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Stage Bottles
„Tatsächlich dachte ich in einer Midlife-Crisis, dass die Zeit vorbei ist“
30 Jahre Punkrock von den Stage Bottles. Das JOURNAL hat mit dem Sänger Olaf Rüger über Musik, Politik und die Frankfurter Eintracht gesprochen.
Olaf, die Stage Bottles feiern 2023 ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum. Was hat sich für euch aus der Perspektive der Musiker in den letzten 30 Jahren verändert?
Fangen wir von vorne an. Wir mussten uns noch über Festnetz zur Proben verabreden, meine Texte habe ich teilweise zunächst noch mit der Hand geschrieben. Wir konnten ohne riesigen Aufwand keine brauchbaren Aufnahmen im Proberaum machen, sodass wir uns immer erst wieder daran erinnern mussten, was bei der letzten Probe wichtiges entwickelt worden war. Gleiches gilt für das rechtzeitige Erreichen von Konzertorten. Im hintersten Winkel irgendwo in der Pampa fanden Konzerte statt, auch im Ausland, aber wir kamen irgendwie immer an, auch ohne Navigationssystem. Verrückt.
Erzähl mal von Eurem ersten Album
Unser erstes Album wurde noch analog, also auf Tonband aufgenommen. Wir mussten quasi alles durchspielen, keine Aufnahme konnte gestückelt werden. Einmal wurde aus Versehen etwas gelöscht, nachdem wir fertig aufgenommen hatten. Heute wird alles doppelt und dreifach abgespeichert, damals gab es eben nur dieses Tonband. Heute werden uns alle Versionen nach dem Studio während des Mixens immer wieder digital zugeschickt, und alle können miteinander in Chats darüber kommunizieren.
Entsprechend ist vieles einfacher geworden, alleine durch das Internet: Um irgendwo ein Video zu platzieren, braucht man kein Viva oder MTV mehr.
Stage Bottles: 30 Jahre Punkrock
Also hat sich auch die Punkszene professionalisiert?
Klar, und das meine ich jetzt im positiven Sinne. Die Qualität der Konzertorganisation ist viel besser geworden, vor allem, weil die „Szene“ innerhalb der letzten 30 Jahre nach dem Beinahe-Aussterben in den 80ern in den letzten 30 Jahren wieder sehr angewachsen ist. Auch eine Rolle spielt, dass das Fliegen früher viel teurer war, heute können wir auch mal ganz weit weg spielen.
Wie sieht es mit euren Anhängern aus – sind die mitgealtert oder greift ihr auch bei den jungen?
Wir greifen neben den „alten“, uns seit Jahrzehnten treuen Leuten, zum Glück auch bei den jungen Leuten. Ich glaube, dass meine Generation um die 50 Jahre in einer sehr vorteilhaften Zeit lebt: Als ich jung war, waren Menschen in meinem Alter gefühlt viel älter. Da war es kaum vorstellbar, dass diese Menschen auf der Bühne noch cool rüberkommen. Gefühlt gab es damals höchstens ein paar abgehalfterte Rock’n’Roll-Sternchen, die in meiner Erinnerung so aussahen, als würden sie mit ihren fettigen Haaren vom nächstgelegenen Wasserhäuschen direkt auf die Bühne gehen. Sonst aber gab es noch keine älteren Punkrock-Musiker*innen, bzw. Rock-Musiker*innen
allgemein.
Stage Bottles singen nicht von der „guten alten Zeit“
Woran liegt das?
Rockmusik und Punkmusik existiert viel länger, und einige Bands machen trotz langer Existenz seit Jahrzehnten energievolle Musik – und auch an die Gegenwart gekoppelte Texte. Der heutigen jüngeren Generation erscheint es daher als ganz normal, wenn sogar Leute mit Mitte Sechzig noch auf der Bühne stehen, auch in einem rebellischen Genre wie dem Punkrock. Ich habe mitbekommen, dass 20-Jährige gerade Rock aus den Achtzigern angesagt finden.
Natürlich ist die Subkultur auch anders gestrickt, was den Zugang zur jüngeren Generation, die sich des Einflusses älterer Bands auf die Gegenwart bewusst ist, erleichtert. Aber allgemein gilt, glaube ich, dass es auch an dir selbst liegt, wie du auf jüngere Leute wirkst.
Und die Stage Bottles?
Stage Bottles singen nicht von der „guten alten Zeit“, die aber irgendwie leider vorbei ist, Stage Bottles tun nicht so, als wären sie noch Achtzehn, sondern Stage Bottles leben im Hier und Jetzt. Das merkt man der Musik an, aber auch den Texten. Auf dem neuen Album habe ich zum Beispiel ein Lied geschrieben, wo mir von vorneherein klar war, da muss aggressiver Hip-Hop rein, aber nicht performed von mir, sondern von Gastmusiker*innen. Eine Frau ist nun nicht dabei, aber es wurde ein Feature mit der Hip-Hop-Band Moscow Death Brigade, die insbesondere in der jungen linken Szene sehr angesagt sind.
„Tatsächlich dachte ich aufgrund einer Art Midlife-Crisis, dass die Zeit vorbei ist“
Ihr habt nach zehn Jahren wieder eine neue Platte rausgebracht: „We need each other“. Warum hat das so lange gedauert?
Ein paar Jahre gingen durch Corona drauf. Dann haben zwei Gitarristen ihren Abschied erklärt, und wir mussten Ersatz finden, was bei einer Band wie der unseren nicht ganz einfach ist. Da kann man nicht einfach eine beliebige Person nehmen, die politisch und in ihrer Grundhaltung nicht zu den Stage Bottles passt. Und ja, tatsächlich dachte ich aufgrund einer Art Midlife-Crisis, dass die Zeit vorbei ist – ich habe in meiner Rolle nicht mehr geruht. Aber nach einem langen Prozess habe ich mich wiedergefunden und fühle mich wieder in der Realität verankert. Ich habe sozusagen die Stage Bottles mit meinem reellen Dasein in Einklang gebracht. Das merkt man auch textlich beim neuen Album.
Themen sind Armut, rassistische Polizei, die Bedeutung von Antifaschismus. Inwiefern haben sich die Themen an die Zeit angepasst? Ihr habt ja immer politische Texte geschrieben …
Alles, was Du hier aufzählst, ist aktuell, war es aber auch schon früher. Aber es äußert sich teilweise anders, beziehungsweise erfolgt auf anderen Wegen, wie zum Beispiel der Polizei-Chat vom 1. Polizeirevier auf der Zeil. Unser Lied „Chat Group“ ist ganz explizit davon inspiriert. Das Lied „Let the anti-fascist ball Rock’n’Roll on at the ground“ befasst sich mit einem internen Problem der Fußballszene.
„Armut, Flucht, Despoten, Kriege… das sind auch Themen bei uns“
Konkret?
Ende der Neunziger, Anfang der Zweitausender gab es insbesondere durch manche Ultras eine große antifaschistische Welle in den Fußball-Stadien bundesweit. Auch in Frankfurt. Das schläft teils etwas ein, zudem gibt es in Stadien durch das (im ästhetischen Sinne „faschistoide“) Phänomen der Massenfaszination immer eine große Anfälligkeit in der Szene, was Männlichkeit angeht. Insbesondere die Hooliganszene ist empfänglich für rechtes Gedankengut, da dort teilweise noch „Old-School“-Haltungen (Zitat eines Mitglieds der Frankfurter Brigade Nassau) populär, und ja, teils auch notwendig für die Erhaltung dieser Art Kultur sind. Da muss man bei aller Vereinsblindheit immer ein Auge darauf haben, damit sich nicht plötzlich rechtsextreme Kräfte entwickeln, die dann außer Kontrolle geraten könnten.
Ihr singt aber auch über Migration
Richtig, Armut, Flucht, Despoten, Kriege… das sind auch Themen bei uns, Themen der Zeit, im Moment scheinbar noch einmal verstärkt. Der Titelsong „We need each other“ soll übrigens ein Aufruf zu Hoffnung sein: Wir brauchen einander, um das alles – auch das Klima – wieder in den Griff zu bekommen. Die Hoffnung, dass sich die Mehrheit doch noch einmal aufs Wesentliche zurückbesinnt und gemeinsam vernünftig handelt.
Inwiefern kann Subkultur eine politische Gemengelage beeinflussen?
In Frankfurt ist die Fußballszene ein Musterbeispiel. Die Ultras und das viele Drumherum beeinflussen die Stadtgesellschaft. Zudem spielt sich, bevor andere Menschen in die Paulskirche gehen, um irgendwem oder irgendwas zu gedenken, vieles zunächst auf der Straße ab. Frankfurt hat kein Problem mit militanten Nazis, und zwar nicht, weil die Stadtoberen irgendwelche tollen Sprüche bringen, sondern weil es vor Jahrzehnten auch durch das Umfeld der Stage Bottles Auseinandersetzungen der unterschiedlichsten Art auch „auf der Straße“ gab. Ich spreche jetzt in erster Linie davon, Leute abzuholen, zu erreichen, bevor sie endgültig in die rechte Szene abtauchen.
„Es gibt wesentlich mehr voll akzeptierte Frauen in der Fußballszene“
Nochmal etwas konkreter zur politischen Subkultur: Ist die nicht von jeher ziemlich männerdominiert?
Ich glaube tatsächlich, dass sich das in den letzten Jahren noch einmal verbessert hat. Es gibt wesentlich mehr voll akzeptierte Frauen in der Fußballszene, in der Punk-Szene etablieren sich immer mehr Bands, wo auch Frauen mitspielen. Linke politische Gruppen sind absolut divers. Frauen werden präsenter dort, wo Männer früher sehr dominiert haben. Aber natürlich haben Männer immer noch im wahrsten Sinne des Wortes weitgehend das „Gewaltmonopol“.
Aber Deine Liebe galt nie der Frankfurter Eintracht. Warum nicht?
Ich verstehe die Frage nicht (Zwinkersmily). Ich als ausgeprägter Narzisst habe natürlich meine immerwährende Liebe zu Fortuna Düsseldorf und meine zeitweise Affinität zu Kickers Offenbach innerhalb der Band diktatorisch über alles gestellt, so dass dies scheinbar vordergründig wahrgenommen wurde. Nein, wir hatten einen Gitarrist bei uns, der einer der ersten Anstimmer der Eintracht war. Wir haben auf diversen Jubiläen und verschiedenen Untergruppen der Ultras Frankfurt gespielt.
Teile der Ultras engagieren sich im Umfeld der Stage Bottles und unterstützen uns. Viele Mitglieder der Stage Bottles sind und waren Eintracht-Fans. Obwohl ich kein Eintracht-Fan bin, bin ich in die Eintracht-Familie voll integriert. Die Nähe der Stage Bottles zur Eintracht-Szene ist bekannt und wird von mir auch selbst in Düsseldorf nicht verleugnet.
Info
Die Stage Bottles wurden 1993 gegründet. Das erste Line-Up rekrutierte sich aus einem engen Freundeskreis aus der antifaschistischen Skinhead-Szene in Frankfurt. Frontsänger ist Olaf Rüger, der als studierter Politologe im Frankfurter Bahnhofsviertel als Sozialarbeiter tätig ist
Fangen wir von vorne an. Wir mussten uns noch über Festnetz zur Proben verabreden, meine Texte habe ich teilweise zunächst noch mit der Hand geschrieben. Wir konnten ohne riesigen Aufwand keine brauchbaren Aufnahmen im Proberaum machen, sodass wir uns immer erst wieder daran erinnern mussten, was bei der letzten Probe wichtiges entwickelt worden war. Gleiches gilt für das rechtzeitige Erreichen von Konzertorten. Im hintersten Winkel irgendwo in der Pampa fanden Konzerte statt, auch im Ausland, aber wir kamen irgendwie immer an, auch ohne Navigationssystem. Verrückt.
Erzähl mal von Eurem ersten Album
Unser erstes Album wurde noch analog, also auf Tonband aufgenommen. Wir mussten quasi alles durchspielen, keine Aufnahme konnte gestückelt werden. Einmal wurde aus Versehen etwas gelöscht, nachdem wir fertig aufgenommen hatten. Heute wird alles doppelt und dreifach abgespeichert, damals gab es eben nur dieses Tonband. Heute werden uns alle Versionen nach dem Studio während des Mixens immer wieder digital zugeschickt, und alle können miteinander in Chats darüber kommunizieren.
Entsprechend ist vieles einfacher geworden, alleine durch das Internet: Um irgendwo ein Video zu platzieren, braucht man kein Viva oder MTV mehr.
Also hat sich auch die Punkszene professionalisiert?
Klar, und das meine ich jetzt im positiven Sinne. Die Qualität der Konzertorganisation ist viel besser geworden, vor allem, weil die „Szene“ innerhalb der letzten 30 Jahre nach dem Beinahe-Aussterben in den 80ern in den letzten 30 Jahren wieder sehr angewachsen ist. Auch eine Rolle spielt, dass das Fliegen früher viel teurer war, heute können wir auch mal ganz weit weg spielen.
Wie sieht es mit euren Anhängern aus – sind die mitgealtert oder greift ihr auch bei den jungen?
Wir greifen neben den „alten“, uns seit Jahrzehnten treuen Leuten, zum Glück auch bei den jungen Leuten. Ich glaube, dass meine Generation um die 50 Jahre in einer sehr vorteilhaften Zeit lebt: Als ich jung war, waren Menschen in meinem Alter gefühlt viel älter. Da war es kaum vorstellbar, dass diese Menschen auf der Bühne noch cool rüberkommen. Gefühlt gab es damals höchstens ein paar abgehalfterte Rock’n’Roll-Sternchen, die in meiner Erinnerung so aussahen, als würden sie mit ihren fettigen Haaren vom nächstgelegenen Wasserhäuschen direkt auf die Bühne gehen. Sonst aber gab es noch keine älteren Punkrock-Musiker*innen, bzw. Rock-Musiker*innen
allgemein.
Woran liegt das?
Rockmusik und Punkmusik existiert viel länger, und einige Bands machen trotz langer Existenz seit Jahrzehnten energievolle Musik – und auch an die Gegenwart gekoppelte Texte. Der heutigen jüngeren Generation erscheint es daher als ganz normal, wenn sogar Leute mit Mitte Sechzig noch auf der Bühne stehen, auch in einem rebellischen Genre wie dem Punkrock. Ich habe mitbekommen, dass 20-Jährige gerade Rock aus den Achtzigern angesagt finden.
Natürlich ist die Subkultur auch anders gestrickt, was den Zugang zur jüngeren Generation, die sich des Einflusses älterer Bands auf die Gegenwart bewusst ist, erleichtert. Aber allgemein gilt, glaube ich, dass es auch an dir selbst liegt, wie du auf jüngere Leute wirkst.
Und die Stage Bottles?
Stage Bottles singen nicht von der „guten alten Zeit“, die aber irgendwie leider vorbei ist, Stage Bottles tun nicht so, als wären sie noch Achtzehn, sondern Stage Bottles leben im Hier und Jetzt. Das merkt man der Musik an, aber auch den Texten. Auf dem neuen Album habe ich zum Beispiel ein Lied geschrieben, wo mir von vorneherein klar war, da muss aggressiver Hip-Hop rein, aber nicht performed von mir, sondern von Gastmusiker*innen. Eine Frau ist nun nicht dabei, aber es wurde ein Feature mit der Hip-Hop-Band Moscow Death Brigade, die insbesondere in der jungen linken Szene sehr angesagt sind.
Ihr habt nach zehn Jahren wieder eine neue Platte rausgebracht: „We need each other“. Warum hat das so lange gedauert?
Ein paar Jahre gingen durch Corona drauf. Dann haben zwei Gitarristen ihren Abschied erklärt, und wir mussten Ersatz finden, was bei einer Band wie der unseren nicht ganz einfach ist. Da kann man nicht einfach eine beliebige Person nehmen, die politisch und in ihrer Grundhaltung nicht zu den Stage Bottles passt. Und ja, tatsächlich dachte ich aufgrund einer Art Midlife-Crisis, dass die Zeit vorbei ist – ich habe in meiner Rolle nicht mehr geruht. Aber nach einem langen Prozess habe ich mich wiedergefunden und fühle mich wieder in der Realität verankert. Ich habe sozusagen die Stage Bottles mit meinem reellen Dasein in Einklang gebracht. Das merkt man auch textlich beim neuen Album.
Themen sind Armut, rassistische Polizei, die Bedeutung von Antifaschismus. Inwiefern haben sich die Themen an die Zeit angepasst? Ihr habt ja immer politische Texte geschrieben …
Alles, was Du hier aufzählst, ist aktuell, war es aber auch schon früher. Aber es äußert sich teilweise anders, beziehungsweise erfolgt auf anderen Wegen, wie zum Beispiel der Polizei-Chat vom 1. Polizeirevier auf der Zeil. Unser Lied „Chat Group“ ist ganz explizit davon inspiriert. Das Lied „Let the anti-fascist ball Rock’n’Roll on at the ground“ befasst sich mit einem internen Problem der Fußballszene.
Konkret?
Ende der Neunziger, Anfang der Zweitausender gab es insbesondere durch manche Ultras eine große antifaschistische Welle in den Fußball-Stadien bundesweit. Auch in Frankfurt. Das schläft teils etwas ein, zudem gibt es in Stadien durch das (im ästhetischen Sinne „faschistoide“) Phänomen der Massenfaszination immer eine große Anfälligkeit in der Szene, was Männlichkeit angeht. Insbesondere die Hooliganszene ist empfänglich für rechtes Gedankengut, da dort teilweise noch „Old-School“-Haltungen (Zitat eines Mitglieds der Frankfurter Brigade Nassau) populär, und ja, teils auch notwendig für die Erhaltung dieser Art Kultur sind. Da muss man bei aller Vereinsblindheit immer ein Auge darauf haben, damit sich nicht plötzlich rechtsextreme Kräfte entwickeln, die dann außer Kontrolle geraten könnten.
Ihr singt aber auch über Migration
Richtig, Armut, Flucht, Despoten, Kriege… das sind auch Themen bei uns, Themen der Zeit, im Moment scheinbar noch einmal verstärkt. Der Titelsong „We need each other“ soll übrigens ein Aufruf zu Hoffnung sein: Wir brauchen einander, um das alles – auch das Klima – wieder in den Griff zu bekommen. Die Hoffnung, dass sich die Mehrheit doch noch einmal aufs Wesentliche zurückbesinnt und gemeinsam vernünftig handelt.
Inwiefern kann Subkultur eine politische Gemengelage beeinflussen?
In Frankfurt ist die Fußballszene ein Musterbeispiel. Die Ultras und das viele Drumherum beeinflussen die Stadtgesellschaft. Zudem spielt sich, bevor andere Menschen in die Paulskirche gehen, um irgendwem oder irgendwas zu gedenken, vieles zunächst auf der Straße ab. Frankfurt hat kein Problem mit militanten Nazis, und zwar nicht, weil die Stadtoberen irgendwelche tollen Sprüche bringen, sondern weil es vor Jahrzehnten auch durch das Umfeld der Stage Bottles Auseinandersetzungen der unterschiedlichsten Art auch „auf der Straße“ gab. Ich spreche jetzt in erster Linie davon, Leute abzuholen, zu erreichen, bevor sie endgültig in die rechte Szene abtauchen.
„Es gibt wesentlich mehr voll akzeptierte Frauen in der Fußballszene“
Nochmal etwas konkreter zur politischen Subkultur: Ist die nicht von jeher ziemlich männerdominiert?
Ich glaube tatsächlich, dass sich das in den letzten Jahren noch einmal verbessert hat. Es gibt wesentlich mehr voll akzeptierte Frauen in der Fußballszene, in der Punk-Szene etablieren sich immer mehr Bands, wo auch Frauen mitspielen. Linke politische Gruppen sind absolut divers. Frauen werden präsenter dort, wo Männer früher sehr dominiert haben. Aber natürlich haben Männer immer noch im wahrsten Sinne des Wortes weitgehend das „Gewaltmonopol“.
Aber Deine Liebe galt nie der Frankfurter Eintracht. Warum nicht?
Ich verstehe die Frage nicht (Zwinkersmily). Ich als ausgeprägter Narzisst habe natürlich meine immerwährende Liebe zu Fortuna Düsseldorf und meine zeitweise Affinität zu Kickers Offenbach innerhalb der Band diktatorisch über alles gestellt, so dass dies scheinbar vordergründig wahrgenommen wurde. Nein, wir hatten einen Gitarrist bei uns, der einer der ersten Anstimmer der Eintracht war. Wir haben auf diversen Jubiläen und verschiedenen Untergruppen der Ultras Frankfurt gespielt.
Teile der Ultras engagieren sich im Umfeld der Stage Bottles und unterstützen uns. Viele Mitglieder der Stage Bottles sind und waren Eintracht-Fans. Obwohl ich kein Eintracht-Fan bin, bin ich in die Eintracht-Familie voll integriert. Die Nähe der Stage Bottles zur Eintracht-Szene ist bekannt und wird von mir auch selbst in Düsseldorf nicht verleugnet.
Die Stage Bottles wurden 1993 gegründet. Das erste Line-Up rekrutierte sich aus einem engen Freundeskreis aus der antifaschistischen Skinhead-Szene in Frankfurt. Frontsänger ist Olaf Rüger, der als studierter Politologe im Frankfurter Bahnhofsviertel als Sozialarbeiter tätig ist
13. Dezember 2023, 09.32 Uhr
Katja Thorwarth
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Katja
Thorwarth >>
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