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Frankfurt braucht mehr Schönheit
Von der Schönheit zum Frieden
Jede und jeder kann auf sein Umfeld einwirken. Es beginnt mit der Haltung, zeigt sich in der Sprache, geht über kleine Gesten und endet in großen Aktionen. Ein Auftakt zur neuen Reihe „Frankfurt braucht mehr Schönheit“.
Ein viel zitierter Ausspruch lautet, dass die Schönheit im Auge des Betrachters oder der Betrachterin liegt. Aber ist das wirklich so, oder haben wir nicht ein kollektives Gespür für etwas, das wir als schön beziehungsweise hässlich erachten? Uns sind bisher keine Menschen begegnet, die vermüllte Ecken in der Stadt als Geschmacksache bezeichnen würden. Frankfurt hat seine hässlichen Seiten, wie auch seine schönen.
Natürlich ist es unmöglich, das Unschöne aus der Stadt gänzlich zu eliminieren. Auch braucht es immer die Gegenseite, um die Schönheit als solche wahrnehmen zu können. Zum Positiv braucht es auch immer das Negativ. Dennoch muss das Gewicht in dieser Stadt eindeutig Richtung Schönheit verlagert werden. Derzeit geht sie uns zunehmend verloren. Wir brauchen in dieser Stadt mehr Schönheit, da sie es ist, die diese Stadt lebenswert macht – und uns zuversichtlicher, in einer Welt leben zu können, die sich schön gestalten lässt.
Damit wären wir auch gleich beim Handeln. Es liegt nämlich an uns, diese Stadt schön zu gestalten. Wir sind es, die die Verantwortung besitzen, diese Stadt schöner zu machen. Die Hebelwirkungen dazu sind verschieden. Die einen haben (politische) Macht und Geld, die anderen weniger. Und dennoch kann jeder auf sein ästhetisches Umfeld einwirken. Es beginnt mit der Haltung, zeigt sich in der Sprache, geht über kleine Gesten und endet in großen Aktionen. Die ganze Bandbreite des Handlungsspektrums steht zur Wahl. Bevor aber entsprechend gehandelt wer-den kann, braucht es die Sensibilisierung für das Thema.
Frankfurt braucht mehr Schönheit: Warum diese Reihe?
Zunächst eine Klarstellung: Hier soll es nicht um Oberflächlichkeiten gehen. Der Begriff der Schönheit soll vielmehr umfassend thematisiert werden. Schönheit betrifft das Stadtbild, die Architektur, genauso wie den Straßenverkehr, den Einzelhandel, die Kommunalpolitik, die Art, wie sich Menschen kleiden und geben oder, und das ist ganz zentral, wie sie sprechen und miteinander umgehen. Einer Welt, die viel Hässliches bereithält, muss man die Schönheit entgegenhalten. Während die Schönheit in Italien seit Jahrhunderten als anzustrebendes Ideal gilt, wird sie bei uns oft misstrauisch beäugt und auf Äußerlichkeiten reduziert.
Im Wohnzimmer Frankfurts, dem Opernplatz, steht seit 1880 an der Alten Oper, auf Goethe zurückgehend, geschrieben: „Dem Wahren, Schönen, Guten“. In diesem Dreiklang liegen die Idee und die Verbindung zu einem guten Leben – und das ist es doch, welches wir in dieser Stadt sicherstellen wollen. So kann man es lesen: Das Wahre ist schön, da es gut ist. Wir ergänzen: Und das Schöne ist gut, da es heilsam ist. Heilsam ist es, da es uns zu uns zurückführt, zur schönen, gut anklingenden Seite des Menschen.
Umso wichtiger ist es für die Gestaltung unserer Stadt, dass mehr Orte der Schönheit geschaffen werden. Gerade die grünen Oasen wirken in der Stadt besonders attraktiv. Sie werden durch ihre Bürgerinnen und Bürger auf-gesucht. Das Schöne hat das Potenzial, Orte des sozialen Zusammenhalts zu schaffen. Warum sonst gehören das Museumsufer und die Parks dieser Stadt, wie die Umfrage zu Frankfurt Next Generation gezeigt hat, zu den beliebtesten Orten Frankfurts?
Frankfurt braucht mehr Schönheit: Alles nur funktional?
Frankfurt ist eine Stadt, die wächst – und mit dem Wachstum und auch sonst im Zeitgeist spielt die Ökonomie eine tragende Rolle. In Kombination mit Funktionalität kann zu viel ökonomisches Denken zum Gift für die Schönheit werden. Die Nachkriegssiedlungen (wenn sie nicht die Masse der Gebäude darstellen, können als Kleinod auch eine Schönheit darstellen) sowie die neuen Quartiere sind Zeugnisse von schnellem Massenbau und Einfallslosigkeit. Das Europaviertel ist eine vertane Chance. Hier entfaltet sich nichts, was das Auge erfreuen könnte: Die Gleichförmigkeit, das Nicht-Verspielte an den Fassaden lassen das Auge nicht hängenbleiben und die Fantasie nicht auf Reisen gehen.
Es fehlt bei dieser konfektionierten Massenarchitektur der Kontrast, um sie wirken lassen zu können. Der Mensch selbst wird in solchen Kontexten in die Fantasielosigkeit gedrängt. Die Vielfalt der Natur und der Welt finden sich in solchen Gebäuden, Vierteln und Straßen der Stadt zunehmend weniger abgebildet. Wenn wir uns für Diversität einsetzen, müssen wir beginnen, dies auch für die Architektur unserer Stadt einzufordern. Es gilt, die entsprechenden Rahmenbedingungen politisch zu verabschieden, um die Schönheit in dieser Stadt zu fördern. Führen wir doch die Schönheit, das Einladende an die soziale Zusammenkunft, als hartes Kriterium für die Gestaltung von Gebäuden, Plätzen und Straßen ein – neben den Kriterien wie zum Beispiel Kosten und Nachhaltigkeit.
Frankfurt braucht mehr Schönheit: Wo ist die schöne Sprache?
Was nützt jedoch eine schöne Architektur, wenn wir nicht zeitgleich an unserer Sprache und Haltung arbeiten. Auch diese müssen schöner werden. Welche Sprache wählen wir in Frankfurt, um Menschen anzusprechen, um ihre Eigenschaften, die sie haben, zu benennen, um die Umgebung, in der wir leben, zu beschreiben? Welche Worte gebrauchen wir – vor allem aber: Welche Worte kennen wir eigentlich (noch), um der Vielfalt und damit der Schönheit des Lebens Ausdruck zu verleihen? Wer kennt das Gefühl nicht, bei einem schönen Satz zu entzücken, da die Sprache meisterhaft gezeigt hat, wie sie sich ausdrücken kann?
Gerade in Frankfurt, in dem Goethe zu Hause war, sollten wir uns bewusst auf die Suche nach einer vielfältigen und schönen Sprache machen. Sprache verändert dabei die Wahrnehmung und damit die Welt. Eine schöne Welt beginnt mit der Schönheit der Sprache und der Fähigkeit, durch die Sprache sich die Welt schön und eigen zu machen. Erst wenn wir genügend schöne Sprache beherrschen, können wir unser Umfeld damit herausfordern. Es heißt doch immer, dass Sprache mächtig sei, glauben wir diesen schönen Satz doch einmal und wenden ihn ganz praktisch an!
Die Haltung, die damit einhergeht, ist eine suchende, sensible, ist eine, die auf die Differenz, den Unterschied achtgibt. Mit dieser Haltung wird das Individuelle wahrgenommen, welches dadurch seinen ganz eigenen Raum erhält. Genau das ist es doch, wonach so viele von uns sich sehnen: in seiner oder ihrer Individualität endlich wahrgenommen zu werden. In seiner einzigartigen Schönheit gesehen zu werden, das verdienen sowohl wir Menschen als auch die Gebäude und Dinge, die wir produzieren. Konsequent zu Ende gedacht führt die Schönheit dann zum Schönsten und Besten allen menschlichen Lebens: zum Frieden.

Info
Prof. Dr. Frank E. P. Dievernich ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft.
Jasmin Schülke M. A. ist Chefredakteurin des JOURNAL FRANKFURT.
Beide sind Herausgeber der Publikation „Demokratie gestalten“.
Natürlich ist es unmöglich, das Unschöne aus der Stadt gänzlich zu eliminieren. Auch braucht es immer die Gegenseite, um die Schönheit als solche wahrnehmen zu können. Zum Positiv braucht es auch immer das Negativ. Dennoch muss das Gewicht in dieser Stadt eindeutig Richtung Schönheit verlagert werden. Derzeit geht sie uns zunehmend verloren. Wir brauchen in dieser Stadt mehr Schönheit, da sie es ist, die diese Stadt lebenswert macht – und uns zuversichtlicher, in einer Welt leben zu können, die sich schön gestalten lässt.
Damit wären wir auch gleich beim Handeln. Es liegt nämlich an uns, diese Stadt schön zu gestalten. Wir sind es, die die Verantwortung besitzen, diese Stadt schöner zu machen. Die Hebelwirkungen dazu sind verschieden. Die einen haben (politische) Macht und Geld, die anderen weniger. Und dennoch kann jeder auf sein ästhetisches Umfeld einwirken. Es beginnt mit der Haltung, zeigt sich in der Sprache, geht über kleine Gesten und endet in großen Aktionen. Die ganze Bandbreite des Handlungsspektrums steht zur Wahl. Bevor aber entsprechend gehandelt wer-den kann, braucht es die Sensibilisierung für das Thema.
Zunächst eine Klarstellung: Hier soll es nicht um Oberflächlichkeiten gehen. Der Begriff der Schönheit soll vielmehr umfassend thematisiert werden. Schönheit betrifft das Stadtbild, die Architektur, genauso wie den Straßenverkehr, den Einzelhandel, die Kommunalpolitik, die Art, wie sich Menschen kleiden und geben oder, und das ist ganz zentral, wie sie sprechen und miteinander umgehen. Einer Welt, die viel Hässliches bereithält, muss man die Schönheit entgegenhalten. Während die Schönheit in Italien seit Jahrhunderten als anzustrebendes Ideal gilt, wird sie bei uns oft misstrauisch beäugt und auf Äußerlichkeiten reduziert.
Im Wohnzimmer Frankfurts, dem Opernplatz, steht seit 1880 an der Alten Oper, auf Goethe zurückgehend, geschrieben: „Dem Wahren, Schönen, Guten“. In diesem Dreiklang liegen die Idee und die Verbindung zu einem guten Leben – und das ist es doch, welches wir in dieser Stadt sicherstellen wollen. So kann man es lesen: Das Wahre ist schön, da es gut ist. Wir ergänzen: Und das Schöne ist gut, da es heilsam ist. Heilsam ist es, da es uns zu uns zurückführt, zur schönen, gut anklingenden Seite des Menschen.
Umso wichtiger ist es für die Gestaltung unserer Stadt, dass mehr Orte der Schönheit geschaffen werden. Gerade die grünen Oasen wirken in der Stadt besonders attraktiv. Sie werden durch ihre Bürgerinnen und Bürger auf-gesucht. Das Schöne hat das Potenzial, Orte des sozialen Zusammenhalts zu schaffen. Warum sonst gehören das Museumsufer und die Parks dieser Stadt, wie die Umfrage zu Frankfurt Next Generation gezeigt hat, zu den beliebtesten Orten Frankfurts?
Frankfurt ist eine Stadt, die wächst – und mit dem Wachstum und auch sonst im Zeitgeist spielt die Ökonomie eine tragende Rolle. In Kombination mit Funktionalität kann zu viel ökonomisches Denken zum Gift für die Schönheit werden. Die Nachkriegssiedlungen (wenn sie nicht die Masse der Gebäude darstellen, können als Kleinod auch eine Schönheit darstellen) sowie die neuen Quartiere sind Zeugnisse von schnellem Massenbau und Einfallslosigkeit. Das Europaviertel ist eine vertane Chance. Hier entfaltet sich nichts, was das Auge erfreuen könnte: Die Gleichförmigkeit, das Nicht-Verspielte an den Fassaden lassen das Auge nicht hängenbleiben und die Fantasie nicht auf Reisen gehen.
Es fehlt bei dieser konfektionierten Massenarchitektur der Kontrast, um sie wirken lassen zu können. Der Mensch selbst wird in solchen Kontexten in die Fantasielosigkeit gedrängt. Die Vielfalt der Natur und der Welt finden sich in solchen Gebäuden, Vierteln und Straßen der Stadt zunehmend weniger abgebildet. Wenn wir uns für Diversität einsetzen, müssen wir beginnen, dies auch für die Architektur unserer Stadt einzufordern. Es gilt, die entsprechenden Rahmenbedingungen politisch zu verabschieden, um die Schönheit in dieser Stadt zu fördern. Führen wir doch die Schönheit, das Einladende an die soziale Zusammenkunft, als hartes Kriterium für die Gestaltung von Gebäuden, Plätzen und Straßen ein – neben den Kriterien wie zum Beispiel Kosten und Nachhaltigkeit.
Was nützt jedoch eine schöne Architektur, wenn wir nicht zeitgleich an unserer Sprache und Haltung arbeiten. Auch diese müssen schöner werden. Welche Sprache wählen wir in Frankfurt, um Menschen anzusprechen, um ihre Eigenschaften, die sie haben, zu benennen, um die Umgebung, in der wir leben, zu beschreiben? Welche Worte gebrauchen wir – vor allem aber: Welche Worte kennen wir eigentlich (noch), um der Vielfalt und damit der Schönheit des Lebens Ausdruck zu verleihen? Wer kennt das Gefühl nicht, bei einem schönen Satz zu entzücken, da die Sprache meisterhaft gezeigt hat, wie sie sich ausdrücken kann?
Gerade in Frankfurt, in dem Goethe zu Hause war, sollten wir uns bewusst auf die Suche nach einer vielfältigen und schönen Sprache machen. Sprache verändert dabei die Wahrnehmung und damit die Welt. Eine schöne Welt beginnt mit der Schönheit der Sprache und der Fähigkeit, durch die Sprache sich die Welt schön und eigen zu machen. Erst wenn wir genügend schöne Sprache beherrschen, können wir unser Umfeld damit herausfordern. Es heißt doch immer, dass Sprache mächtig sei, glauben wir diesen schönen Satz doch einmal und wenden ihn ganz praktisch an!
Die Haltung, die damit einhergeht, ist eine suchende, sensible, ist eine, die auf die Differenz, den Unterschied achtgibt. Mit dieser Haltung wird das Individuelle wahrgenommen, welches dadurch seinen ganz eigenen Raum erhält. Genau das ist es doch, wonach so viele von uns sich sehnen: in seiner oder ihrer Individualität endlich wahrgenommen zu werden. In seiner einzigartigen Schönheit gesehen zu werden, das verdienen sowohl wir Menschen als auch die Gebäude und Dinge, die wir produzieren. Konsequent zu Ende gedacht führt die Schönheit dann zum Schönsten und Besten allen menschlichen Lebens: zum Frieden.

Prof. Dr. Frank E. P. Dievernich ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft.
Jasmin Schülke M. A. ist Chefredakteurin des JOURNAL FRANKFURT.
Beide sind Herausgeber der Publikation „Demokratie gestalten“.
25. März 2025, 11.00 Uhr
Frank E.P. Dievernich und Jasmin Schülke
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26. März 2025
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