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Frankfurter Volksbühne
„Feuer! De Maa brennt“ - Wie umgehen mit rassistischem Vokabular?
Das Volkstheater und das M-Wort: Die Frankfurter Volksbühne inszeniert die Deutsche Revolution in der Komödie „Feuer! De Maa brennt“ – und verbrennt sich an einem aus der Zeit stammenden Gedicht selbst die Finger. Auf unsere Berichterstattung hat das Haus jetzt reagiert.
Update, 2. Oktober: Wie die Frankfurter Volksbühne schriftlich mitteilt, hat die Berichterstattung des JOURNAL eine Debatte im Haus ausgelöst. „Künftig wollen wir in einem zusätzlichen Handzettel für unser Publikum zur Verwendung des Wortes ... Stellung beziehen. Dies als Ergänzung zum Hinweis auf die Verwendung von historischen Originalquellen, der Teil der Begrüßung des Publikums vor jeder Vorstellung ist“, heißt es in einem Schreiben an die Redaktion. Außerdem plane man „noch in diesem Jahr eine Diskussionsveranstaltung zum Thema 'Wie umgehen mit rassistischem Vokabular in historischen Texten?'“.
„Feuer! De Maa brennt“ - Wie umgehen mit rassistischem Vokabular?
Frankfurt im September 1848. Während in der Paulskirche die Nationalversammlung tagt, herrscht auf den Straßen Unruhe. Es wird gestritten, sich belagert und gekämpft. Rainer Dachselts Komödie „Feuer! De Maa brennt“ erzählt in Rückblenden von diesen Ereignissen. Durch das ganze Stück zieht sich ein Verhör des Ginnheimer Schneiders Simon Niebergall, der während der Septemberunruhen festgenommen wurde und nun aussagen muss. Was er getan hat (oder nicht), muss jedoch erst festgestellt werden. Die Frage lautet also: Ist Niebergall ein Revolutionär? Oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Am Ende des Stücks steht die Auflösung.
Abgesehen von dieser historischen Grundierung ist „Feuer! De Maa brennt“ ein Frankfurter Volkstheaterstück nach klassischen Mustern: Es wird Ebbelwoi getrunken, schlärscht gebabbelt und über Stadtteile gelacht. Wer das mag, wird es auch hier mögen. Problematisch ist dagegen etwas Anderes.
Das M-Wort: Fehlende kritische Beschäftigung
Eine Volkstheaterkomödie muss die Ernsthaftigkeit einer kritischen Beschäftigung nicht leisten. Sie darf unterhalten, lachen machen und das Frankfodderisch erhalten. Wenn in einer Komödie über Freiheitskampf und Mitbestimmung aber eine Gedichtsvertonung mit dem M-Wort vorgetragen wird, verleugnet diese Inszenierung schlichtweg ¬die Probleme ihrer Gegenwart. Georg Herweghs Gedicht „Das Reden nimmt kein End’“ stammt zwar aus dem Revolutionsjahr 1848. Doch das Thema Rassismus ist noch immer gegenwärtig; man müsste sich damit beschäftigen. Genau an diesem Punkt verweigert die Komödie allerdings, sich aus dem Historischen zu lösen und sich ihrer Gegenwart zu stellen. Übergangslos geht es weiter mit dem Volkstheaterspaß.
Wenn die kritische Beschäftigung jedoch nicht stattfindet, sollte man rassistisches Vokabular auch nicht verwenden. Ungebrochen wird es hier reproduziert und gleichberechtigt in die Komödie verwoben. Es entsteht dabei der Eindruck, das M-Wort könne zu einem Frankfurter Volkstheaterstück fast genauso selbstverständlich dazugehören wie Ebbelwoi, der Wäldchestag oder Witze über Offenbach. Und das Seltsame ist: Tatsächlich scheint sich im Publikum auch niemand daran zu stören.
Was der Inszenierung damit fehlt
Nichts hätte der Inszenierung ohne das M-Wort gefehlt. Das Ensemble um Michael Quast haucht seinen Bühnenfiguren mit großem Einsatz Leben ein und spielt im letzten Drittel sogar Einzelbilder revolutionären Aufbegehrens hinter einer Schattenwand – der künstlerische Höhepunkt des Abends. Doch wenn das M-Wort vorkommt, fehlt der Inszenierung mindestens eine Ankündigung des Worts vor dem Spielbeginn, besser noch: eine Distanzierung oder Beschäftigung, Einordnung oder Kritik. Warum das M-Wort trotzdem vorkommt und warum sich offensichtlich niemand daran stört, bleiben die eigentlichen Rätsel dieses Theaterabends.
Frankfurt im September 1848. Während in der Paulskirche die Nationalversammlung tagt, herrscht auf den Straßen Unruhe. Es wird gestritten, sich belagert und gekämpft. Rainer Dachselts Komödie „Feuer! De Maa brennt“ erzählt in Rückblenden von diesen Ereignissen. Durch das ganze Stück zieht sich ein Verhör des Ginnheimer Schneiders Simon Niebergall, der während der Septemberunruhen festgenommen wurde und nun aussagen muss. Was er getan hat (oder nicht), muss jedoch erst festgestellt werden. Die Frage lautet also: Ist Niebergall ein Revolutionär? Oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Am Ende des Stücks steht die Auflösung.
Abgesehen von dieser historischen Grundierung ist „Feuer! De Maa brennt“ ein Frankfurter Volkstheaterstück nach klassischen Mustern: Es wird Ebbelwoi getrunken, schlärscht gebabbelt und über Stadtteile gelacht. Wer das mag, wird es auch hier mögen. Problematisch ist dagegen etwas Anderes.
Eine Volkstheaterkomödie muss die Ernsthaftigkeit einer kritischen Beschäftigung nicht leisten. Sie darf unterhalten, lachen machen und das Frankfodderisch erhalten. Wenn in einer Komödie über Freiheitskampf und Mitbestimmung aber eine Gedichtsvertonung mit dem M-Wort vorgetragen wird, verleugnet diese Inszenierung schlichtweg ¬die Probleme ihrer Gegenwart. Georg Herweghs Gedicht „Das Reden nimmt kein End’“ stammt zwar aus dem Revolutionsjahr 1848. Doch das Thema Rassismus ist noch immer gegenwärtig; man müsste sich damit beschäftigen. Genau an diesem Punkt verweigert die Komödie allerdings, sich aus dem Historischen zu lösen und sich ihrer Gegenwart zu stellen. Übergangslos geht es weiter mit dem Volkstheaterspaß.
Wenn die kritische Beschäftigung jedoch nicht stattfindet, sollte man rassistisches Vokabular auch nicht verwenden. Ungebrochen wird es hier reproduziert und gleichberechtigt in die Komödie verwoben. Es entsteht dabei der Eindruck, das M-Wort könne zu einem Frankfurter Volkstheaterstück fast genauso selbstverständlich dazugehören wie Ebbelwoi, der Wäldchestag oder Witze über Offenbach. Und das Seltsame ist: Tatsächlich scheint sich im Publikum auch niemand daran zu stören.
Nichts hätte der Inszenierung ohne das M-Wort gefehlt. Das Ensemble um Michael Quast haucht seinen Bühnenfiguren mit großem Einsatz Leben ein und spielt im letzten Drittel sogar Einzelbilder revolutionären Aufbegehrens hinter einer Schattenwand – der künstlerische Höhepunkt des Abends. Doch wenn das M-Wort vorkommt, fehlt der Inszenierung mindestens eine Ankündigung des Worts vor dem Spielbeginn, besser noch: eine Distanzierung oder Beschäftigung, Einordnung oder Kritik. Warum das M-Wort trotzdem vorkommt und warum sich offensichtlich niemand daran stört, bleiben die eigentlichen Rätsel dieses Theaterabends.
2. Oktober 2023, 13.15 Uhr
Julian Mackenthun
Julian Mackenthun
Julian Mackenthun, geboren 1993, studierte Englisch und Geschichte an der Goethe-Universität. Seit 2020 leitet er das Theater-Ressort des Journal Frankfurt. Mehr von Julian
Mackenthun >>
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