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Hipp ist cool
Ilona Haberkamp in der Romanfabrik
In einem Gesprächskonzert in der Frankfurter Romanfabrik würdigt Ilona Haberkamp „Europe’s First Lady of Jazz“ und erinnert an Jutta Hipp, die New York eroberte, aber das Klavierspielen aufgab.
JOURNAL FRANKFURT: Wie werden Sie den Abend in der Romanfabrik gestalten, gibt es bei der Konzertlesung einen ausgeglichen Musik- und Wortanteil?
Ilona Haberkamp: Der Abend wird nicht ganz 50 Prozent zu 50 Prozent sein, vielleicht 60Prozent Wort und 40 Prozent Musik. Da ich nicht nur einfach aus dem Buch lese, sondern oft frei spreche, um die Übergänge geschmeidiger hinzubekommen, ist eigentlich jede Konzertlesung anders. Manchmal ergänzen wir ein musikalisches Stück, manchmal fällt etwas weg. Also auch hier ist Improvisation angesagt, was nicht unbedingt leichter ist für mich. Es werden auch Gedichte von Jutta Hipp, die ich vertont habe, von mir vorgetragen, anderes werde ich mit dem Saxophon spielen oder der Pianist spielt auch mal Solo.
„Jutta Hipp hatte einiges geopfert für die Musik und dann doch hingeschmissen“
Auf der Website der Romanfabrik ist von einer besonderen Beziehung von Ilona Haberkamp zu Jutta Hipp die Rede. Wie hat sich die entwickelt – haben Sie erst ihre Musik kennengelernt zu Reichlich Weiblich-Zeiten, der ersten Frauen-Bigband Deutschlands? Dann las ich von einer Diplomarbeit einer Kollegin und dem damit verbundenen Besuch in New York. Wann war der denn und war es leicht, sie dort zu finden?
1986 besuchte ich Jutta Hipp mit Iris Kramer (geborene Timmermann) in New York. Wir waren auf der Suche nach unseren Jazzmüttern hier in Deutschland, fanden aber niemanden außer den Sängerinnen Inge Brandenburg und Caterina Valente. Die Vibraphonistin Vera Auer stammte aus Österreich, hatte aber nie den Erfolg erlangt wie Jutta Hipp ihrer Zeit. Wir beide waren Mitbegründerinnen der ersten deutschen Frauen Big Band Reichlich Weiblich. Ulrike Haage war eine unserer Komponistinnen und unsere Pianistin. Die Aufarbeitung unserer Reichlich Weiblich Geschichte wird es noch geben, bei mir lagern Kisten mit Artikeln und Material.
Jutta Hipp war für uns interessant, denn was wir damals nicht begreifen konnten, warum eine Frau den Jazz, den sie so sehr liebt, aufgibt. Jutta Hipp hatte einiges geopfert für den Jazz und dann doch hingeschmissen. Für uns ein Rätsel, wenn man so viel erreicht hat wie sie. Iris wollte ihre Diplom- Arbeit über Frauen im Jazz aktuell in Deutschland schreiben und ein Kapitelchen sollte Jutta Hipp gewidmet sein. Ihre Professorin aus Hamburg gab ihr die Adresse. Also packten wir unsere Instrumente ein und flogen nach New York im August 1986 damals noch mit unserer frisch eingespielten „Reichlich Weiblich“ Maxi Single unterm Arm.
Mit Jutta hatten wir vorher schon brieflich und telefonisch Kontakt. Jahrelang blieben wir nach unserem Kennenlernen in Kontakt, riefen uns zum Geburtstag an und schrieben Karten und Briefe. Oftmals verzierte sie ihre Briefe mit Zeichnungen oder legte uns Artikel über Jazz oder New York dazu. Oder Ihre neusten gemalten Aquarelle als Fotos oder andere New York Fotografien. Auch Platten schickte sie mir und Jazzbücher.
Persönliches Treffen mit Jutta Hipp in New York
Hat dieses persönliche Treffen dazu geführt, Platten- und Buchprojekt voranzutreiben und hat das dazu geführt, dass Jutta Hipp jetzt (wieder) mehr wahrgenommen und gewertschätzt wird?
Kurz nach unserem Besuch in New York waren wir fest entschlossen Jutta Hipp wieder aus der Versenkung zu holen. Ein Traum war es, sie nach Deutschland zu holen und dass sie mit uns auftritt. Einen Film wollten wir machen. Aber sie wollte nicht nach Deutschland kommen, noch wollte sie sich wieder ans Klavier setzen. Das haben wir so akzeptiert, aber der Wunsch irgendetwas zu machen, damit sie ins rechte Licht gerückt wird, war da. Nur, man kann nichts in die Wege leiten, wenn sie nicht einverstanden ist und ihren eigenen Wert nicht richtig einschätzen kann.
Ab Mitte/ Ende der 90er-Jahre hatten wir selbst eine kleine Familie und so ebbte unser Kontakt ab. Nach ihrem Tod 2003 aber war ich fest entschlossen, es anzugehen. Wir hatten ein Interview von 70 Minuten, welches auch der größte Schatz ist, denn hier spricht sie sehr privat und locker. Zweimal mussten wir das Band damals stoppen, damit das, was sie sagte, nicht aufgenommen wird. Aber es war ihr ja wichtig, es uns mitteilen. Wir hatten alle das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen. Und das hängt damit zusammen, dass wir wussten, wovon sie spricht, weil wir ähnliches erlebt haben.
Erste musikalische Hommage 2013 bei den Berliner Jazztagen
Dann entwickelte ich meine erste musikalische Hommage 2013 und trat damit auf den Berliner Jazztagen auf. Zwei Jahre später erhielt ich ein Angebot einer Plattenfirma, die all ihre Musik zum 90. Geburtstag herausgeben wollte. Damit verbunden war eine Buch- Dokumentation mit allen Bildern, Fotos, die ich sammelte und Biografie, die ich geschrieben habe. Der Jazzsammler Gerhard Evertz konnte auch viel an Material beisteuern. Immer wieder war aber auch die Idee einer Film Dokumentation, viele Versuche scheiterten immer wieder. Kein Sender hat angebissen.
Die letzte Biografie „Plötzlich Hip(p)“ war nun der letzte Tropfen, der alles ins Rollen gebracht hat. Ich denke durch meine Beharrlichkeit Jutta Hipp den berechtigten Platz in der Jazzgeschichte zu geben und nicht aufzuhören, ist vieles passiert. Aber vielleicht muss es erst den 100. Geburtstag geben, damit die verantwortlichen Leute den künstlerischen Wert von Jutta Hipp erkennen. Jetzt überschlägt sich alles. Es wird ein Doku geben auf Arte, es wird ein Theaterstück geben, es wird langfristig einen mehrteiligen Spielfilm geben. Zum 100. Geburtstag am 4. Februar 2025 wird die Stadt Leipzig diesen musikalisch feiern, mit verschiedenen Besetzungen, die eigens Dafür komponiert werden.
Frankfurt als musikalische Station für Jutta Hipp
Wie wichtig ist es, gerade in Frankfurt an sie zu erinnern und gibt es eine bestimmte Botschaft, die sie mit diesem Projekt verbinden?
Frankfurt ist für die Karriere von Jutta Hipp sehr wichtig gewesen. Hier waren alle wichtigen Musikerpersönlichkeiten, die sie unterstützt haben und mit denen sie zusammenarbeiten konnte. Hans Koller erweitert das Quartett mit Albert Mangelsdorff, das Quintett ist die modernste Band im Jaz zu dieser Zeit. Dann das Deutsche Jazzfestival, das Domicile Du Jazz als Dreh- und Angelpunkt für alle amerikanischen und auch ausländischen Jazzmusiker. Carlo Bohländer als ständiger Initiator, Horst Lippmann. Die Gründung des Jutta Hipp Quintetts mit Frankfurter Musiker wie Emil Mangelsdorff und Joki Freund. Juttas Ehrung als beste Jazzpianistin in Deutschland. Das meiste hat in Frankfurt stattgefunden und die Entwicklung des typischen Frankfurt Sound, den coolen Jazz, den sie bis nach New York trägt. Daher ist Frankfurt als musikalische Station in ihrer Biografie ganz wichtig und prägend.
Die Botschaft des Projekts? Erinnerung an eine Frau, die ihrer Leidenschaft folgt, aber immer eigene Entscheidungen trifft, auch wenn so manche diese nicht nachvollziehen können. Das sie mit dem Pianospiel aufhörte, mag man als Scheitern ansehen, aber auch als mutige Entscheidung, das was man liebt loszulassen, wenn es einem nicht mehr guttut. Den Jazz liebt sie weiterhin, aber nur als Zuhörerin. Interview: Detlef Kinsler
Info
Ilona Haberkamp Trio: Plötzlich Hip(p), Ffm: Romanfabrik, 7.2., 20 Uhr, Eintritt: 15–25 Euro
Ilona Haberkamp: Der Abend wird nicht ganz 50 Prozent zu 50 Prozent sein, vielleicht 60Prozent Wort und 40 Prozent Musik. Da ich nicht nur einfach aus dem Buch lese, sondern oft frei spreche, um die Übergänge geschmeidiger hinzubekommen, ist eigentlich jede Konzertlesung anders. Manchmal ergänzen wir ein musikalisches Stück, manchmal fällt etwas weg. Also auch hier ist Improvisation angesagt, was nicht unbedingt leichter ist für mich. Es werden auch Gedichte von Jutta Hipp, die ich vertont habe, von mir vorgetragen, anderes werde ich mit dem Saxophon spielen oder der Pianist spielt auch mal Solo.
Auf der Website der Romanfabrik ist von einer besonderen Beziehung von Ilona Haberkamp zu Jutta Hipp die Rede. Wie hat sich die entwickelt – haben Sie erst ihre Musik kennengelernt zu Reichlich Weiblich-Zeiten, der ersten Frauen-Bigband Deutschlands? Dann las ich von einer Diplomarbeit einer Kollegin und dem damit verbundenen Besuch in New York. Wann war der denn und war es leicht, sie dort zu finden?
1986 besuchte ich Jutta Hipp mit Iris Kramer (geborene Timmermann) in New York. Wir waren auf der Suche nach unseren Jazzmüttern hier in Deutschland, fanden aber niemanden außer den Sängerinnen Inge Brandenburg und Caterina Valente. Die Vibraphonistin Vera Auer stammte aus Österreich, hatte aber nie den Erfolg erlangt wie Jutta Hipp ihrer Zeit. Wir beide waren Mitbegründerinnen der ersten deutschen Frauen Big Band Reichlich Weiblich. Ulrike Haage war eine unserer Komponistinnen und unsere Pianistin. Die Aufarbeitung unserer Reichlich Weiblich Geschichte wird es noch geben, bei mir lagern Kisten mit Artikeln und Material.
Jutta Hipp war für uns interessant, denn was wir damals nicht begreifen konnten, warum eine Frau den Jazz, den sie so sehr liebt, aufgibt. Jutta Hipp hatte einiges geopfert für den Jazz und dann doch hingeschmissen. Für uns ein Rätsel, wenn man so viel erreicht hat wie sie. Iris wollte ihre Diplom- Arbeit über Frauen im Jazz aktuell in Deutschland schreiben und ein Kapitelchen sollte Jutta Hipp gewidmet sein. Ihre Professorin aus Hamburg gab ihr die Adresse. Also packten wir unsere Instrumente ein und flogen nach New York im August 1986 damals noch mit unserer frisch eingespielten „Reichlich Weiblich“ Maxi Single unterm Arm.
Mit Jutta hatten wir vorher schon brieflich und telefonisch Kontakt. Jahrelang blieben wir nach unserem Kennenlernen in Kontakt, riefen uns zum Geburtstag an und schrieben Karten und Briefe. Oftmals verzierte sie ihre Briefe mit Zeichnungen oder legte uns Artikel über Jazz oder New York dazu. Oder Ihre neusten gemalten Aquarelle als Fotos oder andere New York Fotografien. Auch Platten schickte sie mir und Jazzbücher.
Hat dieses persönliche Treffen dazu geführt, Platten- und Buchprojekt voranzutreiben und hat das dazu geführt, dass Jutta Hipp jetzt (wieder) mehr wahrgenommen und gewertschätzt wird?
Kurz nach unserem Besuch in New York waren wir fest entschlossen Jutta Hipp wieder aus der Versenkung zu holen. Ein Traum war es, sie nach Deutschland zu holen und dass sie mit uns auftritt. Einen Film wollten wir machen. Aber sie wollte nicht nach Deutschland kommen, noch wollte sie sich wieder ans Klavier setzen. Das haben wir so akzeptiert, aber der Wunsch irgendetwas zu machen, damit sie ins rechte Licht gerückt wird, war da. Nur, man kann nichts in die Wege leiten, wenn sie nicht einverstanden ist und ihren eigenen Wert nicht richtig einschätzen kann.
Ab Mitte/ Ende der 90er-Jahre hatten wir selbst eine kleine Familie und so ebbte unser Kontakt ab. Nach ihrem Tod 2003 aber war ich fest entschlossen, es anzugehen. Wir hatten ein Interview von 70 Minuten, welches auch der größte Schatz ist, denn hier spricht sie sehr privat und locker. Zweimal mussten wir das Band damals stoppen, damit das, was sie sagte, nicht aufgenommen wird. Aber es war ihr ja wichtig, es uns mitteilen. Wir hatten alle das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen. Und das hängt damit zusammen, dass wir wussten, wovon sie spricht, weil wir ähnliches erlebt haben.
Dann entwickelte ich meine erste musikalische Hommage 2013 und trat damit auf den Berliner Jazztagen auf. Zwei Jahre später erhielt ich ein Angebot einer Plattenfirma, die all ihre Musik zum 90. Geburtstag herausgeben wollte. Damit verbunden war eine Buch- Dokumentation mit allen Bildern, Fotos, die ich sammelte und Biografie, die ich geschrieben habe. Der Jazzsammler Gerhard Evertz konnte auch viel an Material beisteuern. Immer wieder war aber auch die Idee einer Film Dokumentation, viele Versuche scheiterten immer wieder. Kein Sender hat angebissen.
Die letzte Biografie „Plötzlich Hip(p)“ war nun der letzte Tropfen, der alles ins Rollen gebracht hat. Ich denke durch meine Beharrlichkeit Jutta Hipp den berechtigten Platz in der Jazzgeschichte zu geben und nicht aufzuhören, ist vieles passiert. Aber vielleicht muss es erst den 100. Geburtstag geben, damit die verantwortlichen Leute den künstlerischen Wert von Jutta Hipp erkennen. Jetzt überschlägt sich alles. Es wird ein Doku geben auf Arte, es wird ein Theaterstück geben, es wird langfristig einen mehrteiligen Spielfilm geben. Zum 100. Geburtstag am 4. Februar 2025 wird die Stadt Leipzig diesen musikalisch feiern, mit verschiedenen Besetzungen, die eigens Dafür komponiert werden.
Wie wichtig ist es, gerade in Frankfurt an sie zu erinnern und gibt es eine bestimmte Botschaft, die sie mit diesem Projekt verbinden?
Frankfurt ist für die Karriere von Jutta Hipp sehr wichtig gewesen. Hier waren alle wichtigen Musikerpersönlichkeiten, die sie unterstützt haben und mit denen sie zusammenarbeiten konnte. Hans Koller erweitert das Quartett mit Albert Mangelsdorff, das Quintett ist die modernste Band im Jaz zu dieser Zeit. Dann das Deutsche Jazzfestival, das Domicile Du Jazz als Dreh- und Angelpunkt für alle amerikanischen und auch ausländischen Jazzmusiker. Carlo Bohländer als ständiger Initiator, Horst Lippmann. Die Gründung des Jutta Hipp Quintetts mit Frankfurter Musiker wie Emil Mangelsdorff und Joki Freund. Juttas Ehrung als beste Jazzpianistin in Deutschland. Das meiste hat in Frankfurt stattgefunden und die Entwicklung des typischen Frankfurt Sound, den coolen Jazz, den sie bis nach New York trägt. Daher ist Frankfurt als musikalische Station in ihrer Biografie ganz wichtig und prägend.
Die Botschaft des Projekts? Erinnerung an eine Frau, die ihrer Leidenschaft folgt, aber immer eigene Entscheidungen trifft, auch wenn so manche diese nicht nachvollziehen können. Das sie mit dem Pianospiel aufhörte, mag man als Scheitern ansehen, aber auch als mutige Entscheidung, das was man liebt loszulassen, wenn es einem nicht mehr guttut. Den Jazz liebt sie weiterhin, aber nur als Zuhörerin. Interview: Detlef Kinsler
Ilona Haberkamp Trio: Plötzlich Hip(p), Ffm: Romanfabrik, 7.2., 20 Uhr, Eintritt: 15–25 Euro
3. Februar 2025, 12.23 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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3. Februar 2025
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