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Dosch@Berlinale 2019
Part Deux: Buon appetito!
Während die 69. Berlinale Fahrt aufgenommen hat, fragt sich unser Filmredakteur Andreas Dosch, ob es noch andere gastronomische Verlockungen im Festivalalltag gibt – außer dem Hunger nach Filmen.
Ich verrate Ihnen jetzt mal was: Des Öfteren, wenn ich im Kino sitze, denke ich ans Essen. Hat jetzt nichts mit dem speziellen Film zu tun, kommt meistens automatisch. Vor allem natürlich in Szenen, die eher selbsterklärend sind. Oder schlicht lahm. Es ist jetzt auch nicht so, dass Tausende Schweinekrustenbraten an meinem inneren Auge vorbei flattern. Nein, ich ertappe mich vielmehr beim Erstellen einer geistigen Einkaufsliste: Was könnten wir heute Abend kochen, was gibt’s am Wochenende? – solche Dinge. Oder auch schlicht: Mann, jetzt nach dem Kino wäre ein leckerer Sowieso (fügen Sie hier Fast Food Ihrer Wahl ein) genau das Richtige! Auf der Berlinale, vor allem in den Vorstellungen ab frühem Nachmittag, passiert mir das ständig. Kein Wunder, abgesehen vom Frühstück im Hotel fehlt einem oft die Zeit, zwischen den Filmen in Ruhe an einem Tisch Platz und ein festes Mahl zu sich zu nehmen. Man rennt ja von Festivalkino zu Festivalkino. Daher meistens im Vorbeigehen was auf die Hand. Heute zum Beispiel, da stand mir der Sinn nach dem ultimativen Hauptstadt-Klassiker: der guten alten ehrlichen Currywurst! Ich bevorzuge sie übrigens ohne Darm – lokale Spezialität. Okay, die Curry ohne Darm würde es also werden, das war beschlossene Sache. Hmm, yummie! Alles gebongt. Bis ich „Der Goldene Handschuh“ sah.
Für alle, die nicht mit der Materie vertraut sind: Fatih Akins Berlinale-Wettbewerbsbeitrag nach dem Bestseller von Heinz Strunk porträtiert einen degenerierten Massenmörder vom Hamburger Kiez, in dessen Dachwohnung man in den 1970er-Jahren diverse zerstückelte Frauenleichen fand – oder das, was von ihnen übrig blieb. Gespickt mit „Wunderbäumen“ (diesen Dufttannen, die man sich sonst an den Autorückspiegel hängt), damit es nicht so mieft. Nun, was soll ich sagen? Der gesamte Film stank nach Verwesung. Als ich rauskam, fühlte ich mich dreckig, übelriechend. Derart Hässliches und Unappetitliches habe ich selten gesehen – und ich habe schon viel gesehen. Jedenfalls: Currywurst, übergossen mit blutrot triefendem klebrigem Ketchup … die Lust war mir gründlich vergangen. Der gesamte Hunger: weg. Schnaps mag ich erst mal auch keinen mehr angesichts der Massen an billigem Korn, die Serienkiller Fritz Honka in seinen Rachen schüttet, bevor er sich an verwahrlosten, unansehnlichen, vor allem aber wehrlosen Frauen vergeht und ihnen in seiner heruntergekommenen Butze zu Schlagermusik die Körperteile absägt. Meine Fresse! Puh ...
Kompletter Gegensatz übrigens – die Berlinale macht's möglich – zum diesjährigen Auftaktfilm „The Kindness of Strangers“, einer konstruierten, doch sehr angenehm zu goutierenden Wohlfühl-Dramödie über das Gute im Menschen. Den hasste das Feuilleton leidenschaftlich. Es will lieber unwirtliche Sozialdramen sehen, von denen es hier – vor allem im mir noch immer fremden Wettbewerbsprogramm – mehr als genügend gibt. So weit ich bisherige Reaktionen mitbekam, scheiden sich auch die Geister am „Goldenen Handschuh“. Wenig verwunderlich. Die filmische Version von Gammelfleisch: stark unbekömmlich, schwer zu schlucken, löst Brechreiz aus. Was nicht heißt, dass Akins vor übler Atmo platzender, bitterböser Gossenhorror keine Berechtigung hat. Dazu ist der Mann ein viel zu guter Regisseur, die Hintergrundgeschichte ein nicht gerade angenehmer, dennoch knüppelhart faszinierender, der bitteren Realität abgetrotzter Gegenentwurf zur Heile-Welt-Mentalität des damals just durchlebten Wirtschaftswunders. Was unterschwellig auch zur Sprache bzw. zum Gesang kommt – meistens durch Schnulzen à la Freddy & Heintje. Dennoch hat man das Gefühl, auf der Leinwand knapp zwei Stunden lang einer vollgekackten Männerunterhose zusehen zu müssen, die zum Trocknen über einem Kotzeimer aufgehängt wurde. Das halbe Hähnchen und der Döner schieden damit ebenfalls aus meinem anvisierten Speiseplan aus. Bevor Sie mir jetzt mit „Gemüsebrätling“ kommen: Ich habe schließlich beschlossen, erst mal gar nichts zu futtern, sondern mir einfach den nächsten Berlinale-Beitrag reinzutun.
Wieder mal aus meiner (nicht nur diesjährigen) Vorzugssektion, dem Panorama. Und, hey, war das eine gute Entscheidung! Der US-Jungschauspieler Jonah Hill, mittlerweile auch schon Mitte 30, bekannt aus Kinoerfolgen wie „21/22 Jump Street“, „Moneyball“, „The Wolf of Wall Street“ oder „Superbad“ (einem meiner Lieblingsfilme), dieser Jonah Hill also hat zum ersten Mal selbst Regie geführt. Herausgekommen ist „Mid90s“, eine tief empfundene, überzeugend authentisch daherkommende Liebeserklärung an die Skater-Community im L.A. der (hätten Sie's gedacht) Mittneunzigerjahre. Hill freute sich über die begeisterte Reaktion im knallvollen Zoo-Palast. Er fotografierte das Publikum nicht nur, er filmte es. Tja, und wissen Sie was? Danach setzte ich in die Tat um, was ich schon während der Vorstellung en détail geplant und vor dem inneren Auge durchgespielt hatte. Ich marschierte schnurstracks zur Imbissbude meines Vertrauens. Raten Sie mal, was es gab. Exakt: Currywurst.
Für alle, die nicht mit der Materie vertraut sind: Fatih Akins Berlinale-Wettbewerbsbeitrag nach dem Bestseller von Heinz Strunk porträtiert einen degenerierten Massenmörder vom Hamburger Kiez, in dessen Dachwohnung man in den 1970er-Jahren diverse zerstückelte Frauenleichen fand – oder das, was von ihnen übrig blieb. Gespickt mit „Wunderbäumen“ (diesen Dufttannen, die man sich sonst an den Autorückspiegel hängt), damit es nicht so mieft. Nun, was soll ich sagen? Der gesamte Film stank nach Verwesung. Als ich rauskam, fühlte ich mich dreckig, übelriechend. Derart Hässliches und Unappetitliches habe ich selten gesehen – und ich habe schon viel gesehen. Jedenfalls: Currywurst, übergossen mit blutrot triefendem klebrigem Ketchup … die Lust war mir gründlich vergangen. Der gesamte Hunger: weg. Schnaps mag ich erst mal auch keinen mehr angesichts der Massen an billigem Korn, die Serienkiller Fritz Honka in seinen Rachen schüttet, bevor er sich an verwahrlosten, unansehnlichen, vor allem aber wehrlosen Frauen vergeht und ihnen in seiner heruntergekommenen Butze zu Schlagermusik die Körperteile absägt. Meine Fresse! Puh ...
Kompletter Gegensatz übrigens – die Berlinale macht's möglich – zum diesjährigen Auftaktfilm „The Kindness of Strangers“, einer konstruierten, doch sehr angenehm zu goutierenden Wohlfühl-Dramödie über das Gute im Menschen. Den hasste das Feuilleton leidenschaftlich. Es will lieber unwirtliche Sozialdramen sehen, von denen es hier – vor allem im mir noch immer fremden Wettbewerbsprogramm – mehr als genügend gibt. So weit ich bisherige Reaktionen mitbekam, scheiden sich auch die Geister am „Goldenen Handschuh“. Wenig verwunderlich. Die filmische Version von Gammelfleisch: stark unbekömmlich, schwer zu schlucken, löst Brechreiz aus. Was nicht heißt, dass Akins vor übler Atmo platzender, bitterböser Gossenhorror keine Berechtigung hat. Dazu ist der Mann ein viel zu guter Regisseur, die Hintergrundgeschichte ein nicht gerade angenehmer, dennoch knüppelhart faszinierender, der bitteren Realität abgetrotzter Gegenentwurf zur Heile-Welt-Mentalität des damals just durchlebten Wirtschaftswunders. Was unterschwellig auch zur Sprache bzw. zum Gesang kommt – meistens durch Schnulzen à la Freddy & Heintje. Dennoch hat man das Gefühl, auf der Leinwand knapp zwei Stunden lang einer vollgekackten Männerunterhose zusehen zu müssen, die zum Trocknen über einem Kotzeimer aufgehängt wurde. Das halbe Hähnchen und der Döner schieden damit ebenfalls aus meinem anvisierten Speiseplan aus. Bevor Sie mir jetzt mit „Gemüsebrätling“ kommen: Ich habe schließlich beschlossen, erst mal gar nichts zu futtern, sondern mir einfach den nächsten Berlinale-Beitrag reinzutun.
Wieder mal aus meiner (nicht nur diesjährigen) Vorzugssektion, dem Panorama. Und, hey, war das eine gute Entscheidung! Der US-Jungschauspieler Jonah Hill, mittlerweile auch schon Mitte 30, bekannt aus Kinoerfolgen wie „21/22 Jump Street“, „Moneyball“, „The Wolf of Wall Street“ oder „Superbad“ (einem meiner Lieblingsfilme), dieser Jonah Hill also hat zum ersten Mal selbst Regie geführt. Herausgekommen ist „Mid90s“, eine tief empfundene, überzeugend authentisch daherkommende Liebeserklärung an die Skater-Community im L.A. der (hätten Sie's gedacht) Mittneunzigerjahre. Hill freute sich über die begeisterte Reaktion im knallvollen Zoo-Palast. Er fotografierte das Publikum nicht nur, er filmte es. Tja, und wissen Sie was? Danach setzte ich in die Tat um, was ich schon während der Vorstellung en détail geplant und vor dem inneren Auge durchgespielt hatte. Ich marschierte schnurstracks zur Imbissbude meines Vertrauens. Raten Sie mal, was es gab. Exakt: Currywurst.
11. Februar 2019, 09.39 Uhr
Andreas Dosch
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