignete sich kurz hintereinander, als ich gerade 14 Jahre alt war. Sehr zur Überraschung meiner Mutter hatte ich im Jahr zuvor den Wunsch geäußert, mich taufen zu lassen. Die kommenden drei oder vier Jahre verbrachte ich so viel Zeit wie nur möglich in den Gottesdiensten und dem Gemeindezentrum der evangelischen Kirche in unserer Ortschaft. Sie gab mir Heimat, einen Ort, an dem ich Zuflucht fand und Geborgenheit.
Als Teil dieser Gemeinde hatte ich das erste und vielleicht das letzte Mal in meinem Leben das Gefühl, einfach nur Mensch sein zu können. Meine Herkunft, Familienverhältnisse, Aussehen und Kleidung – all das zählte nicht. Das mag naiv klingen, ist es sicherlich auch, aber für den 14-jährigen Teenager, der ich damals war, brachte die Entdeckung meines Glaubens eine Familie mit sich, einen Anker, der meinem Leben Halt gab. Und es war ein Schock für mich, als ich erkannte, dass auch in dieser Familie gestritten und ausgegrenzt wird, dass eben doch nicht alle Menschen gleichermaßen dazu gehören. Denn wo immer Menschen aufeinandertreffen, verhalten sie sich menschlich.
Ich spreche ungern über meinen Glauben; für mich ist das etwas höchst Privates und Intimes. Es ist etwas, was sich meiner Meinung nach – anders als beispielsweise Politik – nicht diskutieren lässt. Für mich ging mit der genannten Erkenntnis etwas Wertvolles verloren; seither habe ich außer zu Hochzeiten oder Taufen keinen Gottesdienst mehr besucht. Denn ich kann ein Haus Gottes nicht als solches sehen, wenn die Menschen darin anderen den Eingang versperren oder, schlimmer noch, im schützenden Schatten der Kirchenmauern Verbrechen begehen.
Umso wichtiger ist mir diese Ausgabe, die Sie gerade in den Händen halten. Jedes Heft liegt mir am Herzen, dieses aber sicherlich nochmal etwas mehr. Diese Ausgabe steht in ihrer Gesamtheit für Identität, Zugehörigkeit und das Überwinden von Grenzen. Sie erinnert mich daran, warum ich Journalistin geworden bin: um Menschen, die in unserer Gesellschaft oft überhört werden, eine Stimme zu geben. Schenken Sie diesen Menschen Gehör, es würde mir viel bedeuten.
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Die Mai-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT erscheint am 27.4.2021. Titelthema: „Katholisch. Schwul. Die verdrehte Sexualmoral der Kirche“.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mir diesen Bibelvers zu meiner Taufe oder Konfirmation ausgesucht habe; beides ereignete sich kurz hintereinander, als ich gerade 14 Jahre alt war. Sehr zur Überraschung meiner Mutter hatte ich im Jahr zuvor den Wunsch geäußert, mich taufen zu lassen. Die kommenden drei oder vier Jahre verbrachte ich so viel Zeit wie nur möglich in den Gottesdiensten und dem Gemeindezentrum der evangelischen Kirche in unserer Ortschaft. Sie gab mir Heimat, einen Ort, an dem ich Zuflucht fand und Geborgenheit.
Als Teil dieser Gemeinde hatte ich das erste und vielleicht das letzte Mal in meinem Leben das Gefühl, einfach nur Mensch sein zu können. Meine Herkunft, Familienverhältnisse, Aussehen und Kleidung – all das zählte nicht. Das mag naiv klingen, ist es sicherlich auch, aber für den 14-jährigen Teenager, der ich damals war, brachte die Entdeckung meines Glaubens eine Familie mit sich, einen Anker, der meinem Leben Halt gab. Und es war ein Schock für mich, als ich erkannte, dass auch in dieser Familie gestritten und ausgegrenzt wird, dass eben doch nicht alle Menschen gleichermaßen dazu gehören. Denn wo immer Menschen aufeinandertreffen, verhalten sie sich menschlich.
Ich spreche ungern über meinen Glauben; für mich ist das etwas höchst Privates und Intimes. Es ist etwas, was sich meiner Meinung nach – anders als beispielsweise Politik – nicht diskutieren lässt. Für mich ging mit der genannten Erkenntnis etwas Wertvolles verloren; seither habe ich außer zu Hochzeiten oder Taufen keinen Gottesdienst mehr besucht. Denn ich kann ein Haus Gottes nicht als solches sehen, wenn die Menschen darin anderen den Eingang versperren oder, schlimmer noch, im schützenden Schatten der Kirchenmauern Verbrechen begehen.
Umso wichtiger ist mir diese Ausgabe, die Sie gerade in den Händen halten. Jedes Heft liegt mir am Herzen, dieses aber sicherlich nochmal etwas mehr. Diese Ausgabe steht in ihrer Gesamtheit für Identität, Zugehörigkeit und das Überwinden von Grenzen. Sie erinnert mich daran, warum ich Journalistin geworden bin: um Menschen, die in unserer Gesellschaft oft überhört werden, eine Stimme zu geben. Schenken Sie diesen Menschen Gehör, es würde mir viel bedeuten.
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Die Mai-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT erscheint am 27.4.2021. Titelthema: „Katholisch. Schwul. Die verdrehte Sexualmoral der Kirche“.
27. April 2021, 12.19 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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