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Jüdische Gemeinde erhält Raubobjekte zurück
„Ein längst überfälliges Zeichen“
Am Mittwoch unterzeichnete Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) einen Restitutionsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde. 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus erhielt die Gemeinde fünf geraubte Ritualgegenstände zurück.
Frankfurt wird von Politikerinnen und Politikern gern als die jüdischste Stadt Deutschlands bezeichnet, die Auseinandersetzung mit den während der NS-Zeit begangenen Verbrechen ist jedoch noch längst nicht abgeschlossen. Ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung wurde nun mit der Rückgabe von Raubobjekten an die Jüdische Gemeinde getan; am Mittwoch unterschrieb Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) einen Restitutionsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde.
2018 fanden das Historische Museum, das Jüdische Museum, das Museum Angewandte Kunst und das Weltkulturen Museum für das Kooperationsprojekt „Gekauft. Gesammelt. Geraubt?“ zusammen; in mehreren Einzelausstellungen wurde der „legalisierte Raub“ von Kulturobjekten beleuchtet. Das Historische Museum legte den Fokus dabei auf die Frage, wie Museen und Privatpersonen von den Verbrechen der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung profitierten. Während des laufenden Projektes stellte das Jüdische Museum fest, das fünf jüdische Ritualgegenstände aus der Sammlung des Historischen Museums aus synagogalem Gebrauch stammten und ursprünglich der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt gehört hatten. 75 Jahre nach dem Raub wurden die Objekte – ein Zinnteller, eine Wasserfontäne, ein Tora-Zeiger sowie zwei Halterungen von Tora-Rollen – zurückgegeben.
„Die Stadt Frankfurt setzt damit ein längst überfälliges Zeichen“, sagte Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, bei der Unterzeichnung des Restitutionsvertrages. Historisches Unrecht müsse vergegenwärtigt werden, so Grünbaum. Auch Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums, betonte, die „große Bringschuld deutscher Museen“ sei noch lange nicht erfüllt, die Verbrechen des Nationalsozialismus seien auch nach 75 Jahren nicht „verjährt“, umso mehr freue es ihn, dass die unrechtmäßig erworbenen Objekte in der Sammlung des Hauses identifiziert und zurückgegeben werden konnten.
Zukünftig sollen die Objekte in der Sammlung des Jüdischen Museums (eröffnet am 21. Oktober) ausgestellt werden; die Jüdische Gemeinde schloss einen entsprechenden Leihvertrag mit dem Museum. Die geplante Präsentation der Zeremonialobjekte baue nun auf einer „historisch verantwortungsvollen Grundlage“ auf, sagte Marc Grünberg. Kulturdezernentin Ina Hartwig versprach, den diesen Weg weitergehen zu wollen; die Sammlung eines modernen Museums müsse „vollumfänglich rechtmäßig erworben sein. Kein Frankfurter Museum soll sich in Zukunft noch mit Raubkunst schmücken“, so die Dezernentin.
Aktuell unterstütze die Stadt Frankfurt laut Ina Hartwig ein Forschungsprojekt des Fritz-Bauer-Instituts, das sich mit der „Arisierung“ jüdischer Immobilien befasst. Angestoßen hatte das Projekt Dieter Wesp, der sich als erster Historiker mit diesem Teil der Frankfurter Geschichte befasst hat. „Ungefähr 30 000 Jüdinnen und Juden lebten im Jahr 1933 in Frankfurt, das sind 10 000 Familien“, sagte Wesp im Februar 2020 in einem Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT. „Zurückhaltend geschätzt besaßen 10 bis 20 Prozent dieser Familien Wohneigentum. Das heißt, 90 Prozent der Immobilien gingen in Privathand. Man müsste sich eine Straße nach der anderen vornehmen, und schauen wer der Eigentümer 1933 und wer der Eigentümer 1940 war. Alle Immobilien, die eine Änderung aufweisen, müssten untersucht werden. Das wäre eine Wahnsinnsarbeit. Aber man würde ein Gefühl dafür bekommen, was für eine gigantische Umverteilungsmaschine der Nationalsozialismus war.“
2018 fanden das Historische Museum, das Jüdische Museum, das Museum Angewandte Kunst und das Weltkulturen Museum für das Kooperationsprojekt „Gekauft. Gesammelt. Geraubt?“ zusammen; in mehreren Einzelausstellungen wurde der „legalisierte Raub“ von Kulturobjekten beleuchtet. Das Historische Museum legte den Fokus dabei auf die Frage, wie Museen und Privatpersonen von den Verbrechen der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung profitierten. Während des laufenden Projektes stellte das Jüdische Museum fest, das fünf jüdische Ritualgegenstände aus der Sammlung des Historischen Museums aus synagogalem Gebrauch stammten und ursprünglich der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt gehört hatten. 75 Jahre nach dem Raub wurden die Objekte – ein Zinnteller, eine Wasserfontäne, ein Tora-Zeiger sowie zwei Halterungen von Tora-Rollen – zurückgegeben.
„Die Stadt Frankfurt setzt damit ein längst überfälliges Zeichen“, sagte Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, bei der Unterzeichnung des Restitutionsvertrages. Historisches Unrecht müsse vergegenwärtigt werden, so Grünbaum. Auch Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums, betonte, die „große Bringschuld deutscher Museen“ sei noch lange nicht erfüllt, die Verbrechen des Nationalsozialismus seien auch nach 75 Jahren nicht „verjährt“, umso mehr freue es ihn, dass die unrechtmäßig erworbenen Objekte in der Sammlung des Hauses identifiziert und zurückgegeben werden konnten.
Zukünftig sollen die Objekte in der Sammlung des Jüdischen Museums (eröffnet am 21. Oktober) ausgestellt werden; die Jüdische Gemeinde schloss einen entsprechenden Leihvertrag mit dem Museum. Die geplante Präsentation der Zeremonialobjekte baue nun auf einer „historisch verantwortungsvollen Grundlage“ auf, sagte Marc Grünberg. Kulturdezernentin Ina Hartwig versprach, den diesen Weg weitergehen zu wollen; die Sammlung eines modernen Museums müsse „vollumfänglich rechtmäßig erworben sein. Kein Frankfurter Museum soll sich in Zukunft noch mit Raubkunst schmücken“, so die Dezernentin.
Aktuell unterstütze die Stadt Frankfurt laut Ina Hartwig ein Forschungsprojekt des Fritz-Bauer-Instituts, das sich mit der „Arisierung“ jüdischer Immobilien befasst. Angestoßen hatte das Projekt Dieter Wesp, der sich als erster Historiker mit diesem Teil der Frankfurter Geschichte befasst hat. „Ungefähr 30 000 Jüdinnen und Juden lebten im Jahr 1933 in Frankfurt, das sind 10 000 Familien“, sagte Wesp im Februar 2020 in einem Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT. „Zurückhaltend geschätzt besaßen 10 bis 20 Prozent dieser Familien Wohneigentum. Das heißt, 90 Prozent der Immobilien gingen in Privathand. Man müsste sich eine Straße nach der anderen vornehmen, und schauen wer der Eigentümer 1933 und wer der Eigentümer 1940 war. Alle Immobilien, die eine Änderung aufweisen, müssten untersucht werden. Das wäre eine Wahnsinnsarbeit. Aber man würde ein Gefühl dafür bekommen, was für eine gigantische Umverteilungsmaschine der Nationalsozialismus war.“
1. Oktober 2020, 11.12 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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