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Samy Deluxe im Interview
„Die Welt hat ein Problem mit machoiden Gewohnheiten“
Hip Hop trifft Klassik im Music Discovery Project auf der Cresc Biennale. Am vergangenen Freitag performte Rapper Samy Deluxe mit dem hr Sinfonieorchester und Theremin-Spielerin Carolina Eyck. Im Interview spricht er über Üben, Urheberrecht und #unhatewomen.
JOURNAL FRANKFURT: Wenn Du ein Instrument im hr Sinfonieorchester sein könntest, welches wärst Du?
Samy Deluxe: Ich finde die Timpani cool, weil sie der Bass des Orchesters ist – das, was im Hip Hop die 808 ist. Im Orchester steht sie in der hinteren Reihe in der Percussion Section. Sie ist eine Pauke, auf die man mit großen Schlagstöcken trommelt und sie hat zusätzlich noch ein Pedal, mit dem man den Ton ändern kann. Die Spannung des Feldes verändert sich und dadurch erzeugt man verschiedene Töne.
Und damit kannst Du Dich identifizieren?
Ja, wegen der Vibration und dem Schall. Du kannst fühlen, wenn ich in den Raum komme und was ich sage, dann gucken alle, weil sie die Schallwellen spüren.
Im Rahmen des Music Discovery Projects zum Auftakt der Cresc Biennale haben Du und Deine Band gemeinsam mit dem hr Sinfonieorchester und Theremin-Spielerin Carolina Eyck in der Jahrhunderthalle performt. Was war das Besondere für Dich an der Zusammenarbeit?
Mein aktuelles Album ‚Hochkultur‘ enthält viele Klassik-Anleihen, deshalb gab es den Plan, etwas mit einem Orchester zu machen. Dazu passt das Music Discovery Project gut. Im September gibt es auch nochmal eine Show mit dem Filmorchester Babelsberg.
War die Vorbereitung herausfordernd?
Es ist selten bei musikalischen Dingen, dass sie sich wirklich wie Arbeit anfühlen. Ich habe es geschafft, dass sich vieles in meinem Leben danach anfühlt, dass ich gerade wirklich Bock habe, das zu machen. Aber das Proben ist eine Sache, die sich für mich fundamental nach Arbeit anfühlt. Gerade bei den schnellen Raps ist die Erinnerung an die Masse schwierig. Ich kann schon so schnell denken, aber eigentlich will man das nicht müssen, sondern dass die Dinge einfach rausfließen und ich spielen kann mit Phrasierungen und Tönen. Die letzten paar Tage habe ich in meinem Hotelzimmer gesessen und nur geübt.
Während der Show auf der Cresc Biennale hast Du dem Publikum erklärt, dass Hip Hop prädestiniert für ein genreübergreifendes Format wie das Music Discovery Project ist. Warum?
Hip Hop ist von Natur aus experimentell. Das Genre wurde im Ghetto von armen Menschen entwickelt, die sich nicht leisten konnten, musikalische Ideen mit einer Riesen-Band umzusetzen. Deshalb wurde alles von Plattenspielern, kleinen Drum Maschinen und Samplern aus gestartet. Die meisten Hip Hop Instrumentale basieren auf Schnipseln anderer Musik. Zwei oder vier Takte aus Funk-, Jazz- oder Soul-Stücken lässt man in einer Schleife laufen. Darunter setzt man fette Drum-Sounds. So ist Hip Hop entstanden. Junge freche urbane Kids haben Collagen gebaut. Sie haben sich gesagt: „Ich kann zwar kein Instrument spielen, aber es gab ja schon andere, die das gut gemacht haben. So nehme ich mir einfach die Drums aus dem alten James Brown Stück und eine psychotische Melodie aus einem Horrorfilm und packe das übereinander“.
Moses Pelham war mit Kraftwerk 20 Jahre lang im Rechtsstreit, weil er zwei Sekunden des Tracks ‚Metall auf Metall‘ als Sample verwendet hatte für Sabrina Setlurs Song „Nur mir“. Wer ist hier Deiner Meinung nach im Recht?
Mein größter Hit „Weck mich auf“ basiert auf dem Sample aus einem Song von Barcley James Harvest. Davon mussten wir 100 Prozent abgeben. Ich habe sozusagen keine Urheberrechte an meinem eigenen größten Hit. Moses hat Recht, aber die andere Seite auch. Bei Moses P. geht es um einen Hi Hat Loop, diese rasselnden Drums. Das ist eigentlich nichts, was einen Song maßgeblich ausmacht. Aber Kraftwerk hat diese Drum Maschine selbst gebaut. Auch wiederum verständlich, dass sie dafür ihr Urheberrecht anbringen.
Kennst Du Moses Pelham persönlich?
Ich habe Moses Pelham noch nie getroffen. Ganz merkwürdig, weil wir beide schon lange dabei sind. Er ist quasi eine Generation älter als ich. Ich hätte ihm eigentlich irgendwann, irgendwie mal über den Weg laufen müssen. Das ist nie passiert.
Du kommst aus Hamburg, lebst in Berlin. Wie stehst Du zu Frankfurt?
Die längste Zeit in Frankfurt habe ich 2003 verbracht. Hier gab es ein Studio mit krassem Mischpult, das sonst in Hamburg niemand hatte. Da haben wir drei Wochen lang an meinem Album gearbeitet. Damals habe ich Frankfurt schon gefeiert, weil hier ganz andere Faktoren zusammenkommen, als in Hamburg, wo es zum Beispiel nach dem Krieg keine amerikanische Besatzungsmacht gab. Die kulturellen Unterschiede hier fand ich mega interessant; einfach in die Clubs zu gehen und den Einfluss der Amis wahrzunehmen.
Schon mal Grüne Soße gegessen?
Ich kenne das Gericht, bin mir aber nicht sicher, ob ich das schon irgendwann mal gegessen habe. Ich glaube, ich bleibe lieber bei der grünen Brille.
An welchen Frankfurter Orten trittst Du gerne auf?
Die Festhalle ist ganz nice. In der Jahrhunderthalle war ich mit dem Music Discovery Project zum ersten Mal. Die ist viel nicer. Die alte Batschkapp war auch cool, die neue ebenfalls.
Wovon handelt Dein Album „Hochkultur“?
Es geht um Selbstverwirklichung, Wachstum und Erfolg. Subkultur wird zu Hochkultur. Als ich angefangen habe zu rappen, hat mich jeder in der Schule ausgelacht. Das war für die anderen ein assiger Trend von komischen schwarzen Leuten. Keiner hat das ernst genommen. Plötzlich gab es einen Schnitt und alles auf der Welt war von Hip Hop geprägt. Es gibt viele schöne Sinnbilder für Hochkultur. Meine wesentliche Definition hört man auch im Intro: „Hochkultur – das heißt für mich Langlebigkeit in einer schnelllebigen Zeit.“
Auf deinem Album rappst Du, dass Du aufs Dach des Bundestages steigst und dass Integration eine Illusion sei. Worin konkret besteht Deine Kritik an der deutschen Politik?
Alle Menschen mit Migrationshintergrund, die hier aufgewachsen sind, wie ich auch, spüren wie extrem präsent Rassismus ist. Ab den 2000ern bis in die 2010er hinein schien es so, als hätte es eine Aufwärtskurve gegeben; mehr Konsens für ein gemeinsames Zusammenleben und dann ist das wieder extrem gekippt.
Du hast bei Deinem Auftritt zur Eröffnung der Cresc Biennale auf der Bühne gesagt, es gebe Menschen, die nicht wahrhaben wollen, dass Minderheiten unterdrückt werden. Es helfe, offen über Rassismus zu sprechen. Was kann man aus Deiner Sicht noch tun gegen rechte Gewalt?
Gegen Gewalt kann man leider nichts tun. Es gibt viele frustrierte Menschen, die wirklich denken, die Hauptbedrohung in dieser Welt seien Ausländer und es gibt wiederum auch Islamisten, die so radikalisiert sind, dass sie wirklich jemandem weh tun würden. Es ist extrem schwierig. Die Politik muss etwas tun.
Die Kampagne #unhatewomen setzt sich gegen misogyne Raps und allgemein gegen Frauenfeindlichkeit im Hip Hop ein. Hat der deutsche Rap ein Problem mit seiner toxischen Männlichkeit?
Nein. Die Welt hat ein Problem mit machoiden Gewohnheiten. Es ist ein gesellschaftliches Problem, nicht nur in Deutschland. Die Lines, die in der Kampagne angeprangert werden, sind sehr frauenfeindlich. #unhatewomen ist auf jeden Fall mega und richtig.
Was meinst Du, wann das Genre sich von dem frauenfeindlichen Bild lösen wird?
Im Hip Hop muss man den Ursprung in Amerika und die kulturellen Hintergründe betrachten. Er entstand in Communities, in denen Stripclubs normal waren. Eminem ist für mich zum Beispiel einer der krassesten Poeten der Welt. Trotzdem sind viele dieser Zeilen, ohne den künstlerischen Kontext zu betrachten, unverantwortlich. Manche Leute nehmen aber die künstlerische Wertigkeit nicht wahr und checken nicht die Matrix, wie genial das ist an Worten und Reime-Niveau.
Wie wäre es, wenn man das Wort „Hurensohn“ in Raps verbieten würde?
Sobald es einmal eine Grundregel darüber gibt, was nicht gesagt werden darf, stirbt die Kunst. Das Wort „Hurensohn“ ist ein furchtbares Wort, das ich nie in meinen Raps verwende. Aber das Haftbefehl-Album „Russisch Roulette“, auf dem ich auch zu hören bin, fängt an mit „Ihr Hurensöhne“. Es ist trotzdem ein geiles Intro. Du musst miteinbeziehen, welchen Hintergrund der Rapper hat, wie ist der aufgewachsen? Haftbefehl kommt aus Offenbach, die harten Typen, die mit ihm in den Videos zu sehen sind, haben eine andere Biographie als ich. Wer bin ich denn, als Typ, der aus der deutschen Mittelschicht kommt und sagt: „Mein Sohn kann dein Album aber nicht hören, weil du Hurensohn sagst.“
Man handelt Dein Album „Hochkultur“ als das beste seit „Dis is wo ich herkomm'“. In Deinem Song „Abendlicht“ heißt es, dass Du weißt, Du kannst nicht ewig so weiter machen. Wann wird Dein Zenit überschritten sein? Wann willst Du in Rente gehen?
Manche meinen, ich hätte meinen Zenit schon überschritten. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich nie wieder so auf den Schulhöfen gefeiert werde, wie damals, als ich Anfang 20 war. Jetzt bin ich Anfang 40. Es gibt kein richtiges Haltbarkeitsdatum. Aber auf dem Album habe ich in Sachen Tempo und Technik nochmal richtig einen draufgelegt. Da hört man keine Altersschwäche raus. Ich wollte mit ‚Hochkultur‘ ein großes Werk schaffen. Es ist eindeutig technisch viel präziser als meine alten Alben. Selbst, wenn ich es mit 50 nicht mehr so hinbekommen würde, weil ich alt und fett geworden bin, wäre Rap trotzdem noch möglich. Es muss ja nicht immer dieses Schnelle sein.
Samy Deluxe: Ich finde die Timpani cool, weil sie der Bass des Orchesters ist – das, was im Hip Hop die 808 ist. Im Orchester steht sie in der hinteren Reihe in der Percussion Section. Sie ist eine Pauke, auf die man mit großen Schlagstöcken trommelt und sie hat zusätzlich noch ein Pedal, mit dem man den Ton ändern kann. Die Spannung des Feldes verändert sich und dadurch erzeugt man verschiedene Töne.
Und damit kannst Du Dich identifizieren?
Ja, wegen der Vibration und dem Schall. Du kannst fühlen, wenn ich in den Raum komme und was ich sage, dann gucken alle, weil sie die Schallwellen spüren.
Im Rahmen des Music Discovery Projects zum Auftakt der Cresc Biennale haben Du und Deine Band gemeinsam mit dem hr Sinfonieorchester und Theremin-Spielerin Carolina Eyck in der Jahrhunderthalle performt. Was war das Besondere für Dich an der Zusammenarbeit?
Mein aktuelles Album ‚Hochkultur‘ enthält viele Klassik-Anleihen, deshalb gab es den Plan, etwas mit einem Orchester zu machen. Dazu passt das Music Discovery Project gut. Im September gibt es auch nochmal eine Show mit dem Filmorchester Babelsberg.
War die Vorbereitung herausfordernd?
Es ist selten bei musikalischen Dingen, dass sie sich wirklich wie Arbeit anfühlen. Ich habe es geschafft, dass sich vieles in meinem Leben danach anfühlt, dass ich gerade wirklich Bock habe, das zu machen. Aber das Proben ist eine Sache, die sich für mich fundamental nach Arbeit anfühlt. Gerade bei den schnellen Raps ist die Erinnerung an die Masse schwierig. Ich kann schon so schnell denken, aber eigentlich will man das nicht müssen, sondern dass die Dinge einfach rausfließen und ich spielen kann mit Phrasierungen und Tönen. Die letzten paar Tage habe ich in meinem Hotelzimmer gesessen und nur geübt.
Während der Show auf der Cresc Biennale hast Du dem Publikum erklärt, dass Hip Hop prädestiniert für ein genreübergreifendes Format wie das Music Discovery Project ist. Warum?
Hip Hop ist von Natur aus experimentell. Das Genre wurde im Ghetto von armen Menschen entwickelt, die sich nicht leisten konnten, musikalische Ideen mit einer Riesen-Band umzusetzen. Deshalb wurde alles von Plattenspielern, kleinen Drum Maschinen und Samplern aus gestartet. Die meisten Hip Hop Instrumentale basieren auf Schnipseln anderer Musik. Zwei oder vier Takte aus Funk-, Jazz- oder Soul-Stücken lässt man in einer Schleife laufen. Darunter setzt man fette Drum-Sounds. So ist Hip Hop entstanden. Junge freche urbane Kids haben Collagen gebaut. Sie haben sich gesagt: „Ich kann zwar kein Instrument spielen, aber es gab ja schon andere, die das gut gemacht haben. So nehme ich mir einfach die Drums aus dem alten James Brown Stück und eine psychotische Melodie aus einem Horrorfilm und packe das übereinander“.
Moses Pelham war mit Kraftwerk 20 Jahre lang im Rechtsstreit, weil er zwei Sekunden des Tracks ‚Metall auf Metall‘ als Sample verwendet hatte für Sabrina Setlurs Song „Nur mir“. Wer ist hier Deiner Meinung nach im Recht?
Mein größter Hit „Weck mich auf“ basiert auf dem Sample aus einem Song von Barcley James Harvest. Davon mussten wir 100 Prozent abgeben. Ich habe sozusagen keine Urheberrechte an meinem eigenen größten Hit. Moses hat Recht, aber die andere Seite auch. Bei Moses P. geht es um einen Hi Hat Loop, diese rasselnden Drums. Das ist eigentlich nichts, was einen Song maßgeblich ausmacht. Aber Kraftwerk hat diese Drum Maschine selbst gebaut. Auch wiederum verständlich, dass sie dafür ihr Urheberrecht anbringen.
Kennst Du Moses Pelham persönlich?
Ich habe Moses Pelham noch nie getroffen. Ganz merkwürdig, weil wir beide schon lange dabei sind. Er ist quasi eine Generation älter als ich. Ich hätte ihm eigentlich irgendwann, irgendwie mal über den Weg laufen müssen. Das ist nie passiert.
Du kommst aus Hamburg, lebst in Berlin. Wie stehst Du zu Frankfurt?
Die längste Zeit in Frankfurt habe ich 2003 verbracht. Hier gab es ein Studio mit krassem Mischpult, das sonst in Hamburg niemand hatte. Da haben wir drei Wochen lang an meinem Album gearbeitet. Damals habe ich Frankfurt schon gefeiert, weil hier ganz andere Faktoren zusammenkommen, als in Hamburg, wo es zum Beispiel nach dem Krieg keine amerikanische Besatzungsmacht gab. Die kulturellen Unterschiede hier fand ich mega interessant; einfach in die Clubs zu gehen und den Einfluss der Amis wahrzunehmen.
Schon mal Grüne Soße gegessen?
Ich kenne das Gericht, bin mir aber nicht sicher, ob ich das schon irgendwann mal gegessen habe. Ich glaube, ich bleibe lieber bei der grünen Brille.
An welchen Frankfurter Orten trittst Du gerne auf?
Die Festhalle ist ganz nice. In der Jahrhunderthalle war ich mit dem Music Discovery Project zum ersten Mal. Die ist viel nicer. Die alte Batschkapp war auch cool, die neue ebenfalls.
Wovon handelt Dein Album „Hochkultur“?
Es geht um Selbstverwirklichung, Wachstum und Erfolg. Subkultur wird zu Hochkultur. Als ich angefangen habe zu rappen, hat mich jeder in der Schule ausgelacht. Das war für die anderen ein assiger Trend von komischen schwarzen Leuten. Keiner hat das ernst genommen. Plötzlich gab es einen Schnitt und alles auf der Welt war von Hip Hop geprägt. Es gibt viele schöne Sinnbilder für Hochkultur. Meine wesentliche Definition hört man auch im Intro: „Hochkultur – das heißt für mich Langlebigkeit in einer schnelllebigen Zeit.“
Auf deinem Album rappst Du, dass Du aufs Dach des Bundestages steigst und dass Integration eine Illusion sei. Worin konkret besteht Deine Kritik an der deutschen Politik?
Alle Menschen mit Migrationshintergrund, die hier aufgewachsen sind, wie ich auch, spüren wie extrem präsent Rassismus ist. Ab den 2000ern bis in die 2010er hinein schien es so, als hätte es eine Aufwärtskurve gegeben; mehr Konsens für ein gemeinsames Zusammenleben und dann ist das wieder extrem gekippt.
Du hast bei Deinem Auftritt zur Eröffnung der Cresc Biennale auf der Bühne gesagt, es gebe Menschen, die nicht wahrhaben wollen, dass Minderheiten unterdrückt werden. Es helfe, offen über Rassismus zu sprechen. Was kann man aus Deiner Sicht noch tun gegen rechte Gewalt?
Gegen Gewalt kann man leider nichts tun. Es gibt viele frustrierte Menschen, die wirklich denken, die Hauptbedrohung in dieser Welt seien Ausländer und es gibt wiederum auch Islamisten, die so radikalisiert sind, dass sie wirklich jemandem weh tun würden. Es ist extrem schwierig. Die Politik muss etwas tun.
Die Kampagne #unhatewomen setzt sich gegen misogyne Raps und allgemein gegen Frauenfeindlichkeit im Hip Hop ein. Hat der deutsche Rap ein Problem mit seiner toxischen Männlichkeit?
Nein. Die Welt hat ein Problem mit machoiden Gewohnheiten. Es ist ein gesellschaftliches Problem, nicht nur in Deutschland. Die Lines, die in der Kampagne angeprangert werden, sind sehr frauenfeindlich. #unhatewomen ist auf jeden Fall mega und richtig.
Was meinst Du, wann das Genre sich von dem frauenfeindlichen Bild lösen wird?
Im Hip Hop muss man den Ursprung in Amerika und die kulturellen Hintergründe betrachten. Er entstand in Communities, in denen Stripclubs normal waren. Eminem ist für mich zum Beispiel einer der krassesten Poeten der Welt. Trotzdem sind viele dieser Zeilen, ohne den künstlerischen Kontext zu betrachten, unverantwortlich. Manche Leute nehmen aber die künstlerische Wertigkeit nicht wahr und checken nicht die Matrix, wie genial das ist an Worten und Reime-Niveau.
Wie wäre es, wenn man das Wort „Hurensohn“ in Raps verbieten würde?
Sobald es einmal eine Grundregel darüber gibt, was nicht gesagt werden darf, stirbt die Kunst. Das Wort „Hurensohn“ ist ein furchtbares Wort, das ich nie in meinen Raps verwende. Aber das Haftbefehl-Album „Russisch Roulette“, auf dem ich auch zu hören bin, fängt an mit „Ihr Hurensöhne“. Es ist trotzdem ein geiles Intro. Du musst miteinbeziehen, welchen Hintergrund der Rapper hat, wie ist der aufgewachsen? Haftbefehl kommt aus Offenbach, die harten Typen, die mit ihm in den Videos zu sehen sind, haben eine andere Biographie als ich. Wer bin ich denn, als Typ, der aus der deutschen Mittelschicht kommt und sagt: „Mein Sohn kann dein Album aber nicht hören, weil du Hurensohn sagst.“
Man handelt Dein Album „Hochkultur“ als das beste seit „Dis is wo ich herkomm'“. In Deinem Song „Abendlicht“ heißt es, dass Du weißt, Du kannst nicht ewig so weiter machen. Wann wird Dein Zenit überschritten sein? Wann willst Du in Rente gehen?
Manche meinen, ich hätte meinen Zenit schon überschritten. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich nie wieder so auf den Schulhöfen gefeiert werde, wie damals, als ich Anfang 20 war. Jetzt bin ich Anfang 40. Es gibt kein richtiges Haltbarkeitsdatum. Aber auf dem Album habe ich in Sachen Tempo und Technik nochmal richtig einen draufgelegt. Da hört man keine Altersschwäche raus. Ich wollte mit ‚Hochkultur‘ ein großes Werk schaffen. Es ist eindeutig technisch viel präziser als meine alten Alben. Selbst, wenn ich es mit 50 nicht mehr so hinbekommen würde, weil ich alt und fett geworden bin, wäre Rap trotzdem noch möglich. Es muss ja nicht immer dieses Schnelle sein.
2. März 2020, 10.25 Uhr
Katrin Börsch
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