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Michel Friedman über Krieg und Antisemitismus
"Unsicher, irritiert, verstört"
Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, spricht über die aus dem Ruder gelaufene Anti-Israel-Demonstration und den Krieg in Israel und Gaza.
„Frankfurt ist eine weltoffene Stadt, aber es gibt auch hier Rassisten, Antisemiten, Xenophobe. (…) Ich habe keine Angst vor der Vielfalt sondern vor der Einfalt der Menschen.“ Dieser Satz stammt aus einem Interview des Journal Frankfurt aus dem Jahr 2012 mit Rechtsanwalt Michel Friedman, ehemaliger CDU-Stadtverordneter und früherer stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die jüngsten Ereignisse in Frankfurt bestätigen diese Aussage. Auf einer Anti-Israel-Demonstration werden antisemitische Parolen gebrüllt und die jüdische Synagoge im Frankfurter Nordend beschmiert. Grund genug, bei Friedman nachzufragen, wie er diese Entwicklung beurteilt.
Was sagen Sie zu den Ereignissen auf der Anti-Israel-Demonstration?
Es beunruhigt mich und es entsetzt mich.
Wie beurteilen Sie die Reaktion der Polizei? Ein Demonstrant sollte vom Einsatzwagen aus die Menge beruhigen, schrie aber auch Hetzparolen wie „Kindermörder Israel“ ins Mikrofon.
In Hessen und in Frankfurt ist den Sicherheitsbehörden seit langem bekannt, dass wir leider radikale Islamisten und Salafisten unter uns haben. Dass die Anti-Israel-Demonstration mit so wenig Polizisten begleitet wurde, ist ein großer Fehler der Polizeiführung. Dass nicht sofort nach Beginn der Gewalttätigkeiten weitere Polizeikräfte angefordert wurden, ist eine weitere unerträgliche Fehlleistung. Für mich bleibt es auch unerklärbar und unentschuldbar, einen unbekannten Demonstranten die Arbeit erledigen zu lassen, die eigentlich die Polizei erledigen muss. Es ist schlimm genug für Menschen jüdischen Glaubens, bedroht und getötet zu werden, nur weil sie Juden sind. Aber mindestens so schlimm ist es, wenn diejenigen, die sie schützen sollen, bei so einer Demonstration versagen.
Wie hätten die Einsatzkräfte reagieren müssen?
Wenn auf einer Demonstration „Juden ins Gas“ gerufen wird, ist diese unverzüglich aufzulösen. Dass ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann. Das ist aber nicht geschehen.
Der Frankfurter Polizeipräsident Achim Thiel hat sich am gleichen Abend bei dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, für das Verhalten der Polizei entschuldigt. War das ein angemessener Weg?
Für die Kette der Fehlleistungen müssen Erklärungen abgegeben werden. Und Konsequenzen gezogen werden. Bei einer Entschuldigung kann es bei dieser Kette von so vielen groben Fehlern nicht bleiben. Ich nehme die Entschuldigung zur Kenntnis. Aber das reicht nicht.
Können solche Ereignisse, wie etwa auch das Beschmieren einer Synagoge, ausschließlich auf den Krieg in Israel und Gaza zurückzuführen sein. Oder liegen die Gründe vielleicht tiefer?
Der israelisch-palästinensische Konflikt wird von jeher dafür ausgenutzt, um Judenhass zu propagieren. Antizionismus wird als Vorwand für nackten Antisemitismus gebraucht. Es ist absolut berechtigt, kritisch mit der israelischen Regierung umzugehen, aber das rechtfertigt keine Vernichtungsphantasien des israelischen Staates. Dieser Hass ist unerträglich.
Am heutigen Donnerstag, 17. Juli, findet ja in Frankfurt eine Pro-Israel-Demonstration statt. Sind solche Aktionen hilfreich oder können sie vielleicht, ungewollt, den Hass weiter schüren?
Man muss in diesem Fall differenzieren. Die Veranstaltung am heutigen Donnerstag ist eine Solidaritätsdemonstration für Israel. Die Menschen wollen ihre Unterstützung und Anteilnahme für die Bevölkerung Israels zeigen. Das ist völlig in Ordnung. Eine Hassdemonstration, die als Vorwand genutzt wird, die Vernichtung Israels zu fordern, dürfte dagegen gar nicht erst genehmigt werden. Da wird eine rote Linie überschritten.
Sie waren auch Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und sind dort nach wie vor gut vernetzt. Wie fühlen sich die Menschen der Jüdischen Gemeinde?
Unsicher, irritiert, verstört.
Wie beurteilen Sie die Reaktion Israels auf den Bombenangriff aus Gaza?
Jedes Land hat das Recht, sich zu verteidigen. Würde Deutschland untätig bleiben, wenn Bomben auf Berlin und Frankfurt niederprasseln? Dass mittlerweile 203 Menschen in Gaza getötet wurden, ist furchtbar. Allerdings muss man auch sehen, dass die Hamas – die von der Europäischen Union als Terrororganisation eingeordnet ist – ihre Zivilbevölkerung als Schutzschild missbraucht. Und es kann einfach nicht sein, dass eine Terrororganisation seit Monaten einen zivilen Staat militärisch angreift. Die Israelis sind nicht Täter, sondern Opfer.
Der Konflikt ist ja durch die Ermordung dreier jüdischer Jugendlicher und dem darauf folgenden Rachemord an einem Palästinenser eskaliert...
Ich verurteile die Ermordung des palästinensischen Jugendlichen zutiefst, genauso wie die Ermordung der drei Israelis. Was man hier aber sehen muss, ist, dass Israel die Mörder gefasst und eingesperrt hat. Die Hamas feiert die Mörder dagegen als Helden.
Was sagen Sie zu den Ereignissen auf der Anti-Israel-Demonstration?
Es beunruhigt mich und es entsetzt mich.
Wie beurteilen Sie die Reaktion der Polizei? Ein Demonstrant sollte vom Einsatzwagen aus die Menge beruhigen, schrie aber auch Hetzparolen wie „Kindermörder Israel“ ins Mikrofon.
In Hessen und in Frankfurt ist den Sicherheitsbehörden seit langem bekannt, dass wir leider radikale Islamisten und Salafisten unter uns haben. Dass die Anti-Israel-Demonstration mit so wenig Polizisten begleitet wurde, ist ein großer Fehler der Polizeiführung. Dass nicht sofort nach Beginn der Gewalttätigkeiten weitere Polizeikräfte angefordert wurden, ist eine weitere unerträgliche Fehlleistung. Für mich bleibt es auch unerklärbar und unentschuldbar, einen unbekannten Demonstranten die Arbeit erledigen zu lassen, die eigentlich die Polizei erledigen muss. Es ist schlimm genug für Menschen jüdischen Glaubens, bedroht und getötet zu werden, nur weil sie Juden sind. Aber mindestens so schlimm ist es, wenn diejenigen, die sie schützen sollen, bei so einer Demonstration versagen.
Wie hätten die Einsatzkräfte reagieren müssen?
Wenn auf einer Demonstration „Juden ins Gas“ gerufen wird, ist diese unverzüglich aufzulösen. Dass ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann. Das ist aber nicht geschehen.
Der Frankfurter Polizeipräsident Achim Thiel hat sich am gleichen Abend bei dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, für das Verhalten der Polizei entschuldigt. War das ein angemessener Weg?
Für die Kette der Fehlleistungen müssen Erklärungen abgegeben werden. Und Konsequenzen gezogen werden. Bei einer Entschuldigung kann es bei dieser Kette von so vielen groben Fehlern nicht bleiben. Ich nehme die Entschuldigung zur Kenntnis. Aber das reicht nicht.
Können solche Ereignisse, wie etwa auch das Beschmieren einer Synagoge, ausschließlich auf den Krieg in Israel und Gaza zurückzuführen sein. Oder liegen die Gründe vielleicht tiefer?
Der israelisch-palästinensische Konflikt wird von jeher dafür ausgenutzt, um Judenhass zu propagieren. Antizionismus wird als Vorwand für nackten Antisemitismus gebraucht. Es ist absolut berechtigt, kritisch mit der israelischen Regierung umzugehen, aber das rechtfertigt keine Vernichtungsphantasien des israelischen Staates. Dieser Hass ist unerträglich.
Am heutigen Donnerstag, 17. Juli, findet ja in Frankfurt eine Pro-Israel-Demonstration statt. Sind solche Aktionen hilfreich oder können sie vielleicht, ungewollt, den Hass weiter schüren?
Man muss in diesem Fall differenzieren. Die Veranstaltung am heutigen Donnerstag ist eine Solidaritätsdemonstration für Israel. Die Menschen wollen ihre Unterstützung und Anteilnahme für die Bevölkerung Israels zeigen. Das ist völlig in Ordnung. Eine Hassdemonstration, die als Vorwand genutzt wird, die Vernichtung Israels zu fordern, dürfte dagegen gar nicht erst genehmigt werden. Da wird eine rote Linie überschritten.
Sie waren auch Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und sind dort nach wie vor gut vernetzt. Wie fühlen sich die Menschen der Jüdischen Gemeinde?
Unsicher, irritiert, verstört.
Wie beurteilen Sie die Reaktion Israels auf den Bombenangriff aus Gaza?
Jedes Land hat das Recht, sich zu verteidigen. Würde Deutschland untätig bleiben, wenn Bomben auf Berlin und Frankfurt niederprasseln? Dass mittlerweile 203 Menschen in Gaza getötet wurden, ist furchtbar. Allerdings muss man auch sehen, dass die Hamas – die von der Europäischen Union als Terrororganisation eingeordnet ist – ihre Zivilbevölkerung als Schutzschild missbraucht. Und es kann einfach nicht sein, dass eine Terrororganisation seit Monaten einen zivilen Staat militärisch angreift. Die Israelis sind nicht Täter, sondern Opfer.
Der Konflikt ist ja durch die Ermordung dreier jüdischer Jugendlicher und dem darauf folgenden Rachemord an einem Palästinenser eskaliert...
Ich verurteile die Ermordung des palästinensischen Jugendlichen zutiefst, genauso wie die Ermordung der drei Israelis. Was man hier aber sehen muss, ist, dass Israel die Mörder gefasst und eingesperrt hat. Die Hamas feiert die Mörder dagegen als Helden.
17. Juli 2014, 11.00 Uhr
Christina Weber
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