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Eintracht Frankfurt
„Wir geben Menschen ein Zuhause“
Fußballerisch hat Eintracht Frankfurt ein Jahr voller Höhen und Tiefen hinter sich. Auch für den Verein selbst gab es einige Herausforderungen. Präsident Peter Fischer im Gespräch über die Pandemie, den Sport und eine klare Kante gegen Ausgrenzung.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Fischer, was wiegt bei Ihnen schwerer: Die Freude über die großartige Saison, die die Mannschaft gespielt hat, oder die Trauer darüber, dass dabei keine Fans im Stadion sein durften?
Peter Fischer: Das abzuwägen ist unmöglich. Selbstverständlich höre ich öfter beim Einkaufen, in der Stadt, oder selbst aus Autos neben mir an der Ampel Eintrachtler zurufen: „Hey Präsi, ist das nicht traurig?“ Da spielen unsere Fußballprofis eine der geilsten Saisons aller Zeiten, und die Fans müssen draußen bleiben. Natürlich ist das nicht schön. Dahinter stehen emotionaler Druck, Verletzbarkeit, Sehnsucht. Aber ich spüre auch die Hoffnung bei unseren Anhängern, die sagen: Nächste Saison, da sind wir in Europa dabei und dann rocken wir das. Das ist der Push inmitten des Frusts.
Auch die Fußballfrauen haben nach der Fusion mit dem 1.FFC Frankfurt eine extrem gute Saison gespielt und stehen am 30. Mai im Finale des DFB-Pokals in Köln. Sind Sie stolz?*
Und wie! Wir haben ja nicht gedacht: Jetzt kommt die Fusion und wir hauen in der Frauen-Bundesliga einfach alles weg. Der Erfolg ist auch weniger der Fusion geschuldet, sondern unsere Mannschaft hat schlichtweg eine grandiose Saison gespielt und sich mitsamt ihres Trainerteams unglaublich reingehängt. Frankfurt hat eine große Frauenfußballtradition, auch im Pokal, und wenn wir daran wieder anknüpfen können, wäre das toll. Aber dass auch in Köln coronabedingt ohne Zuschauer gespielt werden muss, ist natürlich schade für unsere Mannschaft und Fans. Wir haben viele junge Spielerinnen, die so etwas zum ersten Mal erleben und aktuell leider vor leeren Rängen auflaufen müssen.
Wie haben Sie denn die vergangenen Monate im Hinblick auf die Corona-Krise erlebt?
Es ist für alle auf der Welt, nicht nur für den Sport und die Eintracht, eine schwierige Zeit. Manche Entscheidungen in unserem Land sind auch für mich schwer nachvollziehbar. Die Bundesliga hat das ausgefeilteste und beste Hygienekonzept der Welt. Und wenn wir im Verein eine Krisensituation haben, dann setzen wir uns zusammen und suchen nach Lösungen, gemeinsam, mit allen 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und das, davon bin ich überzeugt, in Managementqualität. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das war eine Ausnahmesituation, in der auch Fehler gemacht werden durften und dürfen, aber manche Dinge in den vergangenen Monaten habe ich nicht mehr verstanden.
Das heißt, Sie halten die Entscheidung, den Profifußball auch in der Pandemie fortzusetzen, für richtig?
Ich möchte das nicht auf den Fußball begrenzen. Was mich stört: Es wird keine Differenzierung vorgenommen. Museen, Kultureinrichtungen, Freiluftsport – es gibt Aktivitäten und Angebote, bei denen nachgewiesenermaßen und mit einem guten Konzept keine Ansteckungsgefahr besteht. Es gibt dazu Studien. Es ist für mich natürlich nicht in Ordnung, dass der Fußball solch ein Alleinstellungsmerkmal innehat. Es gäbe andere Bereiche des öffentlichen Lebens, die man ebenso gut unter bestimmten Auflagen hätte offenhalten können. Der Schutz von Menschenleben steht über allem, das möchte ich betonen. Aber fest steht auch, dass dieses Land auf der politischen Ebene Entscheidungen trifft, die für mich zum Teil nicht nachvollziehbar sind.
Die Eintracht ist ja nicht nur ein Profifußballverein, sondern auch ein Breitensportverein. Wie steht der im Moment da?
Wir haben über 50 Sportarten, die stillliegen. Wir haben normalerweise jeden Tag zwischen 10 000 und 12 000 Athletinnen und Athleten im Trainings- oder Wettkampfbetrieb, die ihren Sport seit Monaten nicht ausüben können. Es gibt keinen Hallensport, kein Kinderturnen, kein Volleyball. Nichts. Auch da wird nicht differenziert. Oder glauben Sie, man steckt sich beim Fechten an? Es gäbe so viele Möglichkeiten, sich Lösungen auszudenken. Aber wir dürfen nicht. Die Menschen werden depressiv. Wir sind ja nicht nur ein Sportverein, sondern gleichzeitig eine Art Bürgerinitiative. Wir geben Menschen ein Zuhause, verbinden Nationalitäten, nehmen auch sozialen Sprengstoff raus. All das ist zurzeit auf null.
Denken Sie, dass da Dinge unwiderruflich verloren gehen?
Das kann gar nicht anders sein. Ich merke das, wenn ich mit Leuten spreche: Interessen verlagern sich; man sucht sich einen anderen Ausgleich. Wenn es tatsächlich irgendwann wieder richtig losgeht, werden wir sehen, dass einige Dinge weggebrochen sind und sich erst wieder erarbeitet werden müssen. Aber: Wir haben noch immer über 91 000 Mitglieder; wir haben eine unglaublich treue Basis. Das ist sehr ungewöhnlich, auch im Vergleich zu anderen Traditionsvereinen.
Sie sprachen vom Verein als eine Art Bürgerinitiative. Das zeigt sich ja auch im bundesweit anerkannten Engagement gegen Rechtsradikalismus, für das die Eintracht und Sie persönlich stehen. Das ist in Deutschland einzigartig...
Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Ich bin beispielsweise regelmäßig im Austausch mit den Hinterbliebenen der Opfer von Hanau. Wir versuchen mit finanzieller Unterstützung zu helfen, aber auch mit Solidarität.
Sie persönlich bekommen regelmäßig Morddrohungen. Macht Ihnen das keine Angst?
Es gibt ein paar Aktenordner mit Hassmails, die an mich adressiert sind. Natürlich ist das nicht schön, greift mich das an und beschäftigt mich. Spätestens, wenn solche Drohungen und Beschimpfungen kommen, so ambivalent das klingt, zeigt es aber auch, wie wichtig es ist, sich gegen diesen Dreck und diesen Terror zu wehren – und zwar intensiv, mit der klarsten Kante der Welt und wo und wie immer es nur geht. Ich bin stolz darauf, dass unser Verein in seiner Satzung damit auch ganz klar umgeht.
Und wenn ich höre, dass Mitglieder der AfD sich dadurch in ihren Rechten eingeschränkt sehen, kann ich nur lachen. Es ist noch niemand gezwungen worden, Mitglied bei Eintracht Frankfurt zu werden. Aber wenn ich Eintracht-Mitglied werde, verpflichte ich mich auch zu bestimmten Grundsätzen und Werten. Und zu denen gehört die Ablehnung von Rassismus und Antisemitismus ebenso wie der Einsatz gegen Homophobie und Sexismus. Das gehört zu unserer DNA. Ich als Präsident stehe aber nur symbolisch für den ganzen Verein, für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Engagement.
* Das Interview mit Peter Fischer wurde vor dem Pokalfinale der Frauen geführt. Die Eintracht Frauen verloren das Finale gegen den VfL Wolfsburg am Sonntagabend nach einer spannenden Partie knapp. Einen ausführlichen Spielbericht gibt es hier.
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Dieses Interview entstand im Rahmen der Titelstory der aktuellen Juni-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT, „Eintracht wie immer? Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Ein Verein im Gefühlschaos“. Die Ausgabe ist am 27.5.2021 erschienen.
Außerdem im Heft:
Eine Freilichtbühne für Frankfurt – Matthias Pees über den „Sommerbau“
Judenhass ist keine Meinung – Im Gespräch mit Michel Friedman
Warum fragt uns niemand? – Über identitätspolitischen Anti-Rassismus
Peter Fischer: Das abzuwägen ist unmöglich. Selbstverständlich höre ich öfter beim Einkaufen, in der Stadt, oder selbst aus Autos neben mir an der Ampel Eintrachtler zurufen: „Hey Präsi, ist das nicht traurig?“ Da spielen unsere Fußballprofis eine der geilsten Saisons aller Zeiten, und die Fans müssen draußen bleiben. Natürlich ist das nicht schön. Dahinter stehen emotionaler Druck, Verletzbarkeit, Sehnsucht. Aber ich spüre auch die Hoffnung bei unseren Anhängern, die sagen: Nächste Saison, da sind wir in Europa dabei und dann rocken wir das. Das ist der Push inmitten des Frusts.
Auch die Fußballfrauen haben nach der Fusion mit dem 1.FFC Frankfurt eine extrem gute Saison gespielt und stehen am 30. Mai im Finale des DFB-Pokals in Köln. Sind Sie stolz?*
Und wie! Wir haben ja nicht gedacht: Jetzt kommt die Fusion und wir hauen in der Frauen-Bundesliga einfach alles weg. Der Erfolg ist auch weniger der Fusion geschuldet, sondern unsere Mannschaft hat schlichtweg eine grandiose Saison gespielt und sich mitsamt ihres Trainerteams unglaublich reingehängt. Frankfurt hat eine große Frauenfußballtradition, auch im Pokal, und wenn wir daran wieder anknüpfen können, wäre das toll. Aber dass auch in Köln coronabedingt ohne Zuschauer gespielt werden muss, ist natürlich schade für unsere Mannschaft und Fans. Wir haben viele junge Spielerinnen, die so etwas zum ersten Mal erleben und aktuell leider vor leeren Rängen auflaufen müssen.
Wie haben Sie denn die vergangenen Monate im Hinblick auf die Corona-Krise erlebt?
Es ist für alle auf der Welt, nicht nur für den Sport und die Eintracht, eine schwierige Zeit. Manche Entscheidungen in unserem Land sind auch für mich schwer nachvollziehbar. Die Bundesliga hat das ausgefeilteste und beste Hygienekonzept der Welt. Und wenn wir im Verein eine Krisensituation haben, dann setzen wir uns zusammen und suchen nach Lösungen, gemeinsam, mit allen 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und das, davon bin ich überzeugt, in Managementqualität. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das war eine Ausnahmesituation, in der auch Fehler gemacht werden durften und dürfen, aber manche Dinge in den vergangenen Monaten habe ich nicht mehr verstanden.
Das heißt, Sie halten die Entscheidung, den Profifußball auch in der Pandemie fortzusetzen, für richtig?
Ich möchte das nicht auf den Fußball begrenzen. Was mich stört: Es wird keine Differenzierung vorgenommen. Museen, Kultureinrichtungen, Freiluftsport – es gibt Aktivitäten und Angebote, bei denen nachgewiesenermaßen und mit einem guten Konzept keine Ansteckungsgefahr besteht. Es gibt dazu Studien. Es ist für mich natürlich nicht in Ordnung, dass der Fußball solch ein Alleinstellungsmerkmal innehat. Es gäbe andere Bereiche des öffentlichen Lebens, die man ebenso gut unter bestimmten Auflagen hätte offenhalten können. Der Schutz von Menschenleben steht über allem, das möchte ich betonen. Aber fest steht auch, dass dieses Land auf der politischen Ebene Entscheidungen trifft, die für mich zum Teil nicht nachvollziehbar sind.
Die Eintracht ist ja nicht nur ein Profifußballverein, sondern auch ein Breitensportverein. Wie steht der im Moment da?
Wir haben über 50 Sportarten, die stillliegen. Wir haben normalerweise jeden Tag zwischen 10 000 und 12 000 Athletinnen und Athleten im Trainings- oder Wettkampfbetrieb, die ihren Sport seit Monaten nicht ausüben können. Es gibt keinen Hallensport, kein Kinderturnen, kein Volleyball. Nichts. Auch da wird nicht differenziert. Oder glauben Sie, man steckt sich beim Fechten an? Es gäbe so viele Möglichkeiten, sich Lösungen auszudenken. Aber wir dürfen nicht. Die Menschen werden depressiv. Wir sind ja nicht nur ein Sportverein, sondern gleichzeitig eine Art Bürgerinitiative. Wir geben Menschen ein Zuhause, verbinden Nationalitäten, nehmen auch sozialen Sprengstoff raus. All das ist zurzeit auf null.
Denken Sie, dass da Dinge unwiderruflich verloren gehen?
Das kann gar nicht anders sein. Ich merke das, wenn ich mit Leuten spreche: Interessen verlagern sich; man sucht sich einen anderen Ausgleich. Wenn es tatsächlich irgendwann wieder richtig losgeht, werden wir sehen, dass einige Dinge weggebrochen sind und sich erst wieder erarbeitet werden müssen. Aber: Wir haben noch immer über 91 000 Mitglieder; wir haben eine unglaublich treue Basis. Das ist sehr ungewöhnlich, auch im Vergleich zu anderen Traditionsvereinen.
Sie sprachen vom Verein als eine Art Bürgerinitiative. Das zeigt sich ja auch im bundesweit anerkannten Engagement gegen Rechtsradikalismus, für das die Eintracht und Sie persönlich stehen. Das ist in Deutschland einzigartig...
Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Ich bin beispielsweise regelmäßig im Austausch mit den Hinterbliebenen der Opfer von Hanau. Wir versuchen mit finanzieller Unterstützung zu helfen, aber auch mit Solidarität.
Sie persönlich bekommen regelmäßig Morddrohungen. Macht Ihnen das keine Angst?
Es gibt ein paar Aktenordner mit Hassmails, die an mich adressiert sind. Natürlich ist das nicht schön, greift mich das an und beschäftigt mich. Spätestens, wenn solche Drohungen und Beschimpfungen kommen, so ambivalent das klingt, zeigt es aber auch, wie wichtig es ist, sich gegen diesen Dreck und diesen Terror zu wehren – und zwar intensiv, mit der klarsten Kante der Welt und wo und wie immer es nur geht. Ich bin stolz darauf, dass unser Verein in seiner Satzung damit auch ganz klar umgeht.
Und wenn ich höre, dass Mitglieder der AfD sich dadurch in ihren Rechten eingeschränkt sehen, kann ich nur lachen. Es ist noch niemand gezwungen worden, Mitglied bei Eintracht Frankfurt zu werden. Aber wenn ich Eintracht-Mitglied werde, verpflichte ich mich auch zu bestimmten Grundsätzen und Werten. Und zu denen gehört die Ablehnung von Rassismus und Antisemitismus ebenso wie der Einsatz gegen Homophobie und Sexismus. Das gehört zu unserer DNA. Ich als Präsident stehe aber nur symbolisch für den ganzen Verein, für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Engagement.
* Das Interview mit Peter Fischer wurde vor dem Pokalfinale der Frauen geführt. Die Eintracht Frauen verloren das Finale gegen den VfL Wolfsburg am Sonntagabend nach einer spannenden Partie knapp. Einen ausführlichen Spielbericht gibt es hier.
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Dieses Interview entstand im Rahmen der Titelstory der aktuellen Juni-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT, „Eintracht wie immer? Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Ein Verein im Gefühlschaos“. Die Ausgabe ist am 27.5.2021 erschienen.
Außerdem im Heft:
Eine Freilichtbühne für Frankfurt – Matthias Pees über den „Sommerbau“
Judenhass ist keine Meinung – Im Gespräch mit Michel Friedman
Warum fragt uns niemand? – Über identitätspolitischen Anti-Rassismus
31. Mai 2021, 10.41 Uhr
Christoph Schröder
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