Partner
Film-Tipp im September
Auf der Adamant
„Wir haben ein Imageproblem“, meint ein Besucher dieser besonderen Einrichtung. Der Film ändert das. Unsere Top-Filmempfehlung aus der September-Ausgabe.
Wenn der zahnlose François zur Einstimmung den Song „La bombe humaine“ der französischen New Wave-Band Téléphone anstimmt und ihm die Kamera erlaubt, das Stück in voller Länge und mit ganzem Körpereinsatz vorzutragen, dann fragt man sich schon: Huch, wo bin ich denn hier gelandet? „Sur l’Adamant“, auf der Adamant befinden wir uns, zudem in illustrer Gesellschaft: Das imposante hölzerne Hausboot am Ufer der Pariser Seine, einer Arche nicht unähnlich, dient Psychiatrie-Patienten umliegender Stadtteile als Tagesklinik, Begegnungsstätte, Aufenthaltsort, Teil einer ganzheitlichen Behandlung und Lichtblick im dahinvegetierenden Gesundheitssystem – eine Oase der Mitmenschlichkeit, von denen, so findet der Film, mittlerweile viel zu wenige existieren.
Doku-Regisseur Nicolas Philibert berührt mit intensiv eingefangenen Momentaufnahmen
Gedreht hat ihn ein Meister seines Fachs: Nicolas Philibert, vielfach ausgezeichneter Doku-Regisseur, dessen Dorfschul-Porträt „Sein und Haben“ von 2002 heute noch bei allen nachwirkt, die es gesehen haben. „Auf der Adamant“ dürfte es ähnlich ergehen, denn die behutsame Art, mit der sich Philibert samt kleinem Team in Langzeitbeobachtung Personal und Klienten dieses nicht nur optisch außergewöhnlichen Therapieschiffes nähert, sollte jene Zweifler zum Schweigen bringen, deren Befürchtungen, man bediene sich psychisch kranker Menschen als skurrile Vorzeigeobjekte, von falsch verstandener Polit-Korrektheit zeugen. Nein, „Dramaturgie“ in klassischem Sinne gibt es hier nicht, vielmehr eine Sammlung intensiv eingefangener, immens berührender Momentaufnahmen, bei denen die Leute einfach reden dürfen, wie ihnen der Schnabel und manch wenig strukturierter Gedankengang gewachsen ist.
Stammgäste des Therapieschiffes entpuppen sich als wahre Ausnahmetalente
Im Dienste kreativen Ausgleichs für die seelisch Gestrauchelten kommt null Monotonie auf: Malen, Zeichnen, Kochen, Musizieren – einige der Stammgäste entpuppen sich als wahre Ausnahmetalente. Selbst ein kleines Filmfestival wird organisiert, womit der Kreis sich wieder schließt: Auf der diesjährigen Berlinale hatte niemand den Film auf der Rechnung, umso mehr die überraschende Freude, als er schließlich den Goldenen Bären erhielt. Preis-Entscheidungen sind ja immer so eine Sache. Diese geht völlig in Ordnung.
Auf der Adamant, Dokumentarfilm, R: Nicolas Philibert, F/J 2022, Start: 14.9.
Gedreht hat ihn ein Meister seines Fachs: Nicolas Philibert, vielfach ausgezeichneter Doku-Regisseur, dessen Dorfschul-Porträt „Sein und Haben“ von 2002 heute noch bei allen nachwirkt, die es gesehen haben. „Auf der Adamant“ dürfte es ähnlich ergehen, denn die behutsame Art, mit der sich Philibert samt kleinem Team in Langzeitbeobachtung Personal und Klienten dieses nicht nur optisch außergewöhnlichen Therapieschiffes nähert, sollte jene Zweifler zum Schweigen bringen, deren Befürchtungen, man bediene sich psychisch kranker Menschen als skurrile Vorzeigeobjekte, von falsch verstandener Polit-Korrektheit zeugen. Nein, „Dramaturgie“ in klassischem Sinne gibt es hier nicht, vielmehr eine Sammlung intensiv eingefangener, immens berührender Momentaufnahmen, bei denen die Leute einfach reden dürfen, wie ihnen der Schnabel und manch wenig strukturierter Gedankengang gewachsen ist.
Im Dienste kreativen Ausgleichs für die seelisch Gestrauchelten kommt null Monotonie auf: Malen, Zeichnen, Kochen, Musizieren – einige der Stammgäste entpuppen sich als wahre Ausnahmetalente. Selbst ein kleines Filmfestival wird organisiert, womit der Kreis sich wieder schließt: Auf der diesjährigen Berlinale hatte niemand den Film auf der Rechnung, umso mehr die überraschende Freude, als er schließlich den Goldenen Bären erhielt. Preis-Entscheidungen sind ja immer so eine Sache. Diese geht völlig in Ordnung.
Auf der Adamant, Dokumentarfilm, R: Nicolas Philibert, F/J 2022, Start: 14.9.
15. September 2023, 08.01 Uhr
Andreas Dosch
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Ausstellung
Goldene Zeiten – aber nicht für alle
Das Städel Museum Frankfurt widmet Rembrandt erneut eine große Ausstellung. Diesmal stehen die Gruppenbildnisse im Fokus, aber es wird auch kritisch auf das „Goldene Zeitalter“ geblickt.
Text: Jasmin Schülke / Foto: © Bernd Kammerer
KulturMeistgelesen
- Kunstausstellung in EschbornGesammelte Fotografien der Deutschen Börse
- Applaus-Awards 2024Auszeichnungen für Clubs im Rhein-Main-Gebiet
- AusstellungGoldene Zeiten – aber nicht für alle
- No Other LandEin Skandalfilm, der keiner sein will
- Filmfestival in WiesbadenExground Filmfest legt Fokus auf Flucht und Migration
27. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen