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Die Schabbat-Tafel vor dem Römer im Oktober, auch Zeichen jüdischen Widerstandes © Bernd Kammerer
Podium im Jüdischen Museum Frankfurt
„Jeder Atemzug ist schon jüdischer Widerstand“
Jüdischer Widerstand ist ein unterschätztes Thema. Das hat das Jüdische Museum Frankfurt zum Anlass für ein Podiumsgespräch am Dienstag genommen – mit bekannten Gästen.
Das Jüdische Museum in Frankfurt lud am Dienstagabend (12. Dezember) zur Podiumsdiskussion mit dem treffsicheren Titel: „Ich bevorzuge Baseballschläger…“ – Formen jüdischer Widerständigkeit. Der Knüppel wurde selbstredend nicht wie bei Quentin Tarantinos Film „Inglorious Basterds“ geschwungen, aber das Podium hat doch gezeigt, das jüdische Gegenwehr nicht nur ein Thema der Fiktion ist.
Zugegen waren bekannte Gäste wie etwa Hermann Alter, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, der 1985 die Bühne der Kammerspiele besetzte, um Fassbinders Stück „Die Stadt, der Müll und der Tod“ zu verhindern. Oder Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierenden Union Deutschland, die im November bei Markus Lanz eindringlich vor der Gefahr antisemitischer Erzählungen auf TikTok warnte, die seit dem Angriff der Hamas zunehmen. Auch machte sie dort auf die mangelnde Unterstützung für Jüdinnen und Juden in der deutschen Gesellschaft aufmerksam.
Krankheitsbedingt fielen Deborah Antmann, Körperkünstlerin und Publizistin zu lesbisch-jüdischer Widerstandsgeschichte in Deutschland, und Leon Kahane, Künstler und Mitbegründer des Forums demokratischer Kultur und zeitgenössischer Kunst, aus. Das tat der Bedeutung des Podiums allerdings keinen Abbruch.
Podiumsgespräch im Jüdischen Museum Frankfurt: Wie wehrhaft dürfen Juden sein?
Moderatorin Laura Cazés führte denn auch themengerecht in den Abend ein mit der Frage: Wie wehrhaft dürfen Juden sein? Eine eigentlich schon befriedigende Antwort gab es von Veiler, die zwei persönliche Texte vortrug: der eine über das Fremdsein und das Fremd-Bleiben als Jüdin oder Jude – und der Hoffnung, dass ein Miteinander die Fremdheit überwinde. Den zweiten Text, den Veiler ihrer Großmutter zum 80. Geburtstag widmete, beschrieb sie als ihr „kleines Manifest“.
Sie las wichtige Stationen ihres Lebens vor: von den ersten Jahren in Belarus und einem Geschenk ihrer Großmutter, ein Davidstern, bis zum Aufwachsen in Deutschland. Dabei streifte sie auch wichtige Ereignisse wie den Krieg in Gaza 2014, der sie wegen des vermehrten Antisemitismus zum Auszug aus Deutschland bewegte. 2017 kehrte sie zurück, weil sie Heimweh nach Deutschland hatte. Und auch 2022, als die AfD Gewinne einfuhr und der Hass zunahm, wollte sie bleiben. „Deutschland, höre!“ So lautet der Titel dieses Textes – und seine Botschaft.
Alter: „Fähnchen schwenken und vor dem Theater stehen, reicht nicht“
Hermann Alter konnte daran passend anknüpfen. Auf die Frage, warum es zu der Fassbinder-Besetzung kam, antwortete Alter lapidar: „Es war ein Moment der Ausweglosigkeit.“ Ihn und seine Mitstreiter störte, was der damalige Intendant des Schauspieles, Günther Rühle, zur geplanten Aufführung sagte: Das Stück sei schlecht, es müsse weg, also solle man es besser aufführen, sonst würde es präsent bleiben.
Obwohl Alter, wie er weiter erzählte, zu dem Zeitpunkt bereits Anwalt war und berufliche Konsequenzen fürchtete, wollte er handeln. Der Sit-in auf der Bühne schien ihm das rechte Mittel dazu: „Fähnchen schwenken und vor dem Theater stehen, reicht nicht.“ Dass er damals nicht angezeigt wurde, wäre Glück gewesen. Dieses Handeln habe jedoch gezeigt, dass Wehrhaftigkeit sich lohne.
Veiler: „Jeder Atemzug ist schon Widerstand“
Zu der Frage, was sich bei der jungen Jüdischen Generation in puncto Wehrhaftigkeit geändert habe, verwies Veiler insbesondere auch auf den 7. Oktober: Schon davor sei jeder Atemzug der Jüdinnen und Juden ein Widerstand gewesen, aber jetzt noch mehr. Es habe viele Neugründungen von Vereinen und Angeboten für Bildung über Antisemitismus gegeben. Jüdinnen und Juden bleibe nichts anderes übrig, als widerständig zu sein.
Alter fügte hinzu, dass es schwer sei, nach einer spezifisch jüdischen Widerständigkeit zu fragen. Das sei immer etwas Individuelles. Doch gebe es Situationen, „da muss man es machen, obwohl man es vielleicht nicht will“.
Zugegen waren bekannte Gäste wie etwa Hermann Alter, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, der 1985 die Bühne der Kammerspiele besetzte, um Fassbinders Stück „Die Stadt, der Müll und der Tod“ zu verhindern. Oder Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierenden Union Deutschland, die im November bei Markus Lanz eindringlich vor der Gefahr antisemitischer Erzählungen auf TikTok warnte, die seit dem Angriff der Hamas zunehmen. Auch machte sie dort auf die mangelnde Unterstützung für Jüdinnen und Juden in der deutschen Gesellschaft aufmerksam.
Krankheitsbedingt fielen Deborah Antmann, Körperkünstlerin und Publizistin zu lesbisch-jüdischer Widerstandsgeschichte in Deutschland, und Leon Kahane, Künstler und Mitbegründer des Forums demokratischer Kultur und zeitgenössischer Kunst, aus. Das tat der Bedeutung des Podiums allerdings keinen Abbruch.
Moderatorin Laura Cazés führte denn auch themengerecht in den Abend ein mit der Frage: Wie wehrhaft dürfen Juden sein? Eine eigentlich schon befriedigende Antwort gab es von Veiler, die zwei persönliche Texte vortrug: der eine über das Fremdsein und das Fremd-Bleiben als Jüdin oder Jude – und der Hoffnung, dass ein Miteinander die Fremdheit überwinde. Den zweiten Text, den Veiler ihrer Großmutter zum 80. Geburtstag widmete, beschrieb sie als ihr „kleines Manifest“.
Sie las wichtige Stationen ihres Lebens vor: von den ersten Jahren in Belarus und einem Geschenk ihrer Großmutter, ein Davidstern, bis zum Aufwachsen in Deutschland. Dabei streifte sie auch wichtige Ereignisse wie den Krieg in Gaza 2014, der sie wegen des vermehrten Antisemitismus zum Auszug aus Deutschland bewegte. 2017 kehrte sie zurück, weil sie Heimweh nach Deutschland hatte. Und auch 2022, als die AfD Gewinne einfuhr und der Hass zunahm, wollte sie bleiben. „Deutschland, höre!“ So lautet der Titel dieses Textes – und seine Botschaft.
Hermann Alter konnte daran passend anknüpfen. Auf die Frage, warum es zu der Fassbinder-Besetzung kam, antwortete Alter lapidar: „Es war ein Moment der Ausweglosigkeit.“ Ihn und seine Mitstreiter störte, was der damalige Intendant des Schauspieles, Günther Rühle, zur geplanten Aufführung sagte: Das Stück sei schlecht, es müsse weg, also solle man es besser aufführen, sonst würde es präsent bleiben.
Obwohl Alter, wie er weiter erzählte, zu dem Zeitpunkt bereits Anwalt war und berufliche Konsequenzen fürchtete, wollte er handeln. Der Sit-in auf der Bühne schien ihm das rechte Mittel dazu: „Fähnchen schwenken und vor dem Theater stehen, reicht nicht.“ Dass er damals nicht angezeigt wurde, wäre Glück gewesen. Dieses Handeln habe jedoch gezeigt, dass Wehrhaftigkeit sich lohne.
Zu der Frage, was sich bei der jungen Jüdischen Generation in puncto Wehrhaftigkeit geändert habe, verwies Veiler insbesondere auch auf den 7. Oktober: Schon davor sei jeder Atemzug der Jüdinnen und Juden ein Widerstand gewesen, aber jetzt noch mehr. Es habe viele Neugründungen von Vereinen und Angeboten für Bildung über Antisemitismus gegeben. Jüdinnen und Juden bleibe nichts anderes übrig, als widerständig zu sein.
Alter fügte hinzu, dass es schwer sei, nach einer spezifisch jüdischen Widerständigkeit zu fragen. Das sei immer etwas Individuelles. Doch gebe es Situationen, „da muss man es machen, obwohl man es vielleicht nicht will“.
13. Dezember 2023, 12.50 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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Text: Till Taubmann / Foto: © Bernd Kammerer
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