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Im Gespräch mit Alex Azary
„Für uns ist Techno keine Musikrichtung, sondern ein Lebensgefühl“
Ein Projekt wird seit Jahren zerredet: Das Museum of Modern Electronic Music (MOMEM). Wir haben uns mit dem Vordenker des in Gründung befindlichen Museums getroffen, um in Erinnerung zu rufen, was der Stadt entgehen könnte.
Komplett aus dem Takt geraten, oder nur ein paar Beats verpasst? Die Entstehung des MOMEM, die im Jahre 2016 feierlich verkündet wurde, lässt auf sich warten. Über den Sommer dieses Jahres diskutierten die Römer-Politiker teils hektisch und leidenschaftlich über die nötigen Zuschüsse beziehungsweise Darlehen zur Anschubfinanzierung. Von der zeitnahen Eröffnung bis zur endgültigen Absage des Projekts war alles denkbar, obwohl die Räume in der Zwischenebene der Hauptwache längst bereit stehen. Vor allem scheinen ganz unterschiedliche Vorstellungen im Raum zu stehen, was das MOMEM eigentlich leisten kann. Wir wollen versuchen, die Diskussion zu versachlichen und fragen den Fördervereinsvorsitzenden Alex Azary, was eigentlich dieses Museum bringen würde.
JOURNAL FRANKFURT: Wenn Du hörst ‚die wollen ein Techno-Museum machen‘, was denkst Du dann?
Alex Azary: Mittlerweile habe ich mich ja fast daran gewöhnt. Aber ehrlich gesagt ist das viel zu kurz gesprungen. Für uns ist Techno keine Musikrichtung, sondern ein Lebensgefühl, das wir seit den 80er- und 90er-Jahren leben.
Was genau habt Ihr vor? Was wird im MOMEM untersucht beziehungsweise präsentiert?
Wir nennen uns zwar ‚Museum für moderne elektronische Musik‘ aber die Musik ist hier die Plattform, die Basis, der Dreh- und Angelpunkt. Uns geht es um die gesamte Clubkultur, also auch diese ganzen anderen Fachbereiche, die sich da angesiedelt haben. Da geht es ganz besonders um Kunst und Kreativität. Es geht um Grafik und Design, um Fotografie und Video, um Mode und um Technologie. Selbst Themen wie Architektur, also ‚wie werden Räume in Club-Räume überführt‘? Wie wird mit Beleuchtung hantiert? Was kann man mit Technik machen? Also all das, was in den vergangenen Jahrzehnten aus dieser Clubkultur, aus dieser Bewegung heraus entstanden ist.
An dieser Stelle unseres Gesprächs zeigt mir Azary die Unterlagen zur Ausstellung, die das MOMEM zur Eröffnung aus Paris übernehmen sollte. „Electro – Von Kraftwerk bis Daft Punk“. Bis vergangenen August war diese in der Philharmonie de Paris zu sehen und konnte sich eines enormen Publikumansturms erfreuen. Wären alle Versprechungen seitens der Stadt Frankfurt eingehalten worden, sagt Azary, hätten sie diese Schau rund um Kunst, Design und Musik in den Räumen an der Hauptwache präsentieren können. Darin Exponate von Kraftwerk, Daft Punkt und Jean-Michel Jarre sowie Werke von weltbekannten Künstler, die keine Musik machen, die aber ihre Arbeit in direkter Linie zur revolutionären Entwicklung der elektronischen Musik sehen. Star-Fotograf Andreas Gursky gehört zum Beispiel dazu.
Fragen wir dann mal anders: Warum hätte genau diese Ausstellung der ideale Anfang für das MOMEM sein können?
Wir haben ja unser Konzept auch anderen Frankfurter Museumsdirektoren gezeigt. Und einer meinte zu uns: Eigentlich wärt ihr ja so etwas wie das „MMK4“ (also eine weitere Fortführung des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, Anm. der Red.). Das könnte man schon so sehen, aber genau genommen, ist selbst das für uns zu kurz gesprungen. Wir sehen uns eher wie das ZKM in Karlsruhe. Weil wir sehr viel mit Elektronik und mit digitaler Kunst und Technologie in Verbindung stehen. Und das nicht nur rückblickend, sondern auch nach vorne schauend. Wir wollen auch untersuchen, wohin die Reise geht.
Also Clubkultur als eine Art angewandter Kunst? Und wenn man weitere Anknüpfungspunkte zur Frankfurter Museumslandschaft sucht, fallen einem ja auch sofort Film, Architektur und Kommunikation ein.
Genau das ist uns von Anfang an sehr wichtig gewesen. Wir sehen uns weder als Konkurrent noch als Außenstehender. Wir sehen uns als mögliche Schnittstelle zwischen den verschiedenen Kulturinstitutionen Frankfurts.
Würden nach Eurem Plan denn in Zukunft Menschen extra nach Frankfurt reisen, um das MOMEM zu besuchen?
Lustigerweise kommen die Leute jetzt schon. Wenn Du heute bei Google Maps nach MOMEM suchst, erscheint meine Privat-
adresse. Weil der Verein da registriert ist. An meiner Tür klingeln ständig Leute aus Brasilien, Frankreich, Spanien, England, von überall her, weil sie denken, da wäre das Museum. Auch über Facebook und über unsere Plattform haben wir Anfragen aus der ganzen Welt. Die Leute wollten mit Bussen aus Belgien kommen, Studierendengruppen aus London, die mit ihren Professoren und Professorinnen sofort nach Frankfurt kommen würden, um im MOMEM vorbeizuschauen.
Sind das wirklich konkrete Anfragen?
Absolut. Wir haben ständig internationale Anfragen von Leuten, die wissen wollen, was der Eintritt kostet. Diese Leute aus der Clubkultur sind ja alle sehr mobil. Die fliegen nach Berlin zum Feiern, irgendwo ist ein Festival und dort fliegen sie hin. Das heißt, für die ist reisen, um etwas Tolles zu sehen, überhaupt keine Frage.
Und damit sollte doch auch bei den Stadtpolitikern und -politikerinnen, denen das Nightlife nicht im Tanzblut steckt, ein Groschen fallen. Viele Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte haben ihren kreativen Ursprung in der Clubkultur, egal, ob das nun Techno ist oder eine andere elektronische Musikrichtung. Ja, man kann davon ausgehen, dass Frankfurt als Geburtsstadt des Techno (der Frankfurter DJ Talla 2XLC hat tatsächlich den Begriff erfunden) ganz neue, interessante Menschen anziehen wird – falls das MOMEM eines Tages Wirklichkeit wird.
Dieses Interview ist zuerst in der Ausgabe 11/2019 im JOURNAL FRANKFURT erschienen.
JOURNAL FRANKFURT: Wenn Du hörst ‚die wollen ein Techno-Museum machen‘, was denkst Du dann?
Alex Azary: Mittlerweile habe ich mich ja fast daran gewöhnt. Aber ehrlich gesagt ist das viel zu kurz gesprungen. Für uns ist Techno keine Musikrichtung, sondern ein Lebensgefühl, das wir seit den 80er- und 90er-Jahren leben.
Was genau habt Ihr vor? Was wird im MOMEM untersucht beziehungsweise präsentiert?
Wir nennen uns zwar ‚Museum für moderne elektronische Musik‘ aber die Musik ist hier die Plattform, die Basis, der Dreh- und Angelpunkt. Uns geht es um die gesamte Clubkultur, also auch diese ganzen anderen Fachbereiche, die sich da angesiedelt haben. Da geht es ganz besonders um Kunst und Kreativität. Es geht um Grafik und Design, um Fotografie und Video, um Mode und um Technologie. Selbst Themen wie Architektur, also ‚wie werden Räume in Club-Räume überführt‘? Wie wird mit Beleuchtung hantiert? Was kann man mit Technik machen? Also all das, was in den vergangenen Jahrzehnten aus dieser Clubkultur, aus dieser Bewegung heraus entstanden ist.
An dieser Stelle unseres Gesprächs zeigt mir Azary die Unterlagen zur Ausstellung, die das MOMEM zur Eröffnung aus Paris übernehmen sollte. „Electro – Von Kraftwerk bis Daft Punk“. Bis vergangenen August war diese in der Philharmonie de Paris zu sehen und konnte sich eines enormen Publikumansturms erfreuen. Wären alle Versprechungen seitens der Stadt Frankfurt eingehalten worden, sagt Azary, hätten sie diese Schau rund um Kunst, Design und Musik in den Räumen an der Hauptwache präsentieren können. Darin Exponate von Kraftwerk, Daft Punkt und Jean-Michel Jarre sowie Werke von weltbekannten Künstler, die keine Musik machen, die aber ihre Arbeit in direkter Linie zur revolutionären Entwicklung der elektronischen Musik sehen. Star-Fotograf Andreas Gursky gehört zum Beispiel dazu.
Fragen wir dann mal anders: Warum hätte genau diese Ausstellung der ideale Anfang für das MOMEM sein können?
Wir haben ja unser Konzept auch anderen Frankfurter Museumsdirektoren gezeigt. Und einer meinte zu uns: Eigentlich wärt ihr ja so etwas wie das „MMK4“ (also eine weitere Fortführung des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, Anm. der Red.). Das könnte man schon so sehen, aber genau genommen, ist selbst das für uns zu kurz gesprungen. Wir sehen uns eher wie das ZKM in Karlsruhe. Weil wir sehr viel mit Elektronik und mit digitaler Kunst und Technologie in Verbindung stehen. Und das nicht nur rückblickend, sondern auch nach vorne schauend. Wir wollen auch untersuchen, wohin die Reise geht.
Also Clubkultur als eine Art angewandter Kunst? Und wenn man weitere Anknüpfungspunkte zur Frankfurter Museumslandschaft sucht, fallen einem ja auch sofort Film, Architektur und Kommunikation ein.
Genau das ist uns von Anfang an sehr wichtig gewesen. Wir sehen uns weder als Konkurrent noch als Außenstehender. Wir sehen uns als mögliche Schnittstelle zwischen den verschiedenen Kulturinstitutionen Frankfurts.
Würden nach Eurem Plan denn in Zukunft Menschen extra nach Frankfurt reisen, um das MOMEM zu besuchen?
Lustigerweise kommen die Leute jetzt schon. Wenn Du heute bei Google Maps nach MOMEM suchst, erscheint meine Privat-
adresse. Weil der Verein da registriert ist. An meiner Tür klingeln ständig Leute aus Brasilien, Frankreich, Spanien, England, von überall her, weil sie denken, da wäre das Museum. Auch über Facebook und über unsere Plattform haben wir Anfragen aus der ganzen Welt. Die Leute wollten mit Bussen aus Belgien kommen, Studierendengruppen aus London, die mit ihren Professoren und Professorinnen sofort nach Frankfurt kommen würden, um im MOMEM vorbeizuschauen.
Sind das wirklich konkrete Anfragen?
Absolut. Wir haben ständig internationale Anfragen von Leuten, die wissen wollen, was der Eintritt kostet. Diese Leute aus der Clubkultur sind ja alle sehr mobil. Die fliegen nach Berlin zum Feiern, irgendwo ist ein Festival und dort fliegen sie hin. Das heißt, für die ist reisen, um etwas Tolles zu sehen, überhaupt keine Frage.
Und damit sollte doch auch bei den Stadtpolitikern und -politikerinnen, denen das Nightlife nicht im Tanzblut steckt, ein Groschen fallen. Viele Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte haben ihren kreativen Ursprung in der Clubkultur, egal, ob das nun Techno ist oder eine andere elektronische Musikrichtung. Ja, man kann davon ausgehen, dass Frankfurt als Geburtsstadt des Techno (der Frankfurter DJ Talla 2XLC hat tatsächlich den Begriff erfunden) ganz neue, interessante Menschen anziehen wird – falls das MOMEM eines Tages Wirklichkeit wird.
Dieses Interview ist zuerst in der Ausgabe 11/2019 im JOURNAL FRANKFURT erschienen.
12. November 2019, 11.48 Uhr
Jens Prewo
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