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Frankfurter Performance-Projekt
Gallus-Geschichten
Martina Droste und das Junge Schauspiel Frankfurt erforschen Zeitzeugenschaften im Gallus und präsentieren ihre Recherche in einem dreiteiligen Performance-Projekt.
Frankfurt wirbt mit Diversität. Auf der Website der Stadt sollen 177 in Frankfurt vertretene Nationen die Stadt attraktiv machen. Doch wie wird Diversität in der internationalsten Stadt in Deutschland gelebt? Martina Droste, Leiterin des Jungen Schauspiels Frankfurt, behandelt in ihrer Arbeit Themen wie Beheimatung, erzwungene Migration und gesellschaftliche Ausgrenzung. Vergessene, unzureichend oder nie erzählte Geschichten von Opfergruppen wie Zwangs-, Fremd- oder sogenannten Gastarbeitern werden bei ihrem neuesten Projekt „Gallus-Geschichten“ konkret vom Stadtrand in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Recherchen reichen vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart und schaffen Bewusstsein für diese Geschichten in der Zukunft.
Das Projekt besteht aus drei Teilen
Das Projekt, welches die gesamte Spielzeit laufen wird und das ehemalige Arbeiterviertel Gallus in den Fokus nimmt, besteht aus drei Teilen: Das Performance-Projekt „Zeit für Zeug*innen“, einzelne künstlerische Arbeiten zusammengefasst in „Aus freien Stücken?“ und das Theaterprojekt in den Kammerspielen „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“. Das Zusammenkommen von großen Häusern wie dem Schauspiel Frankfurt mit kleinen, engagierten Institutionen wie beispielsweise dem Mehrgenerationenhaus Frankfurt Gallus, verbindet auch inhaltlich verschiedene Generationen, Kulturen und Orte zu einem inklusiven Miteinander. Ausgangspunkt für das Projekt ist das Historische Museum. Besser gesagt die aktuelle Sonderausstellung „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“.
Im Erinnerungslabor kamen die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler mit sogenannten „Erinnerungslaborant*innen“ aus dem Stadtlabor zusammen. Aus gemeinsamen Gesprächen und achtwöchiger Recherche entstand der Leitfaden für „Zeit für Zeug*innen“. Das Stück unter Drostes Regie feierte am 23. November zwischen Ausstellungsstücken in der obersten Etage des Historischen Museums Premiere und reißt Ebenen und Themen des Gesamtprojekts an. Mit Empathie und großem Mut vermittelt das diverse Ensemble die Gefühlserbschaften von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die unterschiedlichste Diktaturerfahrungen, Arbeits- und Freiheitskämpfe wie auch Krisen durchlebten. Auch eigene Erfahrungen der Spielenden schwingen mit.
„Gallus-Geschichten“ sollen Impulse geben, die länger nachhallen
Berührt verlassen viele den Schauplatz. Doch „Gallus-Geschichten“ soll, besonders im zweiten Teil „Aus freien Stücken?“, in Form von vielen kleinen Projekten Impulse geben, die länger nachhallen. „Das Projekt setzt auf viele Multiplikationseffekte, die an den Vernetzungen des Viertels andocken“, so Droste. Die Recherchen und Zeitzeug*innenschaften werden mithilfe künstlerischer Mittel an einem Abend mit allen beteiligten Institutionen im Gallus Theater präsentiert. Außerdem sollen geeignete Projekte wie Videoarbeiten oder Kurzfilme in die Sammlung einzelner Partner aufgenommen werden, einer davon ist der Geschichtsort Adlerwerke.
„Davon haben wir nichts gewusst“, heißt es oft in der Retrospektive des Nationalsozialismus. Der Geschichtsort Adlerwerke, eine Gedenk- und Bildungsstätte, vermittelt Wissen über die Vergangenheit für ein besseres Verständnis der Gegenwart. Die Adlerwerke waren ein Automobilhersteller im Gallus, der sich im Zweiten Weltkrieg mehr und mehr zum Rüstungsunternehmen entwickelte. Um die in den Krieg gezogenen Arbeiter zu ersetzen, kam es zu Zwangsarbeit, in deren Rahmen eine KZ-Außenstelle unter dem Decknamen Katzbach in den Adlerwerken geschaffen wurde.
Nicht umsonst wird das Projekt im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft (EVZ) gefördert. „Wenn wir uns die Geschichte der Arbeitsimmigration nach 1945 anschauen, glaube ich, dass wir ganz viele rassistische Strukturen nicht bearbeitet haben“, sagt Droste. Haltungen, Strukturen und Gefühlserbschaften gilt es zu erforschen, welche bis heute Konsequenzen für volle Teilhabe und Beheimatung von ehemaligen sogenannten „Gastarbeitenden“ und ihren Nachkommen in Deutschland nach sich zieht. „Mir haben die Jugendlichen im Kontakt ihre Not in der heutigen Gesellschaft sehr deutlich gemacht, deswegen ist das mein Motiv“, erklärt Droste.
Es werden Themen behandelt, die vor Aktualität nur so brennen
Seit über zehn Jahren arbeitet die Theaterpädagogin mit dem Jugendclub des Schauspiels Frankfurt und behandelt mit jungen Menschen zwischen 14 und 25 Jahren Themen, die vor Aktualität nur so brennen. Damit kreieren sie gemeinsam keineswegs Kindertheater. Nein, sie lassen Stimmen hörbar werden. Eine Charakteristik, die auch in den „Gallus-Geschichten“ wiedererkannt werden kann. Das dritte Projekt der Reihe „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“ entsteht ebenfalls mit jungen Schauspieler*innen aus dem Jugendclub, eventuell sogar mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen aus dem Gallus. Diese oder Nachfahren von ihnen wie auch junge Schauspielerinnen und Schauspieler werden immer noch für die Produktion gesucht.
Mit „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“ entsteht ein Theaterstück, welches das umfangreiche Projekt in den Kammerspielen abschließt. Was damit begann, dass junge Menschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zuhören, führt zu einem Projekt, in dem Erwachsene Jugendliche anders wahrnehmen und ihnen zuhören können. „Es ist aber nicht so, dass ich behaupte, diese Generation müsse das jetzt richten, was meine Generation nicht geschafft hat“, versichert Droste und ergänzt, dass sie den Mut und die Klugheit junger Menschen öffentlich machen wolle.
Das Projekt, welches die gesamte Spielzeit laufen wird und das ehemalige Arbeiterviertel Gallus in den Fokus nimmt, besteht aus drei Teilen: Das Performance-Projekt „Zeit für Zeug*innen“, einzelne künstlerische Arbeiten zusammengefasst in „Aus freien Stücken?“ und das Theaterprojekt in den Kammerspielen „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“. Das Zusammenkommen von großen Häusern wie dem Schauspiel Frankfurt mit kleinen, engagierten Institutionen wie beispielsweise dem Mehrgenerationenhaus Frankfurt Gallus, verbindet auch inhaltlich verschiedene Generationen, Kulturen und Orte zu einem inklusiven Miteinander. Ausgangspunkt für das Projekt ist das Historische Museum. Besser gesagt die aktuelle Sonderausstellung „Zeitzeugenschaft? Ein Erinnerungslabor“.
Im Erinnerungslabor kamen die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler mit sogenannten „Erinnerungslaborant*innen“ aus dem Stadtlabor zusammen. Aus gemeinsamen Gesprächen und achtwöchiger Recherche entstand der Leitfaden für „Zeit für Zeug*innen“. Das Stück unter Drostes Regie feierte am 23. November zwischen Ausstellungsstücken in der obersten Etage des Historischen Museums Premiere und reißt Ebenen und Themen des Gesamtprojekts an. Mit Empathie und großem Mut vermittelt das diverse Ensemble die Gefühlserbschaften von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die unterschiedlichste Diktaturerfahrungen, Arbeits- und Freiheitskämpfe wie auch Krisen durchlebten. Auch eigene Erfahrungen der Spielenden schwingen mit.
Berührt verlassen viele den Schauplatz. Doch „Gallus-Geschichten“ soll, besonders im zweiten Teil „Aus freien Stücken?“, in Form von vielen kleinen Projekten Impulse geben, die länger nachhallen. „Das Projekt setzt auf viele Multiplikationseffekte, die an den Vernetzungen des Viertels andocken“, so Droste. Die Recherchen und Zeitzeug*innenschaften werden mithilfe künstlerischer Mittel an einem Abend mit allen beteiligten Institutionen im Gallus Theater präsentiert. Außerdem sollen geeignete Projekte wie Videoarbeiten oder Kurzfilme in die Sammlung einzelner Partner aufgenommen werden, einer davon ist der Geschichtsort Adlerwerke.
„Davon haben wir nichts gewusst“, heißt es oft in der Retrospektive des Nationalsozialismus. Der Geschichtsort Adlerwerke, eine Gedenk- und Bildungsstätte, vermittelt Wissen über die Vergangenheit für ein besseres Verständnis der Gegenwart. Die Adlerwerke waren ein Automobilhersteller im Gallus, der sich im Zweiten Weltkrieg mehr und mehr zum Rüstungsunternehmen entwickelte. Um die in den Krieg gezogenen Arbeiter zu ersetzen, kam es zu Zwangsarbeit, in deren Rahmen eine KZ-Außenstelle unter dem Decknamen Katzbach in den Adlerwerken geschaffen wurde.
Nicht umsonst wird das Projekt im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft (EVZ) gefördert. „Wenn wir uns die Geschichte der Arbeitsimmigration nach 1945 anschauen, glaube ich, dass wir ganz viele rassistische Strukturen nicht bearbeitet haben“, sagt Droste. Haltungen, Strukturen und Gefühlserbschaften gilt es zu erforschen, welche bis heute Konsequenzen für volle Teilhabe und Beheimatung von ehemaligen sogenannten „Gastarbeitenden“ und ihren Nachkommen in Deutschland nach sich zieht. „Mir haben die Jugendlichen im Kontakt ihre Not in der heutigen Gesellschaft sehr deutlich gemacht, deswegen ist das mein Motiv“, erklärt Droste.
Seit über zehn Jahren arbeitet die Theaterpädagogin mit dem Jugendclub des Schauspiels Frankfurt und behandelt mit jungen Menschen zwischen 14 und 25 Jahren Themen, die vor Aktualität nur so brennen. Damit kreieren sie gemeinsam keineswegs Kindertheater. Nein, sie lassen Stimmen hörbar werden. Eine Charakteristik, die auch in den „Gallus-Geschichten“ wiedererkannt werden kann. Das dritte Projekt der Reihe „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“ entsteht ebenfalls mit jungen Schauspieler*innen aus dem Jugendclub, eventuell sogar mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen aus dem Gallus. Diese oder Nachfahren von ihnen wie auch junge Schauspielerinnen und Schauspieler werden immer noch für die Produktion gesucht.
Mit „B-Heimat. Orte unserer Sehnsucht“ entsteht ein Theaterstück, welches das umfangreiche Projekt in den Kammerspielen abschließt. Was damit begann, dass junge Menschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zuhören, führt zu einem Projekt, in dem Erwachsene Jugendliche anders wahrnehmen und ihnen zuhören können. „Es ist aber nicht so, dass ich behaupte, diese Generation müsse das jetzt richten, was meine Generation nicht geschafft hat“, versichert Droste und ergänzt, dass sie den Mut und die Klugheit junger Menschen öffentlich machen wolle.
3. Januar 2025, 10.37 Uhr
Julius Opatz
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5. Januar 2025
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