Im vergangenen Jahr hat sich in Frankfurt kulturell einiges getan. Das JOURNAL blickt unter anderem zurück auf die Debatte um die documenta 15, das 75. Jubiläum der Buchmesse und 100 Jahre Jazz in Frankfurt.
Sina Claßen /
documenta 15: Jüdische Gemeinde Frankfurt diskutiert über Kunstfreiheit Um auf das Jahr 2023 zurückblicken zu können, muss zunächst auch ein Blick in die weitere Vergangenheit geworfen werden: Nämlich auf den Zeitraum vom 18. Juni bis zum 25. September 2022, in dem die documenta 15 in Kassel stattfand. Kuratiert wurde sie von dem indonesischen Künstlerinnenkollektiv ruangrupa, das der israelfeindlichen BDS-Bewegung nahesteht. Darüber hinaus stand vor allem ein Banner mit antisemitischer Bildsprache im Fokus der öffentlichen Empörung sowie der Umgang mit den Antisemitismus-Vorwürfen vonseiten der Verantwortlichen.
Umzug in den Bethmannhof: Massif Central und Vogel Strauss eröffnen Im April startete der Umzug des Kreativzentrums Massif Central aus der alten Location in der Eschenheimer Landstraße in das neue Zuhause im Bethmannhof nahe des Frankfurter Römers. Apropos Römer: Bei einem Live-Talk im Juli erzählte Gründer Florian Jöckel, dass am neuen Standort künftig ein Co-Working-Space entstehen soll, „wo aus Mike Josef der Mike wird“. Im Zuge der Europäischen Woche des Sports im September wurde das Massif Central im Handumdrehen zum Bootcamp umfunktioniert und die JOURNAL-Chefredakteurin Jasmin Schülke zum Schwitzen gebracht. Am 12. Oktober ist schließlich der Vogel Strauss im Bethmannhof gelandet, ein neuer Concept-Store, der an den ehemaligen Gasthof „Zum Strauß“ erinnert, in dem seinerzeit schon Luther untergekommen sein soll.
Nach Corona: Nacht der Museen und Ausstellung im Historischen Museum Nach drei Jahren coronabedingter Pause fand am 13. Mai erstmals wieder die Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach statt. Von 19 Uhr abends bis 2 Uhr nachts konnten Besucherinnen und Besucher 48 Museen und Galerien besichtigen. Neu mit dabei waren das Romantikmuseum und das Museum für moderne elektronische Musik (MOMEM) an der Hauptwache. Am 24. und 25. Juni wurden dann im Historischen Museum Frankfurt Objekte gezeigt, die an die Pandemie, an die Lockdowns und Quarantäne sowie an das Virus an sich erinnerten. Unter anderem: ein Corona-Hochhaus aus Teststäbchen.
Sommer in Frankfurt: Mainkai, Museumsufer, Metzlerpark und viele mehr Auf die Nacht der Museen folgten im Sommer zahlreiche weitere Feiern und Feste in Frankfurt: Am 13. Juli begann das bunte Treiben rund um den „Christopher Street Day“ mit großem Straßenfest an der Konstablerwache und der Demonstration zwei Tage später. Weiter ging es am 20. Juli mit dem Theaterfestival „Barock am Main“ im Hof der Höchster Porzellan-Manufaktur. Für das kommende Jahr wurde die Veranstaltung aufgrund von Problemen mit einer benachbarten Elektrofirma leider abgesagt. Außer Barock gab es beim „Sommer am Main“ auch dieses Jahr wieder eine Reihe von Sport- und Kulturveranstaltungen auf dem gesperrten Mainkai. Vom 4. bis zum 7. August fand mit dem Mainfest dort zwischenzeitlich Frankfurts ältestes Volksfest statt und am letzten August-Wochenende dann traditionell das Museumsuferfest. Gleichzeitig wurde im Metzlerpark mit „El Barrio“ ein temporäres Stadtviertel für kulturelle Vielfalt und gesellschaftlichen Dialog eingerichtet.
Zu Gast bei Gucci: Frankfurt Fashion Lounge Temporär war auch die Frankfurt Fashion Week, die im Sommer 2022 zum ersten und einzigen Mal in der Mainmetropole abgehalten wurde. „Kein Publikumsmagnet“, lautete kürzlich das Urteil des Magistrats. Umso hartnäckiger hielt sich jedoch die Fashion Lounge unter der Leitung von Sevinc Yerli in Frankfurt: Von Ende Juni bis Anfang Juli 2023 wurden 25 Orte in der Stadt von ihr bespielt, das Herzstück darunter war das Hotel Sofitel Opera, in dem die Veranstaltungen von der „Germany’s Next Topmodel“-Gewinnerin aus dem Jahr 2016, Kim Hnizdo, moderiert wurden. Außerdem war die Fashion Lounge dieses Jahr erstmals bei Gucci auf der Goethestraße zu Gast.
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Ganz ohne Eisberg: Satiremagazin Titanic auf Rettung angewiesen Ist die eine Titanic bereits im Jahr 1912 gesunken, war die andere 2023 auf Rettung angewiesen: Im September gab das Satiremagazin „Titanic“ mit redaktionellem Sitz in Frankfurt bekannt, vor dem Aus zu stehen. 5000 neue Abonnements sollten her, um den drohenden Konkurs abzuwenden. Das Ziel wurde innerhalb von zwei Wochen um mehr als 1000 Abos übertroffen, hinzu kamen über 34 000 Euro an Spenden, verriet Chefredakteurin Julia Mateus im Interview. Die Titanic sei dennoch zwar „so pleite wie noch nie“, aber vorerst gerettet und der Posten des Mäzen vakant.
Doppel-Jubiläum: 75. Frankfurter Buchmesse und 14 Jahre Open Books Im Oktober feierte die Frankfurter Buchmesse ihren 75. Geburtstag – auch als demokratischer Ort des Austausches. Angesichts des Terror-Angriffs der Hamas Anfang des Monats stand die Buchmesse im Zeichen der Solidarität mit Israel und wurde als Anlass genutzt, um über Antisemitismus und Krieg zu sprechen. Gleich bei der Eröffnungsfeier kam es zu einem Eklat durch die Rede des slowenischen Philosophen Žižek, der sagte, einen jüdischen Staat im Nahen Osten habe schon der Nationalsozialist Reinhard Heydrich gutgeheißen.
Bereits einen Tag vor der Eröffnung erhielt der Autor Toni Schachinger den Deutschen Buchpreis für seinen Coming-of-age-Roman „Echtzeitalter“. Neben slowenischer Kunst gab es auf der Buchmesse viel zu sehen bzw. zu hören: Schauspieler Gunnar Solka trug Geschichten queerer Geflüchteter – die Rainbow Stories – vor und zum Abschluss wurde „goofy“ am Messesonntag als Jugendwort des Jahres 2023 gekürt. Gleichzeitig wurde auch das Lesefest „Open Books“ 14 Jahre alt.
Vom Jazz zum Techno: 20 Jahre Tanzhaus West Nicht ganz so alt wie der Jazz in Frankfurt ist der Techno, oder genauer genommen ein ganz bestimmter Technotempel: das Tanzhaus West. Anlässlich seines 20. Geburtstags wurde hier im November zwei Tage lang gefeiert – dem Clubsterben zum Trotz. Eine Zeit lang stand es auch um das Tanzhaus nicht gut, denn der Eigentümer der Immobilie wollte verkaufen. Letztendlich raffte sich die Kommunale Entwicklungsgesellschaft, eine städtische Tochter, auf und rettete den Kulturort. Dann kam Corona: „Wir Clubs wurden ja als erste geschlossen und durften erst als letzte wieder aufmachen“, resümierte Tanzhaus-Gründer Matthias Morgenstern im JOURNAL. Umso schöner, dass die Türen des Technotempels weiterhin geöffnet bleiben.
Abschied: Moses Pelham kündigt Rücktritt an „Liebe Freunde, in mir reift schon seit einigen Jahren der Wunsch, mein Werk nach meinen Vorstellungen zu vollenden, bevor es zu spät ist“ – Mit diesen Worten kündigte Frankfurter Urgestein und Rap-Pionier Moses Pelham Mitte November auf Instagram sein finales Album „Letzte Worte“ an. Aus der Abschieds-Tour mit zwei Konzerten wurden nach Batschkapp-Vorverkaufs-Rekord im Nu fünf. Die letzte Show soll am 21. Dezember 2024 stattfinden.
Und damit verabschiedet sich auch die JOURNAL-Redaktion und wünscht Frohe Weihnachten!