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Interview
„Sich zu Hause fühlen“ bei der Frankfurter Winterwerft
Am 31. Januar beginnt die Winterwerft in Frankfurt. Im Interview mit dem JOURNAL sprechen Organisatoren Max Büttner und Benedikt Müller über das diesjährige Motto, das Programm und die Finanzierung.
JOURNAL FRANKFURT: Fangen wir mit dem Unangenehmen an: In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Sommerwerft. Wie steht es mit der Finanzierung der Winterwerft?
Max Büttner: Leider ähnlich. In der Kultur ist es zur Zeit allgemein sehr knapp. Deshalb halten wir die Winterwirft dieses Jahr auch ein bisschen kürzer.
Benedikt Müller: Inflation, Krise und Krieg führen dazu, dass in den Förderprogrammen weniger Geld verfügbar ist. Für uns bedeutet das vor allem mehr Arbeit. Bis vor ein paar Jahren konnten wir einige Anträge schreiben und hatten dann unser Budget. Jetzt müssen wir die Mittel viel mehr im Einzelnen zusammenstellen: viele Anträge für kleine Summen. Das ist ein erheblicher Mehraufwand, der in ehrenamtlicher Arbeit von den Vereinsmitgliedern übernommen wird.
Für die vergangene Sommerwerft hätten Sie sich mehr städtisches Fördergeld gewünscht. Hat sich seitdem etwas getan?
Büttner: Bei der Sommerwerft haben wir eine Spendenkampagne durchgeführt und eine Petition eingereicht. Das hat schon etwas Bewegung in die Sache gebracht. Für die Winterwerft bekommen wir auch immer einen kleinen festen Förderbetrag von der Stadt.
Müller: Trotzdem wird das Geld weniger dadurch, dass alles teurer wird. Wenn wir zum Beispiel mit Technikern sprechen, hören wir inzwischen, dass sie für dasselbe Geld heute kaum noch arbeiten können. Allerdings muss man der Stadt Frankfurt und gerade Ina Hartwig zugutehalten, dass sie wirklich für ihr Budget kämpft.
„Wenn die AfD stärker werden sollte, werden wir noch mehr zu kämpfen haben“
In Berlin gab es kürzlich Proteste gegen die Einsparungen im Kulturetat. Besonders die freie Szene ist davon betroffen. Haben Sie Sorge, dass es eine ähnliche Entwicklung auch in Frankfurt geben könnte?
Büttner: Diese Sorge haben alle. Es ist schwer abzusehen, wie sich die Situation weiterentwickelt, gerade vor dem Hintergrund der vorgezogenen Neuwahlen – aber auch hier in Hessen. Wenn die AfD stärker werden sollte, werden wir noch mehr zu kämpfen haben. Derzeit denken wir also viel darüber nach, wie wir unsere Abhängigkeit verringern können.
Gibt es konkrete Vorschläge, wie Sie unabhängiger werden könnten?
Büttner: Zum einen überlegen wir, uns mit anderen Projekten zusammenzufinden, um uns teilweise gegenseitig zu finanzieren. Zum anderen denken wir über mehr Community-basierte Finanzierung nach, beispielsweise durch Fördermitgliedschaften.
Müller: Nach wie vor wollen wir aber keine Eintrittsgelder für die Winterwerft nehmen. Das ist unsere Philosophie: Kultur muss niedrigschwellig sein. Dadurch erreichen wir Menschen, die normalerweise gar nicht ins Theater gehen. Es hat viel damit zu tun, wo man sich wohl- und eingeladen fühlt.
Frankfurter Winterwerft steht unter dem Motto „This Is Home“
Das schlägt die Brücke zum diesjährigen Motto: „This Is Home“. Inwiefern prägt dieses Motto das Festival-Programm?
Büttner: Der Titel stellt natürlich die Frage, was eine Heimat überhaupt ist oder sein kann. Mit dieser Frage geht es um politische oder kriegerische Auseinandersetzungen – wem gehört welcher Landstrich? Es geht um Flucht und Migration und es geht um das Verhältnis von Mensch und Natur. Diese Fragen versuchen wir, im Programm einzufangen.
Kam zuerst das Motto oder die Stücke?
Müller: Zuerst kommt immer das Motto, dann fragen wir Stücke an, holen internationale Perspektiven ein. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel das Stück „Kaffee mit Zucker“ von Laia Ribera Cañénguez. Darin wird eine Geschichte von Kaffee und Zucker im Verbund mit der deutschen Kolonialgeschichte erzählt – und genau darum geht es uns: unterschiedlichste Fragen zusammenzubringen und zu bearbeiten: Wie schaut die Welt jetzt aus? Wie steht es um die Klimakrise? Wo liegen die Wurzeln? Diese Fragen wollen wir nicht nur abstrakt stellen, sondern auch mit dem Persönlichen verbinden.
„Die Menschen fühlen sich hier willkommen“
Tatsächlich fühlen sich viele Menschen durch Ihr Programm persönlich angesprochen. Wenigstens steigen Ihre Besucherzahlen stetig, während andere Theater nach Corona immer noch nicht völlig ausgelastet sind. Warum klappt es bei Ihnen besser?
Büttner: Da kann man nur mutmaßen. Ich glaube, dass es zum einen tatsächlich an der Atmosphäre liegt: Die Menschen fühlen sich hier willkommen. Zum anderen glaube ich schon, dass wir es schaffen, Themen aufzugreifen, die irgendwo im Untergrund schwelen und mit denen sich viele Menschen auseinandersetzen wollen.
Müller: Außerdem ist unser Programm relativ barrierefrei. Anstelle sehr textlastiger Stücke zeigen wir viel körperbasiertes Theater, wodurch es wenig Barrieren durch Sprachkenntnisse und kulturelles Vorwissen gibt.
Auf welche Programmpunkte freuen Sie sich persönlich am meisten?
Müller: Ich freue mich sehr darauf, dass wir dieses Jahr das Winterwerft-Gelände verlassen und zum ersten Mal mit einigen Shows in den Riederwald gehen. Dort findet zum Beispiel die Performance „Attraversamenti“ des Residui Teatro statt. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Migration und geht passend dazu einen Weg ab.
Büttner: Worauf ich mich persönlich am meisten freue, sind die Stücke, die es gerade noch gar nicht gibt – weil sie erst während der Winterwerft entstehen werden. Im Theaterlabor kommen lokale Künstlerinnen mit Menschen und Kunstschaffenden aus ganz Europa zusammen und erarbeiten dabei etwas Neues. Am letzten Samstag findet dann die „Final Show“ statt. Wie das Ganze bis dahin heißen und worum es gehen wird, werden wir dann erleben.
Info
Das Programm finden Sie hier.
Max Büttner: Leider ähnlich. In der Kultur ist es zur Zeit allgemein sehr knapp. Deshalb halten wir die Winterwirft dieses Jahr auch ein bisschen kürzer.
Benedikt Müller: Inflation, Krise und Krieg führen dazu, dass in den Förderprogrammen weniger Geld verfügbar ist. Für uns bedeutet das vor allem mehr Arbeit. Bis vor ein paar Jahren konnten wir einige Anträge schreiben und hatten dann unser Budget. Jetzt müssen wir die Mittel viel mehr im Einzelnen zusammenstellen: viele Anträge für kleine Summen. Das ist ein erheblicher Mehraufwand, der in ehrenamtlicher Arbeit von den Vereinsmitgliedern übernommen wird.
Für die vergangene Sommerwerft hätten Sie sich mehr städtisches Fördergeld gewünscht. Hat sich seitdem etwas getan?
Büttner: Bei der Sommerwerft haben wir eine Spendenkampagne durchgeführt und eine Petition eingereicht. Das hat schon etwas Bewegung in die Sache gebracht. Für die Winterwerft bekommen wir auch immer einen kleinen festen Förderbetrag von der Stadt.
Müller: Trotzdem wird das Geld weniger dadurch, dass alles teurer wird. Wenn wir zum Beispiel mit Technikern sprechen, hören wir inzwischen, dass sie für dasselbe Geld heute kaum noch arbeiten können. Allerdings muss man der Stadt Frankfurt und gerade Ina Hartwig zugutehalten, dass sie wirklich für ihr Budget kämpft.
In Berlin gab es kürzlich Proteste gegen die Einsparungen im Kulturetat. Besonders die freie Szene ist davon betroffen. Haben Sie Sorge, dass es eine ähnliche Entwicklung auch in Frankfurt geben könnte?
Büttner: Diese Sorge haben alle. Es ist schwer abzusehen, wie sich die Situation weiterentwickelt, gerade vor dem Hintergrund der vorgezogenen Neuwahlen – aber auch hier in Hessen. Wenn die AfD stärker werden sollte, werden wir noch mehr zu kämpfen haben. Derzeit denken wir also viel darüber nach, wie wir unsere Abhängigkeit verringern können.
Gibt es konkrete Vorschläge, wie Sie unabhängiger werden könnten?
Büttner: Zum einen überlegen wir, uns mit anderen Projekten zusammenzufinden, um uns teilweise gegenseitig zu finanzieren. Zum anderen denken wir über mehr Community-basierte Finanzierung nach, beispielsweise durch Fördermitgliedschaften.
Müller: Nach wie vor wollen wir aber keine Eintrittsgelder für die Winterwerft nehmen. Das ist unsere Philosophie: Kultur muss niedrigschwellig sein. Dadurch erreichen wir Menschen, die normalerweise gar nicht ins Theater gehen. Es hat viel damit zu tun, wo man sich wohl- und eingeladen fühlt.
Das schlägt die Brücke zum diesjährigen Motto: „This Is Home“. Inwiefern prägt dieses Motto das Festival-Programm?
Büttner: Der Titel stellt natürlich die Frage, was eine Heimat überhaupt ist oder sein kann. Mit dieser Frage geht es um politische oder kriegerische Auseinandersetzungen – wem gehört welcher Landstrich? Es geht um Flucht und Migration und es geht um das Verhältnis von Mensch und Natur. Diese Fragen versuchen wir, im Programm einzufangen.
Kam zuerst das Motto oder die Stücke?
Müller: Zuerst kommt immer das Motto, dann fragen wir Stücke an, holen internationale Perspektiven ein. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel das Stück „Kaffee mit Zucker“ von Laia Ribera Cañénguez. Darin wird eine Geschichte von Kaffee und Zucker im Verbund mit der deutschen Kolonialgeschichte erzählt – und genau darum geht es uns: unterschiedlichste Fragen zusammenzubringen und zu bearbeiten: Wie schaut die Welt jetzt aus? Wie steht es um die Klimakrise? Wo liegen die Wurzeln? Diese Fragen wollen wir nicht nur abstrakt stellen, sondern auch mit dem Persönlichen verbinden.
Tatsächlich fühlen sich viele Menschen durch Ihr Programm persönlich angesprochen. Wenigstens steigen Ihre Besucherzahlen stetig, während andere Theater nach Corona immer noch nicht völlig ausgelastet sind. Warum klappt es bei Ihnen besser?
Büttner: Da kann man nur mutmaßen. Ich glaube, dass es zum einen tatsächlich an der Atmosphäre liegt: Die Menschen fühlen sich hier willkommen. Zum anderen glaube ich schon, dass wir es schaffen, Themen aufzugreifen, die irgendwo im Untergrund schwelen und mit denen sich viele Menschen auseinandersetzen wollen.
Müller: Außerdem ist unser Programm relativ barrierefrei. Anstelle sehr textlastiger Stücke zeigen wir viel körperbasiertes Theater, wodurch es wenig Barrieren durch Sprachkenntnisse und kulturelles Vorwissen gibt.
Auf welche Programmpunkte freuen Sie sich persönlich am meisten?
Müller: Ich freue mich sehr darauf, dass wir dieses Jahr das Winterwerft-Gelände verlassen und zum ersten Mal mit einigen Shows in den Riederwald gehen. Dort findet zum Beispiel die Performance „Attraversamenti“ des Residui Teatro statt. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Migration und geht passend dazu einen Weg ab.
Büttner: Worauf ich mich persönlich am meisten freue, sind die Stücke, die es gerade noch gar nicht gibt – weil sie erst während der Winterwerft entstehen werden. Im Theaterlabor kommen lokale Künstlerinnen mit Menschen und Kunstschaffenden aus ganz Europa zusammen und erarbeiten dabei etwas Neues. Am letzten Samstag findet dann die „Final Show“ statt. Wie das Ganze bis dahin heißen und worum es gehen wird, werden wir dann erleben.
Das Programm finden Sie hier.
30. Januar 2025, 10.08 Uhr
Julian Mackenthun
Julian Mackenthun
Julian Mackenthun, geboren 1993, studierte Englisch und Geschichte an der Goethe-Universität. Seit 2020 leitet er das Theater-Ressort des Journal Frankfurt. Mehr von Julian
Mackenthun >>
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30. Januar 2025
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