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Filmwochenende zum Abschied
Kuratorin Karola Gramann geht in Ruhestand
Nach 25 Jahren verabschiedet sich die Gründerin und langjährige Leiterin Karola Gramann aus der Kinothek Asta Nielsen in Frankfurt. Ein Filmwochenende erinnert an Höhepunkte ihres kuratorischen Wirkens.
Sie ist aus der Frankfurter Filmkultur nicht wegzudenken. Und zu den zahlreichen Auszeichnungen, die Karola Gramann im Laufe ihres Schaffens erhielt, kam unlängst noch eine weitere hinzu: Ihr langjähriger Wegbegleiter Gunter Deller vom Mal Seh’n-Kino überreichte der Filmwissenschaftlerin kürzlich auf dem 48. Weiterstädter Open-Air-Festival den „Ehrenhirsch“. Mit dem Internationalen Home Movie Day der von ihr mitbegründeten Kinothek Asta Nielsen hatte sich die ehemalige Leiterin der Oberhausener Kurzfilmtage immer für Amateur-(Super 8-)Arbeiten als Zeitdokumente eingesetzt.
Experimentelle, dokumentarische und feministische Filmauswahl
Über die letzten Jahrzehnte bewies Gramann ferner einen geschulten Blick für die vielfältigen Ausprägungen der Filmhistorie. Mit Heide Schlüpmann und weiteren cineastischen Enthusiastinnen gründete sie 1999 in Frankfurt die Kinothek zur Wiederentdeckung, Archivierung und Präsentation feministischer Filmarbeit. Von 2006 bis 2018 leitete sie das inzwischen in der Stiftstraße angesiedelte Archiv.
Zahlreiche Festivals wie das Rosenfilmfest im Palmengarten, zwei Auflagen des Wetter-Festivals oder das Frauenfußball-Festival mündeten in den biennal stattfindenden Frankfurter Frauen Film Tagen („Remake“), einer Filmschau zwischen interessanten Ausgabungen und aktuellen Highlights. Daran will sie zum Abschied aus der Kinotheksarbeit mit einem viertägigen Rückblick erinnern: „Hello Goodbye“. Wie gewohnt war es ihr ein Anliegen, die meisten der historischen Produktionen auf Zelluloid zu zeigen – nicht einfach.
„Ich habe eine persönliche Auswahl getroffen, die zugleich die Arbeit der Kinothek Asta Nielsen spiegelt“, erläutert Gramann ihre Herangehensweise. „Es sind fast alles Filme, die irgendwann bei uns gelaufen sind.“ Darunter befinden sich neben – natürlich – einem Werk mit Stummfilmstar Asta Nielsen („Die Filmprimadonna“) die Pionierinnen Germaine Dulac, Alice Guy und Elvira Notari. Ihre Freundin Maude Nelissen wird die Stummfilme am Piano begleiten.
Experimentelle und dokumentarische Filme von Joseph Cornell, Kenneth Anger oder Derek Jarman stehen derweil bei den Kurzfilmprogrammen im DFF-Kino neben Ausgrabungen des Queer Cinema. Dank Gramanns Leidenschaft für das Kino wurde vieles der Vergessenheit entrissen.
Eröffnung in der Frankfurter Pupille
Die drei wichtigsten Spielstätten der Kinothek werden ins Abschiedsspiel eingebunden: „Da wir kein eigenes Kino haben, sind wir immer Kooperationen eingegangen. Die Eröffnung findet in der Pupille statt. Das hat einen persönlichen Aspekt, da ich 1975 beim Pupille-Kollektiv mitgearbeitet habe. Hier gab es die Anfänge sowohl meines filmwissenschaftlichen Studiums als auch meiner Faszination für das Kino, die Projektionssituation und die Arbeit mit dem Publikum.“
Gezeigt wird „So wie wir waren“ (1973) mit Barbra Streisand und Robert Redford bei freiem Eintritt. „Diese Hommage an Hollywood ist auch eine Hommage an mein Studium und meine Lehrer. Das hat uns alle sehr geprägt und entzückt.“ Die Einführung hält der Londoner Filmkritiker Richard Dryer, wie sich überhaupt zahlreiche Gäste angekündigt haben.
Dokumentation über Nachhaltigkeit
Da Karola Gramann schon immer mal ein Programm über Nachhaltigkeit zeigen wollte, nutzte sie die Gelegenheit, den bislang von ihr nicht präsentierten japanischen Dokumentarfilm „Manzan Benigaki – Der ganze Berg ist voller roter Kakipflaumen“ (1984/2001) über Anbau und Verarbeitung dieser Früchte ins Programm zu nehmen. Man werde eine sehr schöne Kopie aus Berlin erhalten.
Ansonsten war die Recherche nach Kopien nicht immer von Erfolg gekrönt. „Unfassbar“ findet Gramann deren schwindende Verfügbarkeit. Selbst bekannte Namen wären inzwischen nicht mehr greifbar. Die altgediente Kuratorin zeigt sich dagegen erfreut, dass es gelang, für das Finale im Mal Seh’n eine Kopie von „Bushman“ (1971) als Schlüsselwerk des afroamerikanischen Kinos aufgetrieben zu haben: „Ein sensationelles Werk!“
Im Ruhestand neue und alte Leidenschaften genießen
Die Beiträge der Abschiedsprogramme sind so angeordnet, dass ihre bewusste Programmierung ersichtlich werde, hofft die Initiatorin. Allerdings soll es auch keine Ego-Show sein. Kolleginnen wie Heide Schlüpmann oder ihre Nachfolgerin Gabi Babic seien für die feministische Filmarbeit ebenso wichtig. „Es ist ja auch mal gut“, kommentiert Gramann augenzwinkernd das Ende ihrer Arbeit. Jetzt möchte sie verstärkt ihrer Leidenschaft fürs Kochen nachgehen. Aber die nächsten Kinoprojekte und Programme, sie warten schon.
Info
Weitere Infos zum 4 Tage des filmischen Rückblicks auf 25 Jahre Kinotheksarbeit: Frankfurt, Pupille/DFF/Mal Seh’n, 12.-15.9., www.kinothek-asta-nielsen.de
Über die letzten Jahrzehnte bewies Gramann ferner einen geschulten Blick für die vielfältigen Ausprägungen der Filmhistorie. Mit Heide Schlüpmann und weiteren cineastischen Enthusiastinnen gründete sie 1999 in Frankfurt die Kinothek zur Wiederentdeckung, Archivierung und Präsentation feministischer Filmarbeit. Von 2006 bis 2018 leitete sie das inzwischen in der Stiftstraße angesiedelte Archiv.
Zahlreiche Festivals wie das Rosenfilmfest im Palmengarten, zwei Auflagen des Wetter-Festivals oder das Frauenfußball-Festival mündeten in den biennal stattfindenden Frankfurter Frauen Film Tagen („Remake“), einer Filmschau zwischen interessanten Ausgabungen und aktuellen Highlights. Daran will sie zum Abschied aus der Kinotheksarbeit mit einem viertägigen Rückblick erinnern: „Hello Goodbye“. Wie gewohnt war es ihr ein Anliegen, die meisten der historischen Produktionen auf Zelluloid zu zeigen – nicht einfach.
„Ich habe eine persönliche Auswahl getroffen, die zugleich die Arbeit der Kinothek Asta Nielsen spiegelt“, erläutert Gramann ihre Herangehensweise. „Es sind fast alles Filme, die irgendwann bei uns gelaufen sind.“ Darunter befinden sich neben – natürlich – einem Werk mit Stummfilmstar Asta Nielsen („Die Filmprimadonna“) die Pionierinnen Germaine Dulac, Alice Guy und Elvira Notari. Ihre Freundin Maude Nelissen wird die Stummfilme am Piano begleiten.
Experimentelle und dokumentarische Filme von Joseph Cornell, Kenneth Anger oder Derek Jarman stehen derweil bei den Kurzfilmprogrammen im DFF-Kino neben Ausgrabungen des Queer Cinema. Dank Gramanns Leidenschaft für das Kino wurde vieles der Vergessenheit entrissen.
Die drei wichtigsten Spielstätten der Kinothek werden ins Abschiedsspiel eingebunden: „Da wir kein eigenes Kino haben, sind wir immer Kooperationen eingegangen. Die Eröffnung findet in der Pupille statt. Das hat einen persönlichen Aspekt, da ich 1975 beim Pupille-Kollektiv mitgearbeitet habe. Hier gab es die Anfänge sowohl meines filmwissenschaftlichen Studiums als auch meiner Faszination für das Kino, die Projektionssituation und die Arbeit mit dem Publikum.“
Gezeigt wird „So wie wir waren“ (1973) mit Barbra Streisand und Robert Redford bei freiem Eintritt. „Diese Hommage an Hollywood ist auch eine Hommage an mein Studium und meine Lehrer. Das hat uns alle sehr geprägt und entzückt.“ Die Einführung hält der Londoner Filmkritiker Richard Dryer, wie sich überhaupt zahlreiche Gäste angekündigt haben.
Da Karola Gramann schon immer mal ein Programm über Nachhaltigkeit zeigen wollte, nutzte sie die Gelegenheit, den bislang von ihr nicht präsentierten japanischen Dokumentarfilm „Manzan Benigaki – Der ganze Berg ist voller roter Kakipflaumen“ (1984/2001) über Anbau und Verarbeitung dieser Früchte ins Programm zu nehmen. Man werde eine sehr schöne Kopie aus Berlin erhalten.
Ansonsten war die Recherche nach Kopien nicht immer von Erfolg gekrönt. „Unfassbar“ findet Gramann deren schwindende Verfügbarkeit. Selbst bekannte Namen wären inzwischen nicht mehr greifbar. Die altgediente Kuratorin zeigt sich dagegen erfreut, dass es gelang, für das Finale im Mal Seh’n eine Kopie von „Bushman“ (1971) als Schlüsselwerk des afroamerikanischen Kinos aufgetrieben zu haben: „Ein sensationelles Werk!“
Die Beiträge der Abschiedsprogramme sind so angeordnet, dass ihre bewusste Programmierung ersichtlich werde, hofft die Initiatorin. Allerdings soll es auch keine Ego-Show sein. Kolleginnen wie Heide Schlüpmann oder ihre Nachfolgerin Gabi Babic seien für die feministische Filmarbeit ebenso wichtig. „Es ist ja auch mal gut“, kommentiert Gramann augenzwinkernd das Ende ihrer Arbeit. Jetzt möchte sie verstärkt ihrer Leidenschaft fürs Kochen nachgehen. Aber die nächsten Kinoprojekte und Programme, sie warten schon.
Weitere Infos zum 4 Tage des filmischen Rückblicks auf 25 Jahre Kinotheksarbeit: Frankfurt, Pupille/DFF/Mal Seh’n, 12.-15.9., www.kinothek-asta-nielsen.de
9. September 2024, 10.45 Uhr
Gregor Ries
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Text: Gregor Ries / Foto: Der Porträtfilm „Ciao, Marcello - Mastroianni L'Antidivo” von Regisseur Fabrizio Corallo © DFF
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