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Synagoge und Diskothek
Interview mit den Jewish Monkeys
Jossi Reich und Ronni Boiko, zwei ehemalige Frankfurter, haben in Tel Aviv die Klezmer-Rock-Band The Jewish Monkeys gegründet. Am 14. März spielen sie im Nachtleben. Das JOURNAL FRANKFURT hat die Musiker vorher gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: (augenzwinkernd): Die Erlebnisse als Sänger im Knabenchor der Frankfurter Synagoge in den Siebzigern – wie prägend waren die und was ist davon übrig geblieben?
Jossi: Da ich ja eher klein und unscheinbar war und mich höchstens als Klassenclown in Szene setzte, tat es meinem Selbstbewusstsein schon sehr gut im Chor einer der Solisten zu sein. Der Tag meiner Bar-Mitzwah, am 13. Geburtstag, wenn man nach jüdischer Religionssitte zum Mann wird und alleine vor den Mitbetenden den Wochenabschnitt aus der Thora vorträgt bzw. vorsingt, war ein echtes Erfolgserlebnis, vor allem, dass ich mit meinem sanften, melancholischen Knaben-Alt viele Frauen unter den Zuhörern feucht machte – also zumindest ihre Augenwinkeln. Oh Gott (nervöses Augenzwinkern), war das jetzt sexistisch?
Ronni: Ne, es war lustig Joe, alles ok. Mach dir keine Sorgen, ein Sexist wird aus Dir in diesem Leben schon nicht mehr werden. Ja, der Chor war glaub ich sehr sehr prägend für das was wir heute machen. Wir drei Männer, das Gesangstrio der Jewish Monkeys, wir sind ja auch irgendwie ein Mini-Chor, das Gesangstrio, das Markenzeichen der Jewish Monkeys. Und es ist immer wieder eine besondere Herausforderung, jene Spuren, welche die „Chasanut“, auf Deutsch: das kantorale Singen, bei uns hinterlassen haben, mit dem was wir als Kinder und Jugendliche verinnerlichten, eine Verbindung herzustellen zum instrumentellen Sound unserer Band.
Ihr habt schon in jungen Jahren der Stadt am Main den Rücken gekehrt. Blieben da trotz all der neuen Eindrücke, Berlin, New York, bleibende Erinnerungen, welch sind das vor allem und habt ihr Frankfurt damals wahrgenommen und wie seht ihr es heute? Gab es in all den Jahren noch Berührungspunkte zu Frankfurt
Jossi: Bleibende Erinnerungen? Die Wohnung meiner Eltern natürlich, an der Adickesallee gegenüber dem Polizeipräsidium, früher dem PX mit all den Ami-Soldaten und einer Soldaten-Disko, wo jeden Samstag-Nacht Halligalli war. Die Westend-Synagoge mit der dunkelblauen, in optische Unendlichkeit verschwindenden dunkelblauen Kuppel und dem riesengroßen Kronleuchter, der uns eher an ein Spielkasino in Las Vegas denken ließ, als an ein Gotteshaus. Wenn ich neben dem Oberkantor Shlomo Reiss und den anderen Chorsängern auf der Synagogen-Kanzel genau darunter stand, hatte ich immer die Befürchtung, dass dieses Ding abreißen und uns erschlagen würde. Der Holzhausenpark und das traumhafte, mitten im Ententeich gelegene, Holzhausenschlösschen, das ich nie betreten habe. Und gleich gegenüber mein Gymnasium, die Elisabethenschule, die mir irgendwie, wie die meisten Schulgebäude aus der Gründerzeit eine klösterlich-unangenehme Assoziation verursachte. Bis zu meiner Einschulung dort war es eine reine Mädchenschule, so dass ich als allmählich notgeil werdender 10jähriger Fünftklässler mich in jeder Pause von den weiblichen Hinterteilen der älteren Schülerinnen überflutet sah. Wilde Schamanentänze im Cooky’s der 80er, Heinz Felber, einer der Haus-DJs in diesem Laden, der mich, wohl auch wegen seines deftigen Wiener Dialekts, an eine, irgendwie noch gesund gebliebene Egon-Schiele-Figur erinnerte und durch die Musik, mit der er mich in meinen härtesten Zeiten fast allnächtlich auftankte, einer meiner Engel in dieser Zeit war. Afghan- und Marrok-Kaufen auf der Konsti, mein Anti-Depressiva in den 80ern. Der Schriftzug „Dem Wahren, Schönen, Guten“ auf der alten Oper, in der ich auch so gut wie nie war. Und die kleine Allee der Selbstmord-Gräber auf dem neuen jüdischen Friedhof, wenn ich mit meinen Eltern und meinem Bruder alljährlich an den hohen Feiertagen zum Grab meiner Oma ging, und an den von den restlichen Gräbern säuberlich mit Hecke abgetrennten Grabsteinen derjenigen Menschen vorbeilief, die in den Nazi-40ern nur noch im Selbstmord einen Ausweg fanden. Frankfurt ist mir treu geblieben. Ähhh andersrum, ich meinem geschäftlichen Netzwerk dort, dass ich auch ab meinem Weggang 1997 von meinem Tel Aviver Büro aus weiter aufbaute. Mein Vater verstarb 2000, meine Mutter wurde 2007 dement, bis dahin waren wir mit den Kindern jeden Sommer hier, und ich allein alle fünf bis sechs Wochen ein paar Tage, bis heute. Mit Ludwik Kwapinski hab ich 1998 den „Sandwicher“ gegründet. Über die Vermittlung meines Geschäftsfreundes Joerg Weber bin ich vor Jahren beim Biofood-Großhändler „Phönix“ eingestiegen, habe ihm geholfen, seine Frankfurter Büger-AG für Nachhaltigkeit in der Region aufzubauen, und habe durch ihn Sebastian Stier kennen gelernt, den Gründer des Frankfurter Start-Ups „CodeSustainable“, der jetzt mit dem ersten Computer-Game „OutbreakResponder“ auf den Markt kommt, worin der Gamer den Ausbruch einer Malaria-Epidemie in einer ländlichen Gegend Kenias bekämpft. Deutschland ist ein Einwanderungsland und ich liebe es, wie sich das auf Frankfurt niedergeschlagen hat, wie sich die Mentalität weiter entwickelte. Vielleicht idealisiere ich zu sehr, aber in der kleinen Büro-Tower-Zone Mainhattan herrscht, glaube ich, tatsächlich so ein bisschen der Spirit, wie in dem einst von Emigranten durchtränkten Manhatten der 30er. Ich bin stolz auf die jüdischen Unternehmer-Stars meiner Generation, die Frankfurt mit ihren Immobilien-, Hotel- und Gastronomie-Konzepten bereichern, auf Ardi Goldman, auf die Ardinast-Brüder, auf Micky Rosen und Alex Urseanu. 2010 war ich Gast-Sänger beim jährlichen Weihnachtskonzert der Jazz-Band meines Freundes Tobias Rüger Die Schwindler, später ging ich auf das Party-Event der Ardinast-Brüder in den Räumen der alten Diamanten-Börse, wo heute Ardi Goldmans MA steht. Da waren ganz viele 20 Jahre jüngere Frankfurter der zweiten Generation aus der äthiopischen und eritreischen Gemeinde, die mich irgendwie an mich in den 80ern erinnerten, und das war ein starker „Ich bin Zuhause“- Moment.
Ronni: Joe Du quatschst so viel. Warum quatschst Du bloß immer so viel? Bleibende Erinnerungen? Der Grüneburgpark im Sommer, wo wir uns herumtummelten, um gute Frauen kennen zu lernen. Es war eine coole Zeit als Heranreifender. Irgendwann war uns das Gemeindeleben zu provinziell, wir wollten andere Leute kennen lernen. Meine Freunde waren gemischt, Jugos, Perser.
Jossi: Und diese phantastischen deutsch-stämmigen feinen Ladies aus Kronberg und Königstein.
Ronni: Ruhe, Joe. Auch wenn uns Frankfurt manchmal zu klein war, es war ein guter Mini-Schmelztiegel, eine sehr liberale Stadt. Ich bin dankbar mit diesem guten großstädtischen Gefühl aufgewachsen zu sein. Cooky’s war auch gut, auch wenn es für mich vielleicht nicht die religiöse Erfahrung war wie für meinen verrückten Freund, und ich lieber Musik mache, als dazu zu tanzen. Aber das Eckstein hat Jossi ganz vergessen, direkt an der alten Stadtmauer, heute würde man es als Hipster-Cafe Bar bezeichnen. Wenn ich aus Berlin zu Besuch kam, das war unser Ort. Vielleicht schwingt da Nostalgie und die Vertrautheit mit den alten Freuden mit, aber das Eckstein-Gefühl habe ich weder in New York noch woanders wieder gefunden. Am liebsten hätte ich es in meinem Koffer nach Tel Aviv mitgenommen und all die Weirdos, mit denen wir damals abhingen, eingefroren, damit sie nicht mehr älter werden, sondern abends im Eckstein auf uns warten, wenn ich noch mal um die Häuser gehen möchte. Frankfurt ist natürlich Familie und Kindheit, aber ich bin nicht so ein Profi-Exhibitionist bin wie Jossi und habe keinen Bock mich hier mitzuteilen. Und vielleicht doch ein bisschen. Mein Offenbacher Opa Max, gottselig, der wohnt sehr in meinem Herzen. Er war ein lustiger und kluger Jekke, Jekkes, so nannte man die deutschen Juden. Meine Großeltern waren rechtzeitig nach Palästina gegangen, wo meine Mutter groß wurde. Später ertrugen sie nicht mehr die Sommer-Hitze und kamen in den in den 60ern zurück. Das und natürlich wirtschaftliche Gründe bewegten meine Eltern dann ebenso nach Deutschland zu kommen. Wodurch ich in diesen seltsamen ambivalenten „Wir sind Juden und leben ausgerechnet in Deutschland“-Bullshit hineingeriet. Ich komm kaum noch nach Frankfurt, alle 4 Jahre mal, es ist für mich Kindheit und Jugend, aber nicht wie für Jossi immer noch Gegenwart. Und wenn ich mal da bin, dann genieße ich wie ein typischer Israeli-Tourist die Sauberkeit, die Ruhe, das Unchaotische. Und ja, Jossi hat recht, Frankfurt hat sich sehr sehr fein entwickelt.
Nicht unbedingt aus zionistischen Gründen heißt es im Pressetext: welche profanen Gründe waren es dann, die euch beide nach Israel verschlagen hat und muss man es als Schicksal bezeichnen, dass ihr euch dort wieder getroffen habt (oder hattet ihr immer zwischendurch auch Kontakt)?
Jossi: „Nicht unbedingt aus zionistischen Gründen“ steht da, „sondern weil hier eine Oma residiert, ferner die Sonne scheint und eine Mentalität vorherrscht, die auch meine eigene ist.“ Meine Eltern waren alt, meine Schwiegereltern 20 Jahre jünger und fit, und jeder, der kleine Kinder hat, weiß, was das bedeutet. Gemeinsames Schicksals bzw. Freundschaft beruht immer auf Ähnlichkeit. Wir sind Juden, die ausgerechnet in Deutschland groß wurden und uns in der Kindheit darüber kennen gelernt hatten. Wie unsere anderen jüdischen Second-Generation-„Leidensgenossen“, mit denen wir in der Gemeinde groß wurden, haben wir immer die Fremdheit und Distanz gespürt zu den „anderen“; und vielleicht etwas mehr darunter gelitten, weil wir zwei sensible Künstlernaturen sind? Das Leben machte uns zunächst nicht zu Künstlern, sondern mich zum Unternehmer und Ronni zum Veterinär. Wir waren immer eng befreundet und im stetigen Kontakt, und suchten uns dann, vor 17 Jahren in der Mitte unserer Dreißiger, jeder für sich, ganz unideologisch und instinktiv Israel als den Ort aus, der uns am ehesten glücklich machen konnte, wo wir täglich die Mentalität unseres Elternhauses wieder erleben, bzw. uns mehr zu Hause fühlen. Hier wurde Ronni sesshaft und fand die Frau, mit der eine Familie gründet, und dass ich, bereits an meiner israelischen Dame „hängen geblieben“ und zum Vater geworden, die gleiche Entscheidung gefällt hatte, war natürlich ein Grund mehr für ihn, diesen Weg zu gehen.
Ronni: Bravo Joe, Brav. Jetzt hast Du mal ausnahmsweise nicht zu viel gebrabbelt, und sogar noch zufällig den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich hab Deinen Ausführungen nix mehr hinzuzufügen. So war es und so isses und so wird es immer bleiben. Amen
Keine Frage: in Frankfurt wäre ein Sound wie ihn die Jewish Monkeys haben so nicht möglich gewesen (oder doch?). Da ist Tel Aviv, auch wenn es Frankfurts Partnerstadt ist, sicher London, Brüssel, Paris und Barcelona näher was "urbane Folklore" und gewachsene Stilmixes betrifft...
Jossi: Korrekt. Keine Frage. In Frankfurt wär das nicht möglich gewesen, bei allem Respekt vor der Stadt Meyer Amschel Rothschilds. Stimmt es eigentlich, dass der sein erstes großes Geld mit der Vermittlung zwangsrekrutierter hessischer Söldner an das britische Empire machte, mit deren Hilfe die amerikanische Revolution niederschlagen werden sollte. Habe ich neulich auf Wikipedia gesehen. Entschuldigung. Ich bin vom Thema abgekommen. Ich glaube, es ist richtig, wie Du die sehr universell-urbane Tel Aviver Club Culture charakterisierst. Die hat unsere musikalische Entwicklung aber weniger berührt, dafür umso mehr die israelisch-jüdisch-orientalischen Musik-Einflüsse. Ohne die hätte es die Jewish Monkeys nie gegeben. Zwei brave, deutsche, verschrobene, verkappte Erstmal-Nicht-Künstler wie Ronni und ich, wir wurden erst durch unseren dritten Sänger Gael Zajdner inspiriert. Sein überbordendes Talent für Gesang, Bewegung und Komik, bzw. sein, ihn bis dahin quälendes Unvermögen diese Fähigkeiten in einem ihm gemäßen Kontext einzusetzen, weil er u.a. noch viel mehr Second-Generation-Opfer ist als Ronni und ich, ohne ihn wäre es niemals dazu gekommen. Und auch nicht ohne den Komponisten und Arrangeur Ran Bagno, der vor allem dem Theater verbunden ist und deswegen so sensibel war, in den Ideen unseres Dreier-Gespanns das Geniale zu sehen und ihm den entsprechenden musikalisch-theatralisch professionellen Rahmen zu geben. Ja es gibt in New York, London und Paris echt viele Juden - wow, gibt es da viele Juden - noch mehr als in Deutschland vor dem Krieg. Aber ob wir dort die Musiker gefunden hätten, die unseren modernen jüdisch-jiddisch-ostjüdischen-ashkenasisch-orientalisch-klesmatischen Sound hätten erschaffen können?? Bezweifle ich, meiner Ansicht nach sind die Jewish Monkeys ganz und gar ein Tel Aviver Produkt. Dass nur entstehen konnte rund um das krankhaft-triebhafte, der ewigen Gesundung entgegenstrebende Element von uns zwei Frankfurter jüdischen Palästina-Emigranten. Schön gesagt, oder? Hört, hört!
Ronni: Himmel Herrgott, Joe, was hast Du heute morgen eingetickt? Könntest Du bitte diese infantile „schön gesagt“ und „hört, hört“ sofort wieder streichen. Das ist ja oberpeinlich. Aber um das Ganze abzurunden. Wären wir in Deutschland geblieben, hätte es niemals die Jewish Monkeys gegeben, aber ohne uns zwei deutsche Juden aus der polnisch-deutschen-rumänischen Diaspora hätte es diese Band niemals in Israel gegeben. Mit modernen jüdischen Englisch- und insbesondere Jiddisch-sprachigen Rock haben die Israelis ein Problem, vor allem in der Vergangenheit. Es war irgendwie unzionistisch und erinnerte schmerzhaft an die Kultur, die wehrlos und schwach den Mördern zum Opfer fiel.
Roots & Sprouts ihre spielt auf Klezmer und Akkordeon-Festvials: wie wichtig sind die „Wurzeln“ (und vor allem welche sind das und wie geht man damit um, Beispiel: Hava Nagila auf dem Banana Boat?), wie verzichtbar sind sie gleichzeitig?
Jossi: Die Wurzeln, das sind Klezmer, jiddischer Gesang und jüdischer Humor, das ist das lamentierende und klagende Kantorale aus der Synagoge, der gleichermaßen stolz, demütig und leidenschaftlich um Vergebung, Hilfe und göttlichen Beistand bittende Gesang. Ok? Sagen wir mal, das sind etwa 30 Prozent unserer Wurzeln. Die restlichen 70 Prozent sind selbstverständlich der ganz normale und abnormale Rock und Pop und Folk unserer Generation, der darauf ist, all das Krankmachende aus alten Zeiten wegzumachen, zu heilen. Harry Belafante hat aus einem jamaikanischen Volkslied sein weltberühmtes „Banana Boat“ gemacht und das haben wir mit ,Hava Nagila’ vermischt, woraus ein urkomisches Video geworden ist, amüsanter satirischer Shit. Zwei als ultra-orthodoxe Juden streiten sich mit einem Karnevals-Araber um das Heilige Land, wobei dann der für politisch korrekte Juden und Anti-Juden der gleichermaßen schwer verdauliche Satz fällt: „They killed us in Europe, we need real estate“. Shit sage ich mit Bedacht, weil wir musikalisch gar nicht mehr zu diesem Song stehen, der unser allererster war, und ihn auch heute nicht mehr aufführen. Und in der Hoffnung, Deine ungewöhnliche und besondere Frage nicht missverstanden zu haben: Wenn man eine Musik macht, die sich unwillkürlich keinerlei kommerziellen Zwängen hingibt, sondern ganz dem, was unsere Seele wirklich will, dann ist eben das Zurückgreifen auf eben diese Wurzeln so unverzichtbar wie das pure, bloße...Atmen?
Ronni: Der gute alte Brabbel-Joe hat uns wieder wortgewaltig das wichtigste mitgeteilt, aber das Allerwichtigste vergessen. Unsere Band? Hello?! Die Jungs, die aus einem Jahre lang daniederliegenden Projekt seit Anfang 2013 ein super-geiles Ensemble gemacht haben? Die unseren Sound machen. Roots and Sprouts. Unser E-Gitarrist Haim Vitali Cohen. Seine Familie kommt aus Tunis, insofern ist es nicht falsch zu behaupten, dass nordafrikanisch-jüdische Einflüsse in unseren Sound wieder zu finden sind. Der Bassist Yoli Baum hat in New York u.a. bei Klezmer-Bands sein Handwerk gelernt, Arnon de Bouttons Familie ist aus Griechenland, erinnert uns seine Posaune deshalb an den Balkan? Unser ziegenbärtiger Soul- und Jazz-Trommler Henry Vered, the Rose, so nennen wir ihn, weil Rose auf Hebräisch Vered heißt und Ran Bagnos Theater-Akkordeon, das ist die Alchemie des Jewish-Monkeys-Sound. Jüdische Musik, die nicht veraltet ist, sondern innovativer Rock, eine Fusion aus dem was war und der Moderne.
Jossi: Ich sage immer: So hätte jüdischer Rock-Pop geklungen, hätte der Holocaust nicht stattgefunden.
Ronni: Oh Gott, Joe. Du bist unbeschreiblich.
Politik, ja, wenn wir dabei auch von Party Politics reden, richtig? Jewish Monkeys ohne Spaß und ein wenig (jüdischen) Humor, undenkbar...
Jossi: Korrekt. Der politisch unkorrekte, satirische Name der Band ist Programm. Satire ist immer subversiv und am Ende politisch. Ich bin ein politischer Mensch. Mit meinem Team in Berlin arbeiten wir gerade in diesen Wochen am Relaunch unserer News-Website „FAIRPLANET“, und ich leide immer noch an der megalomanen Vision, dass FAIRPLANET in den nächsten Jahren zu DER globalen News-Marke werden wird. Seit Jahren schreib ich an meiner utopisch-satirischen Welterrettungs-Utopie „Wie der deutsche Jude Siggi Morgensonne die Menschheit korrigierte“. Ich krieg´s einfach nicht fertig, weil ich unfokussiert bin und dazu neige mich in zu viele Projekte zu verzetteln. Der Wunsch, die Welt zu verbessern, oder wie es in der Kabbala heißt, Tikkun, zu Deutsch Korrektur auszuüben, liegt mir im Blut. Und die satirische Power der Jewish Monkeys gehört für mich dazu. Mein Kumpel-Kompagnon Doktor Boiko behauptet allen Ernstes, die Jewish Monkeys seien unpolitisches, hat mir sogar verboten auf unserer facebook-Seite politische Kommentare abzulassen. Ich war immer nur der Einheizer und Antreiber dieses Projekts, vielleicht sogar dessen Leader, er aber ist der Boss, das kreative Mastermind, der Singer/Songwriter dieser Band. Deswegen Ronni, frage ich Dich hier, in der provinziell-hessisch-frankfurterischen Öffentlichkeit des Journal Frankfurts: Hast Du Dir jemals überlegt, warum Du die grausam-zynisch-ironisch-lustigen Lieder der Jewish Monkeys schreibst, mit denen Du Anpasser und Kleinbürger in die Flucht schlägst? Etwa weil party-politics no politics ist?
Ronni: Wenn das Deiner Meinung nach politisch ist, dann soll es so sein, mein teurer Obama-Joe. Politik, das ist langwieriger Nah-Ost-Friedensprozess, unnötige Kongresse und korrupter oberflächlicher Wahlkampf.
Jossi: Oder die Machtergreifung Hitlers oder Putins.
Ronni: Unterbrich mich nicht, Joe. Dein Utopismus in allen Ehren, wenn Du davon träumst eine ungerechte Welt in einen fairplanet umwandeln, in allen Ehren, damit hast Du bisher noch nicht allzu viel bewegt, aber alleine, dass Du es versuchst, dafür lieben wir Dich ja alle, insbesondere diejenigen, die Du in Berlin für fairplanet beschäftigst. Das hat aber nix und wieder nix mit den Jewish Monkeys zu tun.
Jossi: Und was mit Deiner Cover-Version von „Caravan Petrol“, wenn drei Loser, die Solar-Energie propagieren, der Zivilisation den Rücken kehren, in die Wüste gehen und sich dort in die Tochter des Öl-Scheichs und seinen Reichtum vergucken? Und Deinen Song „So nice“, wenn von Missständen wie Kindesbelästigung, Terror und Überernährung die Rede ist, und dann immer der sarkastische Refrain kommt: „Everything´s so nice, oy, it´s just so nice, isn´t it paradise, some people eat just rice“
Ronni: Das ist keine Politik, Joe, sondern Gesellschaftskritik. Zwei sehr unterschiedliche Begriffe. Hello?!? Kopfnuss, anybody at home? Wo hast Du Dein Psychologie-Diplom her? Nicht von der Johann Wolfgang Goethe Uni, sondern im Lotto gewonnen? Wenn sich jemand in „Meat, heat, beautiful feet“ über seine Frustration und Langeweile beim Wochenend-Garden-Barbecue mit den Freunden auskotzt, ist das Politik? Unsere „Banana Boat“-Version war in der Tat politisch, aber der Coversong wie wir ihn produziert haben ist irgendwie infantil, das waren unsere Geburtswehen. love und peace für alle. So verzettelt Du bist, Du bist ein einziger Mensch mit zu vielen Aktivitäten und würdest gerne alles miteinander unter einen Hut kriegen. Was wir machen, ist keine Politik, sondern Entertainment, pures Entertainment. Bleib auf dem Teppich, Joe.
Jossi: Da ich ja eher klein und unscheinbar war und mich höchstens als Klassenclown in Szene setzte, tat es meinem Selbstbewusstsein schon sehr gut im Chor einer der Solisten zu sein. Der Tag meiner Bar-Mitzwah, am 13. Geburtstag, wenn man nach jüdischer Religionssitte zum Mann wird und alleine vor den Mitbetenden den Wochenabschnitt aus der Thora vorträgt bzw. vorsingt, war ein echtes Erfolgserlebnis, vor allem, dass ich mit meinem sanften, melancholischen Knaben-Alt viele Frauen unter den Zuhörern feucht machte – also zumindest ihre Augenwinkeln. Oh Gott (nervöses Augenzwinkern), war das jetzt sexistisch?
Ronni: Ne, es war lustig Joe, alles ok. Mach dir keine Sorgen, ein Sexist wird aus Dir in diesem Leben schon nicht mehr werden. Ja, der Chor war glaub ich sehr sehr prägend für das was wir heute machen. Wir drei Männer, das Gesangstrio der Jewish Monkeys, wir sind ja auch irgendwie ein Mini-Chor, das Gesangstrio, das Markenzeichen der Jewish Monkeys. Und es ist immer wieder eine besondere Herausforderung, jene Spuren, welche die „Chasanut“, auf Deutsch: das kantorale Singen, bei uns hinterlassen haben, mit dem was wir als Kinder und Jugendliche verinnerlichten, eine Verbindung herzustellen zum instrumentellen Sound unserer Band.
Ihr habt schon in jungen Jahren der Stadt am Main den Rücken gekehrt. Blieben da trotz all der neuen Eindrücke, Berlin, New York, bleibende Erinnerungen, welch sind das vor allem und habt ihr Frankfurt damals wahrgenommen und wie seht ihr es heute? Gab es in all den Jahren noch Berührungspunkte zu Frankfurt
Jossi: Bleibende Erinnerungen? Die Wohnung meiner Eltern natürlich, an der Adickesallee gegenüber dem Polizeipräsidium, früher dem PX mit all den Ami-Soldaten und einer Soldaten-Disko, wo jeden Samstag-Nacht Halligalli war. Die Westend-Synagoge mit der dunkelblauen, in optische Unendlichkeit verschwindenden dunkelblauen Kuppel und dem riesengroßen Kronleuchter, der uns eher an ein Spielkasino in Las Vegas denken ließ, als an ein Gotteshaus. Wenn ich neben dem Oberkantor Shlomo Reiss und den anderen Chorsängern auf der Synagogen-Kanzel genau darunter stand, hatte ich immer die Befürchtung, dass dieses Ding abreißen und uns erschlagen würde. Der Holzhausenpark und das traumhafte, mitten im Ententeich gelegene, Holzhausenschlösschen, das ich nie betreten habe. Und gleich gegenüber mein Gymnasium, die Elisabethenschule, die mir irgendwie, wie die meisten Schulgebäude aus der Gründerzeit eine klösterlich-unangenehme Assoziation verursachte. Bis zu meiner Einschulung dort war es eine reine Mädchenschule, so dass ich als allmählich notgeil werdender 10jähriger Fünftklässler mich in jeder Pause von den weiblichen Hinterteilen der älteren Schülerinnen überflutet sah. Wilde Schamanentänze im Cooky’s der 80er, Heinz Felber, einer der Haus-DJs in diesem Laden, der mich, wohl auch wegen seines deftigen Wiener Dialekts, an eine, irgendwie noch gesund gebliebene Egon-Schiele-Figur erinnerte und durch die Musik, mit der er mich in meinen härtesten Zeiten fast allnächtlich auftankte, einer meiner Engel in dieser Zeit war. Afghan- und Marrok-Kaufen auf der Konsti, mein Anti-Depressiva in den 80ern. Der Schriftzug „Dem Wahren, Schönen, Guten“ auf der alten Oper, in der ich auch so gut wie nie war. Und die kleine Allee der Selbstmord-Gräber auf dem neuen jüdischen Friedhof, wenn ich mit meinen Eltern und meinem Bruder alljährlich an den hohen Feiertagen zum Grab meiner Oma ging, und an den von den restlichen Gräbern säuberlich mit Hecke abgetrennten Grabsteinen derjenigen Menschen vorbeilief, die in den Nazi-40ern nur noch im Selbstmord einen Ausweg fanden. Frankfurt ist mir treu geblieben. Ähhh andersrum, ich meinem geschäftlichen Netzwerk dort, dass ich auch ab meinem Weggang 1997 von meinem Tel Aviver Büro aus weiter aufbaute. Mein Vater verstarb 2000, meine Mutter wurde 2007 dement, bis dahin waren wir mit den Kindern jeden Sommer hier, und ich allein alle fünf bis sechs Wochen ein paar Tage, bis heute. Mit Ludwik Kwapinski hab ich 1998 den „Sandwicher“ gegründet. Über die Vermittlung meines Geschäftsfreundes Joerg Weber bin ich vor Jahren beim Biofood-Großhändler „Phönix“ eingestiegen, habe ihm geholfen, seine Frankfurter Büger-AG für Nachhaltigkeit in der Region aufzubauen, und habe durch ihn Sebastian Stier kennen gelernt, den Gründer des Frankfurter Start-Ups „CodeSustainable“, der jetzt mit dem ersten Computer-Game „OutbreakResponder“ auf den Markt kommt, worin der Gamer den Ausbruch einer Malaria-Epidemie in einer ländlichen Gegend Kenias bekämpft. Deutschland ist ein Einwanderungsland und ich liebe es, wie sich das auf Frankfurt niedergeschlagen hat, wie sich die Mentalität weiter entwickelte. Vielleicht idealisiere ich zu sehr, aber in der kleinen Büro-Tower-Zone Mainhattan herrscht, glaube ich, tatsächlich so ein bisschen der Spirit, wie in dem einst von Emigranten durchtränkten Manhatten der 30er. Ich bin stolz auf die jüdischen Unternehmer-Stars meiner Generation, die Frankfurt mit ihren Immobilien-, Hotel- und Gastronomie-Konzepten bereichern, auf Ardi Goldman, auf die Ardinast-Brüder, auf Micky Rosen und Alex Urseanu. 2010 war ich Gast-Sänger beim jährlichen Weihnachtskonzert der Jazz-Band meines Freundes Tobias Rüger Die Schwindler, später ging ich auf das Party-Event der Ardinast-Brüder in den Räumen der alten Diamanten-Börse, wo heute Ardi Goldmans MA steht. Da waren ganz viele 20 Jahre jüngere Frankfurter der zweiten Generation aus der äthiopischen und eritreischen Gemeinde, die mich irgendwie an mich in den 80ern erinnerten, und das war ein starker „Ich bin Zuhause“- Moment.
Ronni: Joe Du quatschst so viel. Warum quatschst Du bloß immer so viel? Bleibende Erinnerungen? Der Grüneburgpark im Sommer, wo wir uns herumtummelten, um gute Frauen kennen zu lernen. Es war eine coole Zeit als Heranreifender. Irgendwann war uns das Gemeindeleben zu provinziell, wir wollten andere Leute kennen lernen. Meine Freunde waren gemischt, Jugos, Perser.
Jossi: Und diese phantastischen deutsch-stämmigen feinen Ladies aus Kronberg und Königstein.
Ronni: Ruhe, Joe. Auch wenn uns Frankfurt manchmal zu klein war, es war ein guter Mini-Schmelztiegel, eine sehr liberale Stadt. Ich bin dankbar mit diesem guten großstädtischen Gefühl aufgewachsen zu sein. Cooky’s war auch gut, auch wenn es für mich vielleicht nicht die religiöse Erfahrung war wie für meinen verrückten Freund, und ich lieber Musik mache, als dazu zu tanzen. Aber das Eckstein hat Jossi ganz vergessen, direkt an der alten Stadtmauer, heute würde man es als Hipster-Cafe Bar bezeichnen. Wenn ich aus Berlin zu Besuch kam, das war unser Ort. Vielleicht schwingt da Nostalgie und die Vertrautheit mit den alten Freuden mit, aber das Eckstein-Gefühl habe ich weder in New York noch woanders wieder gefunden. Am liebsten hätte ich es in meinem Koffer nach Tel Aviv mitgenommen und all die Weirdos, mit denen wir damals abhingen, eingefroren, damit sie nicht mehr älter werden, sondern abends im Eckstein auf uns warten, wenn ich noch mal um die Häuser gehen möchte. Frankfurt ist natürlich Familie und Kindheit, aber ich bin nicht so ein Profi-Exhibitionist bin wie Jossi und habe keinen Bock mich hier mitzuteilen. Und vielleicht doch ein bisschen. Mein Offenbacher Opa Max, gottselig, der wohnt sehr in meinem Herzen. Er war ein lustiger und kluger Jekke, Jekkes, so nannte man die deutschen Juden. Meine Großeltern waren rechtzeitig nach Palästina gegangen, wo meine Mutter groß wurde. Später ertrugen sie nicht mehr die Sommer-Hitze und kamen in den in den 60ern zurück. Das und natürlich wirtschaftliche Gründe bewegten meine Eltern dann ebenso nach Deutschland zu kommen. Wodurch ich in diesen seltsamen ambivalenten „Wir sind Juden und leben ausgerechnet in Deutschland“-Bullshit hineingeriet. Ich komm kaum noch nach Frankfurt, alle 4 Jahre mal, es ist für mich Kindheit und Jugend, aber nicht wie für Jossi immer noch Gegenwart. Und wenn ich mal da bin, dann genieße ich wie ein typischer Israeli-Tourist die Sauberkeit, die Ruhe, das Unchaotische. Und ja, Jossi hat recht, Frankfurt hat sich sehr sehr fein entwickelt.
Nicht unbedingt aus zionistischen Gründen heißt es im Pressetext: welche profanen Gründe waren es dann, die euch beide nach Israel verschlagen hat und muss man es als Schicksal bezeichnen, dass ihr euch dort wieder getroffen habt (oder hattet ihr immer zwischendurch auch Kontakt)?
Jossi: „Nicht unbedingt aus zionistischen Gründen“ steht da, „sondern weil hier eine Oma residiert, ferner die Sonne scheint und eine Mentalität vorherrscht, die auch meine eigene ist.“ Meine Eltern waren alt, meine Schwiegereltern 20 Jahre jünger und fit, und jeder, der kleine Kinder hat, weiß, was das bedeutet. Gemeinsames Schicksals bzw. Freundschaft beruht immer auf Ähnlichkeit. Wir sind Juden, die ausgerechnet in Deutschland groß wurden und uns in der Kindheit darüber kennen gelernt hatten. Wie unsere anderen jüdischen Second-Generation-„Leidensgenossen“, mit denen wir in der Gemeinde groß wurden, haben wir immer die Fremdheit und Distanz gespürt zu den „anderen“; und vielleicht etwas mehr darunter gelitten, weil wir zwei sensible Künstlernaturen sind? Das Leben machte uns zunächst nicht zu Künstlern, sondern mich zum Unternehmer und Ronni zum Veterinär. Wir waren immer eng befreundet und im stetigen Kontakt, und suchten uns dann, vor 17 Jahren in der Mitte unserer Dreißiger, jeder für sich, ganz unideologisch und instinktiv Israel als den Ort aus, der uns am ehesten glücklich machen konnte, wo wir täglich die Mentalität unseres Elternhauses wieder erleben, bzw. uns mehr zu Hause fühlen. Hier wurde Ronni sesshaft und fand die Frau, mit der eine Familie gründet, und dass ich, bereits an meiner israelischen Dame „hängen geblieben“ und zum Vater geworden, die gleiche Entscheidung gefällt hatte, war natürlich ein Grund mehr für ihn, diesen Weg zu gehen.
Ronni: Bravo Joe, Brav. Jetzt hast Du mal ausnahmsweise nicht zu viel gebrabbelt, und sogar noch zufällig den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich hab Deinen Ausführungen nix mehr hinzuzufügen. So war es und so isses und so wird es immer bleiben. Amen
Keine Frage: in Frankfurt wäre ein Sound wie ihn die Jewish Monkeys haben so nicht möglich gewesen (oder doch?). Da ist Tel Aviv, auch wenn es Frankfurts Partnerstadt ist, sicher London, Brüssel, Paris und Barcelona näher was "urbane Folklore" und gewachsene Stilmixes betrifft...
Jossi: Korrekt. Keine Frage. In Frankfurt wär das nicht möglich gewesen, bei allem Respekt vor der Stadt Meyer Amschel Rothschilds. Stimmt es eigentlich, dass der sein erstes großes Geld mit der Vermittlung zwangsrekrutierter hessischer Söldner an das britische Empire machte, mit deren Hilfe die amerikanische Revolution niederschlagen werden sollte. Habe ich neulich auf Wikipedia gesehen. Entschuldigung. Ich bin vom Thema abgekommen. Ich glaube, es ist richtig, wie Du die sehr universell-urbane Tel Aviver Club Culture charakterisierst. Die hat unsere musikalische Entwicklung aber weniger berührt, dafür umso mehr die israelisch-jüdisch-orientalischen Musik-Einflüsse. Ohne die hätte es die Jewish Monkeys nie gegeben. Zwei brave, deutsche, verschrobene, verkappte Erstmal-Nicht-Künstler wie Ronni und ich, wir wurden erst durch unseren dritten Sänger Gael Zajdner inspiriert. Sein überbordendes Talent für Gesang, Bewegung und Komik, bzw. sein, ihn bis dahin quälendes Unvermögen diese Fähigkeiten in einem ihm gemäßen Kontext einzusetzen, weil er u.a. noch viel mehr Second-Generation-Opfer ist als Ronni und ich, ohne ihn wäre es niemals dazu gekommen. Und auch nicht ohne den Komponisten und Arrangeur Ran Bagno, der vor allem dem Theater verbunden ist und deswegen so sensibel war, in den Ideen unseres Dreier-Gespanns das Geniale zu sehen und ihm den entsprechenden musikalisch-theatralisch professionellen Rahmen zu geben. Ja es gibt in New York, London und Paris echt viele Juden - wow, gibt es da viele Juden - noch mehr als in Deutschland vor dem Krieg. Aber ob wir dort die Musiker gefunden hätten, die unseren modernen jüdisch-jiddisch-ostjüdischen-ashkenasisch-orientalisch-klesmatischen Sound hätten erschaffen können?? Bezweifle ich, meiner Ansicht nach sind die Jewish Monkeys ganz und gar ein Tel Aviver Produkt. Dass nur entstehen konnte rund um das krankhaft-triebhafte, der ewigen Gesundung entgegenstrebende Element von uns zwei Frankfurter jüdischen Palästina-Emigranten. Schön gesagt, oder? Hört, hört!
Ronni: Himmel Herrgott, Joe, was hast Du heute morgen eingetickt? Könntest Du bitte diese infantile „schön gesagt“ und „hört, hört“ sofort wieder streichen. Das ist ja oberpeinlich. Aber um das Ganze abzurunden. Wären wir in Deutschland geblieben, hätte es niemals die Jewish Monkeys gegeben, aber ohne uns zwei deutsche Juden aus der polnisch-deutschen-rumänischen Diaspora hätte es diese Band niemals in Israel gegeben. Mit modernen jüdischen Englisch- und insbesondere Jiddisch-sprachigen Rock haben die Israelis ein Problem, vor allem in der Vergangenheit. Es war irgendwie unzionistisch und erinnerte schmerzhaft an die Kultur, die wehrlos und schwach den Mördern zum Opfer fiel.
Roots & Sprouts ihre spielt auf Klezmer und Akkordeon-Festvials: wie wichtig sind die „Wurzeln“ (und vor allem welche sind das und wie geht man damit um, Beispiel: Hava Nagila auf dem Banana Boat?), wie verzichtbar sind sie gleichzeitig?
Jossi: Die Wurzeln, das sind Klezmer, jiddischer Gesang und jüdischer Humor, das ist das lamentierende und klagende Kantorale aus der Synagoge, der gleichermaßen stolz, demütig und leidenschaftlich um Vergebung, Hilfe und göttlichen Beistand bittende Gesang. Ok? Sagen wir mal, das sind etwa 30 Prozent unserer Wurzeln. Die restlichen 70 Prozent sind selbstverständlich der ganz normale und abnormale Rock und Pop und Folk unserer Generation, der darauf ist, all das Krankmachende aus alten Zeiten wegzumachen, zu heilen. Harry Belafante hat aus einem jamaikanischen Volkslied sein weltberühmtes „Banana Boat“ gemacht und das haben wir mit ,Hava Nagila’ vermischt, woraus ein urkomisches Video geworden ist, amüsanter satirischer Shit. Zwei als ultra-orthodoxe Juden streiten sich mit einem Karnevals-Araber um das Heilige Land, wobei dann der für politisch korrekte Juden und Anti-Juden der gleichermaßen schwer verdauliche Satz fällt: „They killed us in Europe, we need real estate“. Shit sage ich mit Bedacht, weil wir musikalisch gar nicht mehr zu diesem Song stehen, der unser allererster war, und ihn auch heute nicht mehr aufführen. Und in der Hoffnung, Deine ungewöhnliche und besondere Frage nicht missverstanden zu haben: Wenn man eine Musik macht, die sich unwillkürlich keinerlei kommerziellen Zwängen hingibt, sondern ganz dem, was unsere Seele wirklich will, dann ist eben das Zurückgreifen auf eben diese Wurzeln so unverzichtbar wie das pure, bloße...Atmen?
Ronni: Der gute alte Brabbel-Joe hat uns wieder wortgewaltig das wichtigste mitgeteilt, aber das Allerwichtigste vergessen. Unsere Band? Hello?! Die Jungs, die aus einem Jahre lang daniederliegenden Projekt seit Anfang 2013 ein super-geiles Ensemble gemacht haben? Die unseren Sound machen. Roots and Sprouts. Unser E-Gitarrist Haim Vitali Cohen. Seine Familie kommt aus Tunis, insofern ist es nicht falsch zu behaupten, dass nordafrikanisch-jüdische Einflüsse in unseren Sound wieder zu finden sind. Der Bassist Yoli Baum hat in New York u.a. bei Klezmer-Bands sein Handwerk gelernt, Arnon de Bouttons Familie ist aus Griechenland, erinnert uns seine Posaune deshalb an den Balkan? Unser ziegenbärtiger Soul- und Jazz-Trommler Henry Vered, the Rose, so nennen wir ihn, weil Rose auf Hebräisch Vered heißt und Ran Bagnos Theater-Akkordeon, das ist die Alchemie des Jewish-Monkeys-Sound. Jüdische Musik, die nicht veraltet ist, sondern innovativer Rock, eine Fusion aus dem was war und der Moderne.
Jossi: Ich sage immer: So hätte jüdischer Rock-Pop geklungen, hätte der Holocaust nicht stattgefunden.
Ronni: Oh Gott, Joe. Du bist unbeschreiblich.
Politik, ja, wenn wir dabei auch von Party Politics reden, richtig? Jewish Monkeys ohne Spaß und ein wenig (jüdischen) Humor, undenkbar...
Jossi: Korrekt. Der politisch unkorrekte, satirische Name der Band ist Programm. Satire ist immer subversiv und am Ende politisch. Ich bin ein politischer Mensch. Mit meinem Team in Berlin arbeiten wir gerade in diesen Wochen am Relaunch unserer News-Website „FAIRPLANET“, und ich leide immer noch an der megalomanen Vision, dass FAIRPLANET in den nächsten Jahren zu DER globalen News-Marke werden wird. Seit Jahren schreib ich an meiner utopisch-satirischen Welterrettungs-Utopie „Wie der deutsche Jude Siggi Morgensonne die Menschheit korrigierte“. Ich krieg´s einfach nicht fertig, weil ich unfokussiert bin und dazu neige mich in zu viele Projekte zu verzetteln. Der Wunsch, die Welt zu verbessern, oder wie es in der Kabbala heißt, Tikkun, zu Deutsch Korrektur auszuüben, liegt mir im Blut. Und die satirische Power der Jewish Monkeys gehört für mich dazu. Mein Kumpel-Kompagnon Doktor Boiko behauptet allen Ernstes, die Jewish Monkeys seien unpolitisches, hat mir sogar verboten auf unserer facebook-Seite politische Kommentare abzulassen. Ich war immer nur der Einheizer und Antreiber dieses Projekts, vielleicht sogar dessen Leader, er aber ist der Boss, das kreative Mastermind, der Singer/Songwriter dieser Band. Deswegen Ronni, frage ich Dich hier, in der provinziell-hessisch-frankfurterischen Öffentlichkeit des Journal Frankfurts: Hast Du Dir jemals überlegt, warum Du die grausam-zynisch-ironisch-lustigen Lieder der Jewish Monkeys schreibst, mit denen Du Anpasser und Kleinbürger in die Flucht schlägst? Etwa weil party-politics no politics ist?
Ronni: Wenn das Deiner Meinung nach politisch ist, dann soll es so sein, mein teurer Obama-Joe. Politik, das ist langwieriger Nah-Ost-Friedensprozess, unnötige Kongresse und korrupter oberflächlicher Wahlkampf.
Jossi: Oder die Machtergreifung Hitlers oder Putins.
Ronni: Unterbrich mich nicht, Joe. Dein Utopismus in allen Ehren, wenn Du davon träumst eine ungerechte Welt in einen fairplanet umwandeln, in allen Ehren, damit hast Du bisher noch nicht allzu viel bewegt, aber alleine, dass Du es versuchst, dafür lieben wir Dich ja alle, insbesondere diejenigen, die Du in Berlin für fairplanet beschäftigst. Das hat aber nix und wieder nix mit den Jewish Monkeys zu tun.
Jossi: Und was mit Deiner Cover-Version von „Caravan Petrol“, wenn drei Loser, die Solar-Energie propagieren, der Zivilisation den Rücken kehren, in die Wüste gehen und sich dort in die Tochter des Öl-Scheichs und seinen Reichtum vergucken? Und Deinen Song „So nice“, wenn von Missständen wie Kindesbelästigung, Terror und Überernährung die Rede ist, und dann immer der sarkastische Refrain kommt: „Everything´s so nice, oy, it´s just so nice, isn´t it paradise, some people eat just rice“
Ronni: Das ist keine Politik, Joe, sondern Gesellschaftskritik. Zwei sehr unterschiedliche Begriffe. Hello?!? Kopfnuss, anybody at home? Wo hast Du Dein Psychologie-Diplom her? Nicht von der Johann Wolfgang Goethe Uni, sondern im Lotto gewonnen? Wenn sich jemand in „Meat, heat, beautiful feet“ über seine Frustration und Langeweile beim Wochenend-Garden-Barbecue mit den Freunden auskotzt, ist das Politik? Unsere „Banana Boat“-Version war in der Tat politisch, aber der Coversong wie wir ihn produziert haben ist irgendwie infantil, das waren unsere Geburtswehen. love und peace für alle. So verzettelt Du bist, Du bist ein einziger Mensch mit zu vielen Aktivitäten und würdest gerne alles miteinander unter einen Hut kriegen. Was wir machen, ist keine Politik, sondern Entertainment, pures Entertainment. Bleib auf dem Teppich, Joe.
9. März 2014, 00.38 Uhr
Detlef Kinsler
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