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YOU FM in Afghanistan
Der Sassenroth im Bundeswehr-Camp
YOU FM-Moderator Johannes Sassenroth ist mit zwei Reportern nach Afghanistan gereist, um aus dem Bundeswehr-Camp Marmal zu berichten. Johannes Sassenroth über die gemachten Erfahrungen:
Journal Frankfurt: Zu allererst, wann ging es los und wie ist es euch ergangen? Was sind die ersten Eindrücke, die ihr eurer Reise abgewinnen konntet?
Johannes Sassenroth: Die Reise begann am 10. April mit dem Abflug in Köln. Wir flogen nach Termiz, an der Grenze zwischen Usbekistan und Afghanistan, wo wir übernachteten und am 11. landeten wir dann in Mazar-i-Scharif. Es ist uns sehr gut ergangen. Hier und da gab es mal ein mulmiges Gefühl. Zum Beispiel als wir das erste Mal im Konvoi das Camp verlassen haben, oder als ich zum ersten Mal im Leben eine scharfe Waffe abfeuerte und sich all meine Ideale dagegen aufbegehrten. Aber ansonsten ist man in diesem Camp sehr sicher. Es kommt einem vor wie eine kleine Stadt mit knapp 5000 Soldaten und diese waren sehr offen und ehrlich zu uns.
Gab es in dieser Woche Überraschungen? Etwas, womit ihr gar nicht gerechnet hattet?
Ja. Zum einen hat uns die bereits erwähnte Offenheit der Soldaten überrascht. Sie haben frei heraus auch mal die Bundeswehr kritisiert. Zweitens hat uns die große Freude darüber überrascht, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren. Viele haben mir gesagt: „Egal was man über uns sagt, ob Positives oder Negatives, Hauptsache man redet über uns und vergisst nicht, welchen harten Job wir hier machen.“ Des Weiteren hätte niemand von uns gedacht, wie sehr die Soldaten hinter dem Einsatz stehen. Sie riskieren zwar ihr Leben, spüren allerdings auch wie sich die Sicherheit in der Region verbessert hat. Daher wollen viele gar nicht 2014 abziehen. Sie befürchten, dass ihre Arbeit umsonst gewesen sein wird, wenn die Truppen nicht mehr in den Gebieten stationiert sind. Viele wollen lieber länger im Krisengebiet bleiben um der Bevölkerung beizustehen und Afghanistan zu stabilisieren. Gleichzeitig sagen sie aber auch: Das kann nicht alles sein. Das Land muss auch anders unterstützt werden.
Für die deutschen Soldaten geht es also um die afghanische Verteidigung am Hindukusch und nicht um die deutsche, wie es zu Beginn des Einsatzes hieß?
Den Soldaten, mit denen ich gesprochen habe, ist klar, dass sie hier nicht die deutsche Sicherheit „erkämpfen“. Sie finden es aber auch in Ordnung einem Bündnispartner beizustehen, in diesem Fall den US-Amerikanern. O-Ton eines Soldaten: „Wir sind Teil der Nato und haben deswegen in Europa Frieden. Den Preis, den wir dafür zahlen müssen, ist, den anderen Partnern beizustehen!“ Aktuell geht es den Soldaten in diesem Camp primär um die Sicherheit an diesem Ort und um andere unterstützende Maßnahmen, die in unseren Diskussionen gefallen sind. Zum Beispiel wirtschaftliche Aufbauhilfe oder den Bildungssektor weiter zu unterstützen. Also Hilfe zur Selbsthilfe.
Du sagtest, dass es auch überraschende Kritik seitens der Soldaten gab. Was wurde kritisiert?
Zum Beispiel ging es um die Kosten für das Kommunizieren nach Hause. Da kostet eine Minute schnelle Internetverbindung 30 Cent. Die schnelle Internetverbindung braucht man, wenn man skypen möchte. Die Amerikaner bieten ihren Soldaten kostenlose DSL-Verbindungen!
Hattet ihr in der Woche das Gefühl, dass ihr das Camp authentisch erlebt, oder ging das Gefühl in die Richtung, dass euch ein Programm präsentiert wird, das euren Adressaten eine „angenehmere“ Version offerieren soll?
Jein. Natürlich haben wir eine gewisse Auswahl zu Gesicht bekommen, durften aber auch Wünsche äußern. Darunter waren auch „gefährliche“ Jobs, wie das Bombenentschärfungskommando und wir durften mit auf Patrouille. Zudem konnten wir uns immer frei mit den Soldaten unterhalten, auch mal unangenehme Fragen stellen. Zum Beispiel über Gefahrensituationen und wie man damit umgeht. Abends bei einem Bier gab es auch immer ehrliche Gespräche ohne Aufsicht der Presseoffiziere, die sich ansonsten auch nie eingeschaltet haben oder eine Antwort verboten haben. Ich hatte das Gefühl, dass das Bild weitestgehend authentisch war. Wir hatten aber auch nur sieben Tage.
Konntest du in diesen Tagen das Verhältnis zwischen den Einheimischen und den Soldaten erschließen?
Wir waren zwei Mal ohne Militär zivil in der Stadt. Ein Mal am Freitag beim Gebet an der blauen Moschee und heute. Die Menschen hier haben durchaus Probleme mit den ISAF-Truppen. In ihren Augen gibt es zu viele zivile Opfer bei den Einsätzen. Ebenfalls finden sie die Anzahl der Soldaten überhöht. Das Geld, das in das Militär gesteckt wird, sollte ihrer Meinung nach mehr in die Aufbauhilfe gehen. ABER: Hier in der Gegend sind die meisten Menschen froh um die Truppen. Sie sorgen hier für Schutz und Sicherheit. So sagte mir mein Taxifahrer Fardin, dass seine Tochter ohne die Truppen nicht in die Schule gehen könnte. So etwas haben wir immer wieder gehört. Deshalb wollen die Afghanen in dieser Gegend auch nicht, dass die deutschen Truppen 2014 abziehen. Es besteht große Angst, dass die Taliban oder andere Kräfte zurückkommen könnten.
Das heißt, die Stimmung ist getrübter seit Verkündung des Abzuges?
An dieser Stelle zitiere ich gerne wieder Fardin, der meinte, dass die Art und Weise wie er jetzt lebt und die Tatsache, dass er mit westlichen Journalisten arbeitet, sein Todesurteil bedeuten könnte. Er befürchtet, dass er nach Abzug von den Taliban getötet wird. Und auch ein Journalist, den wir heute getroffen haben, erhielt schon Morddrohungen. Die Menschen sind sehr pessimistisch, was die Zeit nach dem Abzug betrifft und glauben, dass ihnen nichts Gutes bevorstehen wird. Und die Soldaten eben auch, aus genau diesem Grund. Sie sehen ihre Arbeit als nutzlos, wenn das Land hinterher wieder im Chaos versinkt.
Johannes Sassenroth: Die Reise begann am 10. April mit dem Abflug in Köln. Wir flogen nach Termiz, an der Grenze zwischen Usbekistan und Afghanistan, wo wir übernachteten und am 11. landeten wir dann in Mazar-i-Scharif. Es ist uns sehr gut ergangen. Hier und da gab es mal ein mulmiges Gefühl. Zum Beispiel als wir das erste Mal im Konvoi das Camp verlassen haben, oder als ich zum ersten Mal im Leben eine scharfe Waffe abfeuerte und sich all meine Ideale dagegen aufbegehrten. Aber ansonsten ist man in diesem Camp sehr sicher. Es kommt einem vor wie eine kleine Stadt mit knapp 5000 Soldaten und diese waren sehr offen und ehrlich zu uns.
Gab es in dieser Woche Überraschungen? Etwas, womit ihr gar nicht gerechnet hattet?
Ja. Zum einen hat uns die bereits erwähnte Offenheit der Soldaten überrascht. Sie haben frei heraus auch mal die Bundeswehr kritisiert. Zweitens hat uns die große Freude darüber überrascht, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren. Viele haben mir gesagt: „Egal was man über uns sagt, ob Positives oder Negatives, Hauptsache man redet über uns und vergisst nicht, welchen harten Job wir hier machen.“ Des Weiteren hätte niemand von uns gedacht, wie sehr die Soldaten hinter dem Einsatz stehen. Sie riskieren zwar ihr Leben, spüren allerdings auch wie sich die Sicherheit in der Region verbessert hat. Daher wollen viele gar nicht 2014 abziehen. Sie befürchten, dass ihre Arbeit umsonst gewesen sein wird, wenn die Truppen nicht mehr in den Gebieten stationiert sind. Viele wollen lieber länger im Krisengebiet bleiben um der Bevölkerung beizustehen und Afghanistan zu stabilisieren. Gleichzeitig sagen sie aber auch: Das kann nicht alles sein. Das Land muss auch anders unterstützt werden.
Für die deutschen Soldaten geht es also um die afghanische Verteidigung am Hindukusch und nicht um die deutsche, wie es zu Beginn des Einsatzes hieß?
Den Soldaten, mit denen ich gesprochen habe, ist klar, dass sie hier nicht die deutsche Sicherheit „erkämpfen“. Sie finden es aber auch in Ordnung einem Bündnispartner beizustehen, in diesem Fall den US-Amerikanern. O-Ton eines Soldaten: „Wir sind Teil der Nato und haben deswegen in Europa Frieden. Den Preis, den wir dafür zahlen müssen, ist, den anderen Partnern beizustehen!“ Aktuell geht es den Soldaten in diesem Camp primär um die Sicherheit an diesem Ort und um andere unterstützende Maßnahmen, die in unseren Diskussionen gefallen sind. Zum Beispiel wirtschaftliche Aufbauhilfe oder den Bildungssektor weiter zu unterstützen. Also Hilfe zur Selbsthilfe.
Du sagtest, dass es auch überraschende Kritik seitens der Soldaten gab. Was wurde kritisiert?
Zum Beispiel ging es um die Kosten für das Kommunizieren nach Hause. Da kostet eine Minute schnelle Internetverbindung 30 Cent. Die schnelle Internetverbindung braucht man, wenn man skypen möchte. Die Amerikaner bieten ihren Soldaten kostenlose DSL-Verbindungen!
Hattet ihr in der Woche das Gefühl, dass ihr das Camp authentisch erlebt, oder ging das Gefühl in die Richtung, dass euch ein Programm präsentiert wird, das euren Adressaten eine „angenehmere“ Version offerieren soll?
Jein. Natürlich haben wir eine gewisse Auswahl zu Gesicht bekommen, durften aber auch Wünsche äußern. Darunter waren auch „gefährliche“ Jobs, wie das Bombenentschärfungskommando und wir durften mit auf Patrouille. Zudem konnten wir uns immer frei mit den Soldaten unterhalten, auch mal unangenehme Fragen stellen. Zum Beispiel über Gefahrensituationen und wie man damit umgeht. Abends bei einem Bier gab es auch immer ehrliche Gespräche ohne Aufsicht der Presseoffiziere, die sich ansonsten auch nie eingeschaltet haben oder eine Antwort verboten haben. Ich hatte das Gefühl, dass das Bild weitestgehend authentisch war. Wir hatten aber auch nur sieben Tage.
Konntest du in diesen Tagen das Verhältnis zwischen den Einheimischen und den Soldaten erschließen?
Wir waren zwei Mal ohne Militär zivil in der Stadt. Ein Mal am Freitag beim Gebet an der blauen Moschee und heute. Die Menschen hier haben durchaus Probleme mit den ISAF-Truppen. In ihren Augen gibt es zu viele zivile Opfer bei den Einsätzen. Ebenfalls finden sie die Anzahl der Soldaten überhöht. Das Geld, das in das Militär gesteckt wird, sollte ihrer Meinung nach mehr in die Aufbauhilfe gehen. ABER: Hier in der Gegend sind die meisten Menschen froh um die Truppen. Sie sorgen hier für Schutz und Sicherheit. So sagte mir mein Taxifahrer Fardin, dass seine Tochter ohne die Truppen nicht in die Schule gehen könnte. So etwas haben wir immer wieder gehört. Deshalb wollen die Afghanen in dieser Gegend auch nicht, dass die deutschen Truppen 2014 abziehen. Es besteht große Angst, dass die Taliban oder andere Kräfte zurückkommen könnten.
Das heißt, die Stimmung ist getrübter seit Verkündung des Abzuges?
An dieser Stelle zitiere ich gerne wieder Fardin, der meinte, dass die Art und Weise wie er jetzt lebt und die Tatsache, dass er mit westlichen Journalisten arbeitet, sein Todesurteil bedeuten könnte. Er befürchtet, dass er nach Abzug von den Taliban getötet wird. Und auch ein Journalist, den wir heute getroffen haben, erhielt schon Morddrohungen. Die Menschen sind sehr pessimistisch, was die Zeit nach dem Abzug betrifft und glauben, dass ihnen nichts Gutes bevorstehen wird. Und die Soldaten eben auch, aus genau diesem Grund. Sie sehen ihre Arbeit als nutzlos, wenn das Land hinterher wieder im Chaos versinkt.
27. April 2012, 11.03 Uhr
Interview: Yohana Gebrihiwet
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23. November 2024
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