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Tamar Halperin im Mousonturm
Erik Satie als Konzeptionist und Visionär
Mit Michael Wollny begeisterte sie mit dem „Wunderkammer“-Projekt, mit Ehemann Andreas Scholl nahm sie „The Family Songbook“ auf, mit Guy Sternberg widmet sich Tamar Halperin einer zeitgemäßen Interpretation von Erik Satie.
Erkundigt man sich bei Tamar Halperin nach ihrer musikalischen Ausbildung, beruft sie sich auf einen richtigen, ordentlichen klassischen Background. „Ich bin seit jeher der Klassik verpflichtet“, betont die israelische Pianistin und Cembalistin mit Ausbildung an der Universität von Tel Aviv, der Schola Cantorum Basiliensis und der Juilliard School of Music. In Basel widmete sie sich der Alten Musik, in New York promovierte sie über Johann Sebastian Bach. Viel „klassischer“ geht es kaum. „Aber schon mit 15, 16 beschäftigte mich die Frage, wie passe ich in diesen Kontext?“, erzählt Halperin. Das Studium klassischer Meisterwerke empfand sie immer als sehr interessant und ein schier endloses Unterfangen, dem allein es sich zu widmen lohnt.
„Aber wie lässt sich die Welt der Übungsräume und Konzertsäle mit dem wahren Leben verbinden?“, grübelte sie. „Ich fühlte mich lange allein in dieser anderen Realität mit Menschen, die ihr eigenes Tempo lebten, eine eigene Art der Unterhaltung pflegten, sich anders anzogen und nur für bestimmte Musik und Filme interessierten.“ Zu viele Konventionen. „Wenn ich dann mit Freunden in Bars oder in Jazzkonzerte ging, um Livemusik zu erleben, war das eine gänzlich andere Erfahrung. Mit diesem Bruch fühlte ich mich nie wohl.“ Er nervte sie sogar. „Seither versuche ich unablässig Zusammenhänge herzustellen.“ Für diese musikalischen Dialoge fand sie im deutschen Opernsänger und Countertenor Andreas Scholl einen Verbündeten. Seit 2012 sind sie verheiratet, leben im idyllischen Rheingau. 2015 kam Tochter Alma zur Welt. Die kam bald in den Genuss von Schlafliedern. Tief in Tamars Erinnerungen schlummerten all die hebräischen Lieder ihrer Jugend. „Wirklich liebliche Melodien. Dank Andreas lernte ich all die herrlichen deutschen Stücke kennen.“ Und so sangen und sangen und sangen sie. Nach einem Jahr kam Halperin dann die Idee: „Das ist eine so schöne Sammlung, die sollten wir aufnehmen. Die erschien als „The Family Songbook“ Ende vergangenen Jahres mit einem diversen Repertoire, darunter das Wiegenlied schlechthin, Brahms‘ „Guten Abend, gut‘ Nacht“, „La Le Lu“ (Heinz Rühmann lässt grüßen), Lyrik von Leah Goldberg, einem osteuropäischen Wiegenlied mit russisch-jiddischen Wurzeln, das hier orientalisch mit arabisch-nordafrikanischem Flair interpretiert wird, einem „Children’s Song“ von Chick Corea sowie James Taylors „Sweet Baby James“ und Billy Joels „Lullabye“.
Tamar Halperin, die auch mit Jazz-Pianist Michael Wollny das epochale Album „Wunderkammer“ aufnahm, das es auch als „XXL“-Version mit der HR-Bigband gibt, veröffentlichte schon im Mai 2016 ihr „Satie“-Album auf dem Neue Meister-Label bei Edel. Mit Guy Sternberg suchte sie eine zeitgemäße Umsetzung der Kompositionen. Erik Satie übrigens verstand sich nie als Komponist, er zog den Begriff des „Phonometricien“ vor, einer, der sich auf Laute, Töne, Stimme und Sprache versteht. Ein erklärter Nicht-Musiker (wie ein Jahrhundert später Brian Eno), der die „Musique d’ameublement“ (Einrichtungsmusik) erfand. „Kein großer Komponist auf dem Level seiner Zeitgenossen Debussy, Ravel, Skrjabin oder Prokofjew, eher ein Konzeptionist mit unglaublichen Ideen und einer Vision“, nähert sich Halperin dem Impressionisten und Ironiker mit Nähe zum Surrealismus und Dadaismus, der zudem der Minimal Music den Weg ebnete. Als ein Bindeglied könnte man John Cage sehen. Nicht von ungefähr kommt er im gemeinsamen Konzert mit Guy Sternberg (Live Electronics) neben Debussy und Corea zu Gehör. „Seine ,Children’s Songs‘ sind so wunderbar simpel und repetitiv, als ich die das erste Mal hörte, dachte ich sofort an Debussy und Satie“, erinnert sich Halperin. „Im Zentrum des Abends steht Satie, alles drumherum korrespondiert mit seinem Charakter, seiner Persona.“ Die Grenzen zwischen Kunstmusik und Entertainment, Klassik und Jazz werden fließend präsentiert. „Das ist meine Vorstellung davon, wie ein Piano recital heute klingen muss.“ D
>> Tamar Halperin spielt Eric Satie, Mousonturm, 21.9., 20 Uhr, Eintritt 28,50€
„Aber wie lässt sich die Welt der Übungsräume und Konzertsäle mit dem wahren Leben verbinden?“, grübelte sie. „Ich fühlte mich lange allein in dieser anderen Realität mit Menschen, die ihr eigenes Tempo lebten, eine eigene Art der Unterhaltung pflegten, sich anders anzogen und nur für bestimmte Musik und Filme interessierten.“ Zu viele Konventionen. „Wenn ich dann mit Freunden in Bars oder in Jazzkonzerte ging, um Livemusik zu erleben, war das eine gänzlich andere Erfahrung. Mit diesem Bruch fühlte ich mich nie wohl.“ Er nervte sie sogar. „Seither versuche ich unablässig Zusammenhänge herzustellen.“ Für diese musikalischen Dialoge fand sie im deutschen Opernsänger und Countertenor Andreas Scholl einen Verbündeten. Seit 2012 sind sie verheiratet, leben im idyllischen Rheingau. 2015 kam Tochter Alma zur Welt. Die kam bald in den Genuss von Schlafliedern. Tief in Tamars Erinnerungen schlummerten all die hebräischen Lieder ihrer Jugend. „Wirklich liebliche Melodien. Dank Andreas lernte ich all die herrlichen deutschen Stücke kennen.“ Und so sangen und sangen und sangen sie. Nach einem Jahr kam Halperin dann die Idee: „Das ist eine so schöne Sammlung, die sollten wir aufnehmen. Die erschien als „The Family Songbook“ Ende vergangenen Jahres mit einem diversen Repertoire, darunter das Wiegenlied schlechthin, Brahms‘ „Guten Abend, gut‘ Nacht“, „La Le Lu“ (Heinz Rühmann lässt grüßen), Lyrik von Leah Goldberg, einem osteuropäischen Wiegenlied mit russisch-jiddischen Wurzeln, das hier orientalisch mit arabisch-nordafrikanischem Flair interpretiert wird, einem „Children’s Song“ von Chick Corea sowie James Taylors „Sweet Baby James“ und Billy Joels „Lullabye“.
Tamar Halperin, die auch mit Jazz-Pianist Michael Wollny das epochale Album „Wunderkammer“ aufnahm, das es auch als „XXL“-Version mit der HR-Bigband gibt, veröffentlichte schon im Mai 2016 ihr „Satie“-Album auf dem Neue Meister-Label bei Edel. Mit Guy Sternberg suchte sie eine zeitgemäße Umsetzung der Kompositionen. Erik Satie übrigens verstand sich nie als Komponist, er zog den Begriff des „Phonometricien“ vor, einer, der sich auf Laute, Töne, Stimme und Sprache versteht. Ein erklärter Nicht-Musiker (wie ein Jahrhundert später Brian Eno), der die „Musique d’ameublement“ (Einrichtungsmusik) erfand. „Kein großer Komponist auf dem Level seiner Zeitgenossen Debussy, Ravel, Skrjabin oder Prokofjew, eher ein Konzeptionist mit unglaublichen Ideen und einer Vision“, nähert sich Halperin dem Impressionisten und Ironiker mit Nähe zum Surrealismus und Dadaismus, der zudem der Minimal Music den Weg ebnete. Als ein Bindeglied könnte man John Cage sehen. Nicht von ungefähr kommt er im gemeinsamen Konzert mit Guy Sternberg (Live Electronics) neben Debussy und Corea zu Gehör. „Seine ,Children’s Songs‘ sind so wunderbar simpel und repetitiv, als ich die das erste Mal hörte, dachte ich sofort an Debussy und Satie“, erinnert sich Halperin. „Im Zentrum des Abends steht Satie, alles drumherum korrespondiert mit seinem Charakter, seiner Persona.“ Die Grenzen zwischen Kunstmusik und Entertainment, Klassik und Jazz werden fließend präsentiert. „Das ist meine Vorstellung davon, wie ein Piano recital heute klingen muss.“ D
>> Tamar Halperin spielt Eric Satie, Mousonturm, 21.9., 20 Uhr, Eintritt 28,50€
17. September 2019, 15.00 Uhr
Detlef Kinsler
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