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Felix Semmelroth mischt sich ein
Kultur als freiwillige Leistung?
Im Kulturressort der Stadt Frankfurt soll deutlich gespart werden. Jetzt meldet sich Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) ebenso deutlich zu Wort. Wer bei der Kultur spare, gefährde den sozialen Frieden.
Auf der Webseite des Kulturdezernats hat Felix Semmelroth einen Aufsatz veröffentlicht, der deutlich macht, was er von den Sparvorhaben im Kulturbereich hält: wenig. Schon im Dezember hatte Semmelroth im Journal Frankfurt bekannt gegeben, dass es schwierig bis unmöglich sein werde, die geforderten neun Millionen Euro im laufenden Haushaltsjahr einzusparen. Gut die Hälfte ist beisammen, damit soll es nun aber auch gut sein. Auch in der Stadtkämmerei geht man davon aus, dass Semmelroth seinen Etat überziehen wird.
"Wer die kulturelle Infrastruktur mit ihren Bildungs- und Erfahrungspotentialen materiell oder politisch beschädigt, gefährdet den sozialen Frieden nicht weniger als eine defizitäre soziale Grundversorgung", schreibt der CDU-Politiker nun in seinem Artikel unter der Überschrift "Überlegungen zu einer freiwilligen Leistung". Es sei schlicht vernünftig, Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen. Als Kulturpolitiker sieht er sich im Zwiespalt. Er soll sparen und gleichzeitig die Kultur an allen Enden verteidigen. "Alles soll so bleiben wie es ist, lediglich mit weniger Geld. Müsste doch zu machen sein mit etwas Kreativität, etwas Phantasie, worüber diese Spezies kraft Amtes reichlich verfügen sollte", so Semmelroth weiter.
Was Adorno vor bald 54 Jahren in dem Aufsatz „Kultur und Verwaltung“ geschrieben hat, sei kulturpolitisch nicht obsolet. "Ja, Kultur sollte als 'perennierender Einspruch des Besonderen gegen die Allgemeinheit, solange diese unversöhnt ist mit dem Besonderen' anerkannt werden." Darum gebe es in Frankfurt unter anderem einen Portikus, eine Städelschule, einen Mousonturm, eine vielschichtige freie Theaterszene, "obwohl niemand genau sagen kann, was das denn bringt".
Auch auf den durch Oberbürgermeister Peter Feldmann wieder aufgeworfenen Begriff des Schmiermittels der Gesellschaft, die die Kultur sein müsse, geht Semmelroth ein. "Qualitativ anspruchsvolle Kulturverwaltung muss den Widerspruch geradezu suchen: Widerhaken ermöglichen, nicht Kultur – so schon Adorno – auf Funktionalität festlegen." Die Verflüssigung des Kulturbegriffs, seine geradezu endlose Erweiterung machten die Sache nicht leichter. Und noch schwieriger sei es, etablierte Institutionen wieder zu beschneiden. "Irgendwann genießen Einrichtungen Bestandsschutz. Die Frage nach ihrer Sinnhaftigkeit wird unstatthaft. Auch nur der Hauch von politisch geäußerter Kritik gilt als Ignorantenangriff und mobilisiert moralisch grundierten Widerstand bei Betroffenen wie bei der lustvoll auf Konflikte hoffenden Presse. Was ist, soll bleiben."
Worin also bestehe der Nutzen der vielfältigen Kultureinrichtungen für die Bürger? Je mehr Besucher sie anlockte, je mehr sie genutzt würden, umso mehr bilde sich ein Qualitätsbegriff in der Bevölkerung, bilde sich auch der Geist, auch in der Rückschau auf vergangene Zeiten. Geschichte etwa werde in Museen wie dem Jüdischen "zum Fundus der Gegenwartsdeutung – und damit der Zukunftsgestaltung". Wer solche Blicke für redundant halte, "sollte zumindest nicht von Bildung reden. Dann erübrige diese sich nämlich. Und die Rechnung, die für dieses Versäumnis unausweichlich später präsentiert wird, kann gegenwärtig niemand beziffern. Sie dürfte beängstigend hoch ausfallen." Kultur, so schließt Semmelroth lakonisch, sei "halt eine freiwillige Leistung."
"Wer die kulturelle Infrastruktur mit ihren Bildungs- und Erfahrungspotentialen materiell oder politisch beschädigt, gefährdet den sozialen Frieden nicht weniger als eine defizitäre soziale Grundversorgung", schreibt der CDU-Politiker nun in seinem Artikel unter der Überschrift "Überlegungen zu einer freiwilligen Leistung". Es sei schlicht vernünftig, Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen. Als Kulturpolitiker sieht er sich im Zwiespalt. Er soll sparen und gleichzeitig die Kultur an allen Enden verteidigen. "Alles soll so bleiben wie es ist, lediglich mit weniger Geld. Müsste doch zu machen sein mit etwas Kreativität, etwas Phantasie, worüber diese Spezies kraft Amtes reichlich verfügen sollte", so Semmelroth weiter.
Was Adorno vor bald 54 Jahren in dem Aufsatz „Kultur und Verwaltung“ geschrieben hat, sei kulturpolitisch nicht obsolet. "Ja, Kultur sollte als 'perennierender Einspruch des Besonderen gegen die Allgemeinheit, solange diese unversöhnt ist mit dem Besonderen' anerkannt werden." Darum gebe es in Frankfurt unter anderem einen Portikus, eine Städelschule, einen Mousonturm, eine vielschichtige freie Theaterszene, "obwohl niemand genau sagen kann, was das denn bringt".
Auch auf den durch Oberbürgermeister Peter Feldmann wieder aufgeworfenen Begriff des Schmiermittels der Gesellschaft, die die Kultur sein müsse, geht Semmelroth ein. "Qualitativ anspruchsvolle Kulturverwaltung muss den Widerspruch geradezu suchen: Widerhaken ermöglichen, nicht Kultur – so schon Adorno – auf Funktionalität festlegen." Die Verflüssigung des Kulturbegriffs, seine geradezu endlose Erweiterung machten die Sache nicht leichter. Und noch schwieriger sei es, etablierte Institutionen wieder zu beschneiden. "Irgendwann genießen Einrichtungen Bestandsschutz. Die Frage nach ihrer Sinnhaftigkeit wird unstatthaft. Auch nur der Hauch von politisch geäußerter Kritik gilt als Ignorantenangriff und mobilisiert moralisch grundierten Widerstand bei Betroffenen wie bei der lustvoll auf Konflikte hoffenden Presse. Was ist, soll bleiben."
Worin also bestehe der Nutzen der vielfältigen Kultureinrichtungen für die Bürger? Je mehr Besucher sie anlockte, je mehr sie genutzt würden, umso mehr bilde sich ein Qualitätsbegriff in der Bevölkerung, bilde sich auch der Geist, auch in der Rückschau auf vergangene Zeiten. Geschichte etwa werde in Museen wie dem Jüdischen "zum Fundus der Gegenwartsdeutung – und damit der Zukunftsgestaltung". Wer solche Blicke für redundant halte, "sollte zumindest nicht von Bildung reden. Dann erübrige diese sich nämlich. Und die Rechnung, die für dieses Versäumnis unausweichlich später präsentiert wird, kann gegenwärtig niemand beziffern. Sie dürfte beängstigend hoch ausfallen." Kultur, so schließt Semmelroth lakonisch, sei "halt eine freiwillige Leistung."
23. Januar 2014, 11.42 Uhr
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