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Bauern-Proteste
„Im Prinzip leben wir auch dank Transferleistungen“
Bundesweit tragen die Landwirte ihre Wut über die Ampel-Politik auf die Straße. Nicht alle stellen sich dabei aber auf die Seite des Bundesbauernverbandes. Auch einige Hessen beäugen die Situation kritisch.
Die erste Aktionswoche der Bauern-Proteste Anfang Januar verlief laut und medienwirksam. Auch in Frankfurt fuhren hunderte Landwirte mit ihren Traktoren am 11. Januar in die Stadt am Main und demonstrierten gegen die geplanten Kürzungen im Agrarsektor, die die Ampel-Regierung angekündigt und später teils wieder zurückgenommen hatte. Inzwischen steht fest: Die Bauern sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden und protestieren weiter. Für manch einen greift die auffällige Kritik an der Regierung jedoch zu kurz.
2022 knapp ein Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig
Da ist zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit seinen bundesweit 5000 Mitgliedern, die ihre Betriebe sowohl konventionell als auch biologisch führen. Einer von ihnen ist Oliver Diehl, Geschäftsführer der rund 220 Mitglieder starken AbL Hessen und Leiter eines Vollerwerbsbetriebes mit Schafen. Statt dem „eigenen Gewinnstreben“ wende sich die AbL der sozialen Frage und der gesellschaftlichen Verantwortung zu, erklärt er im Gespräch.
Zu den Bauernprotesten aufgerufen habe die AbL seine Mitglieder nicht, sagt Diehl, dennoch seien einige etwa nach Wiesbaden gefahren, um mit den teilnehmenden Landwirten ins Gespräch zu kommen. Ähnliches Engagement leistet beispielsweise der Jugendverband der AbL, der in den sozialen Medien kritisch auf die Lage in der Landwirtschaft schaut und sich gegen eine rechte Vereinnahmung der Proteste wehrt.
Aktionen wie die gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) lehnt Diehl ab, und auch die Blockaden von Autobahnen hält er für „grenzwertig“. Dass die Bauern sich aber so zahlreich zusammengetan haben, darin sieht er eine Selbstvergewisserung als Gruppe: „Wir merken einfach, dass wir weniger werden.“ Zum Vergleich: Laut Statista waren 2022 lediglich 1,2 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig – 1950 waren es noch knapp 24 Prozent.
AbL-Hessen-Geschäftsführer: Problem ist die EU-Förderpolitik des Agrarsektors
Dass die Landwirte die angekündigten Sparmaßnahmen der Ampel-Koalition auf die Barrikaden gebracht haben, kann der 57-Jährige verstehen. Sich auf den Agrardiesel und die anderen Streichungen zu versteifen, sei jedoch falsch: „Das Riesenproblem ist die EU-Förderung.“
Die Unterstützung müsse weg von der flächengebundenen Subvention. Momentan herrsche bei der Förderung das Gesetz „Wer hat, dem wird gegeben“, erklärt Diehl. Im aktuellen EU-Haushalt ist rund ein Drittel für Agrarsubventionen vorgesehen. Davon profitieren besonders große Agrarholding-Gesellschaften, die sich zum Beispiel in Ostdeutschland in Großbetriebe einkaufen.
Werde etwa eine Biogasanlage gebaut, steige der Preis der Fläche, erklärt Diehl. Es komme zu einer Flächenkonzentration, da die Bauern immer mehr pachten müssten, um die EU-Flächenförderungen zu erhalten. Auch die Nutzung der Flächen für Photovoltaik würde die Pachtpreise erhöhen und außerdem andere Nutzungen verdrängen. „Warum installiert man sowas nicht erstmal auf Dächern der Einzelhändler?“
„Big Four“ der Lebensmittelkonzerne halten 85 Prozent des Marktes
Dazu kommt eine weitere Problematik: „Zuallererst hätte es Kritik an den Einzelhändlern, den Molkereien und anderen Abnehmern geben müssen.“ Sie seien es schließlich, die den Bauern die Preise diktieren. In Deutschland beherrschen acht Molkereien mehr als die Hälfte des Rohmilchmarktes und die vier größten Lebensmittelkonzerne Edeka, Rewe, Lidl und Aldi 85 Prozent des Marktes. Die Bauernhöfe stünden am Ende der Lebensmittelkette, was sie häufig Preisdumping aussetze.
Kritisch blickt Diehl auch auf den Deutschen Bauernverband (DBV): „Wenn der DBV Regionalität predigt, ist das Propaganda, denn er tut nicht wirklich was für die kleinen und mittleren Betriebe.“ Eine 2019 veröffentlichte Studie vom NABU schlüsselt auf, dass der DBV sowohl mit der Lebensmittelindustrie als auch mit dem Agrarhandel und Chemieunternehmen verflochten ist. Der DBV vertritt somit die sich widerstreitenden Interessen der Bauern und der Konzerne.
„Im Prinzip leben wir auch dank Transferleistungen“, sagt Diehl über seinen Berufsstand. Auch deswegen fordert er ein Umdenken: Förderungen von EU und vom Bund sollten die Gemeinwohlleistungen der Bauern bezahlen und nicht als „Erschwerniszuschlag“ dienen, weil es der Bio-Bauer schwerer habe als der konventionelle.
Diehl: „Soja wird importiert, Schweine exportiert“
Auf manchen Plakaten der vergangenen Bauernproteste waren Dinge zu lesen wie: „Ist der Bauer ruiniert – wird das Essen importiert“. Dem kann Diehl nicht viel abgewinnen, das Argument der Wettbewerbsverzerrung zähle nicht. „Futtermittel wie Soja werden bereits importiert, Schweine gehen billig nach China und uns bleibt die Gülle mit dem Nährstoffüberschuss, wo niemand weiß, wohin damit.“
Da ist zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit seinen bundesweit 5000 Mitgliedern, die ihre Betriebe sowohl konventionell als auch biologisch führen. Einer von ihnen ist Oliver Diehl, Geschäftsführer der rund 220 Mitglieder starken AbL Hessen und Leiter eines Vollerwerbsbetriebes mit Schafen. Statt dem „eigenen Gewinnstreben“ wende sich die AbL der sozialen Frage und der gesellschaftlichen Verantwortung zu, erklärt er im Gespräch.
Zu den Bauernprotesten aufgerufen habe die AbL seine Mitglieder nicht, sagt Diehl, dennoch seien einige etwa nach Wiesbaden gefahren, um mit den teilnehmenden Landwirten ins Gespräch zu kommen. Ähnliches Engagement leistet beispielsweise der Jugendverband der AbL, der in den sozialen Medien kritisch auf die Lage in der Landwirtschaft schaut und sich gegen eine rechte Vereinnahmung der Proteste wehrt.
Aktionen wie die gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) lehnt Diehl ab, und auch die Blockaden von Autobahnen hält er für „grenzwertig“. Dass die Bauern sich aber so zahlreich zusammengetan haben, darin sieht er eine Selbstvergewisserung als Gruppe: „Wir merken einfach, dass wir weniger werden.“ Zum Vergleich: Laut Statista waren 2022 lediglich 1,2 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig – 1950 waren es noch knapp 24 Prozent.
Dass die Landwirte die angekündigten Sparmaßnahmen der Ampel-Koalition auf die Barrikaden gebracht haben, kann der 57-Jährige verstehen. Sich auf den Agrardiesel und die anderen Streichungen zu versteifen, sei jedoch falsch: „Das Riesenproblem ist die EU-Förderung.“
Die Unterstützung müsse weg von der flächengebundenen Subvention. Momentan herrsche bei der Förderung das Gesetz „Wer hat, dem wird gegeben“, erklärt Diehl. Im aktuellen EU-Haushalt ist rund ein Drittel für Agrarsubventionen vorgesehen. Davon profitieren besonders große Agrarholding-Gesellschaften, die sich zum Beispiel in Ostdeutschland in Großbetriebe einkaufen.
Werde etwa eine Biogasanlage gebaut, steige der Preis der Fläche, erklärt Diehl. Es komme zu einer Flächenkonzentration, da die Bauern immer mehr pachten müssten, um die EU-Flächenförderungen zu erhalten. Auch die Nutzung der Flächen für Photovoltaik würde die Pachtpreise erhöhen und außerdem andere Nutzungen verdrängen. „Warum installiert man sowas nicht erstmal auf Dächern der Einzelhändler?“
Dazu kommt eine weitere Problematik: „Zuallererst hätte es Kritik an den Einzelhändlern, den Molkereien und anderen Abnehmern geben müssen.“ Sie seien es schließlich, die den Bauern die Preise diktieren. In Deutschland beherrschen acht Molkereien mehr als die Hälfte des Rohmilchmarktes und die vier größten Lebensmittelkonzerne Edeka, Rewe, Lidl und Aldi 85 Prozent des Marktes. Die Bauernhöfe stünden am Ende der Lebensmittelkette, was sie häufig Preisdumping aussetze.
Kritisch blickt Diehl auch auf den Deutschen Bauernverband (DBV): „Wenn der DBV Regionalität predigt, ist das Propaganda, denn er tut nicht wirklich was für die kleinen und mittleren Betriebe.“ Eine 2019 veröffentlichte Studie vom NABU schlüsselt auf, dass der DBV sowohl mit der Lebensmittelindustrie als auch mit dem Agrarhandel und Chemieunternehmen verflochten ist. Der DBV vertritt somit die sich widerstreitenden Interessen der Bauern und der Konzerne.
„Im Prinzip leben wir auch dank Transferleistungen“, sagt Diehl über seinen Berufsstand. Auch deswegen fordert er ein Umdenken: Förderungen von EU und vom Bund sollten die Gemeinwohlleistungen der Bauern bezahlen und nicht als „Erschwerniszuschlag“ dienen, weil es der Bio-Bauer schwerer habe als der konventionelle.
Auf manchen Plakaten der vergangenen Bauernproteste waren Dinge zu lesen wie: „Ist der Bauer ruiniert – wird das Essen importiert“. Dem kann Diehl nicht viel abgewinnen, das Argument der Wettbewerbsverzerrung zähle nicht. „Futtermittel wie Soja werden bereits importiert, Schweine gehen billig nach China und uns bleibt die Gülle mit dem Nährstoffüberschuss, wo niemand weiß, wohin damit.“
8. Februar 2024, 11.40 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
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26. November 2024
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