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Die Gudd Stubb von innen und außen
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Wenn die Festhalle ihren 100. Geburtstag feiert, wird viel geboten: Ausstellungen, Führungen, Seilbahnen, Comedy, Stars und Sternchen, Musik, Wettläufe, Kinderbespaßung und sogar eine riesige Geburtstagstorte. Ich habe mich am Sonntag zum Tag der offenen Tür mal ins Getümmel gestürzt, wobei sich das Getümmel bis mittags noch arg in Grenzen hielt. Auf dem Festhallenvorplatz gab es eine Musikbühne, Biergärten, Kinderkarussells, eine Kinderinsel mit Sand und Palme sowie Essstände, sodass sich die Besucher bestens verteilten und es nicht zu einem großen Gedränge in der Festhalle kam. Gut besucht jedoch waren innen drin die Führungen und Vorträge, etwa der vom Impressario Fritz Rau, der gewitzt und unterhaltsam über seine 50 Jahre Backstage-Erfahrung referierte und von Ella Fitzgerald über Udo Lindenberg bis zu den Rolling Stones, die er nach Frankfurt und vor allem in die Festhalle holte, berichtete. Ein lustiger Einblick hinter die Kulissen der Festhalle.
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Fritz Rau hat sie alle gesehen: das Duke Ellington Orchestra ebenso wie Led Zeppelin oder Elton John und er wusste als Konzertveranstalter die großen Frankfurter Säle zu füllen. Dabei begann seine Karriere als Jurastudent in Heidelberg. Von dort aus machte der damals noch sehr junge Jazzfan „Wallfahrten per Anhalter“ und trampte in die „Jazzhauptstadt Deutschlands“. Ohne Ticket etwa kämpft er sich zu einem Catarina Valente-Konzert im Zoo durch, wurde erwischt, nannte den Veranstalter „Arschloch“ und gewann damit einen neuen Freund – Horst Lippmann. „Bald durfte ich für meine Idole rennen und springen“. Zuerst trug Rau die Koffer, später die Verantwortung als Tourneeleiter. So erlebte er 1960 die Europatournee von Marlene Dietrich.
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Die Jahrhunderthalle war bald eine gefragter Konzertort, wegen der vielen Parkplätze. 1970 konnte er dort sein erstes Konzert verbuchen: „Led Zeppelin – für mich ein Stairway to Heaven“. Es folgten die Stones. Doch in Zeiten der antiautoritären Bewegung kamen für Rau auch eine schwierige Phase. Während der Konzert wurde draußen randaliert, man warf mit Steinen, der Konzertveranstalter wurde wüst beschimpft. Musik solle umsonst sein, so die Forderung der Protestler. „Damals kosteten die Tickets für Led Zeppelin den Einheitspreis von 10 Mark, für die Rolling Stones 12 Mark, günstig, denn eine LP kostete 18 Mark“, so Rau, der schmunzeln hinzufügt, „das hat sich heute etwas geändert.“ Rau engagierte die Hells Angels, um den Konzertbesuchern Sicherheit zu garantieren, doch gleich beim ersten Konzert der Stones, sei ein Besucher von einem Hells Angel erstochen worden. Ein schwerer Schlag. Alsbald wurde die Polizei zum Schutz der Besucher abbestellt. Ärger mit der Polizei habe es dann bei dem Konzert der Rolling Stones 1982 gegeben. Drei Auftritte an drei aufeinander folgenden Tagen waren geplant und der jamaikanische Rastasänger Peter Tosh sollte als Gast auftreten. Als der Jamaikaner am ersten Abend in der Festhalle „Legalize it“ sang, verteilte er während des Auftritts kleine Marihuanabriefchen ans Publikum und wurde in der Konzertpause verhaftet. Rau musste Tosh mit viel Verhandlungsgeschick da rausholen, sonst hätten die Stones ihre zwei nachfolgenden Konzerte platzen lassen. Heute ist Fritz Rau, der im 80. Lebensjahr ist, wie er sagt „vom Backstage zum Zuschauerraum gewechselt“. Dass die Festhalle – wie oft behauptet wird - eine schlechte Akustik habe, hält Rau für ein Gerücht: „Es gibt keine schlechte Akustik, nur schlechte Akustiker.“
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Akustisch wurden die Besucher der Festhalle zum Jubeltag mit Musik und Gesang beschallt, etwa vom Fleischerchor (klingt furchtbar und es klang auch furchtbar, vor allem bei in Englisch gesungenen Liedern) und von Fernsehkoch Mirko Reeh und Bäppi unterhalten. Kostümiert als Heinz Schenk und Lia Wöhr babbelten sie übermütig Hessisch, bis einem sich die Zehennägel hochkräuselten. Damit übten sie schon mal für ihren gemeinsamen Auftritt als Familie Hesselbach ab 10. Juli im Schwanheimer Hoftheater. Selbst Messechef Michael von Zitzewitz nahmen die beiden in die Mangel.
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Einer der Höhepunkte des Tags der offenen Tür waren nicht nur die Seilwinden, mit denen sich die Besucher bis hoch in die Kuppel hieven lassen konnten, sondern auch der Anschnitt einer riesigen Festhallentorte, deren Stücke ans Publikum verteilt wurden. So lange habe ich nicht mehr gewartet. Die einführenden Worte des Ex-Börsengurus (ARD: Börse im Ersten) Frank Lehmann hörte ich mir noch an, auch einen Teil der Ansprache unserer Oberbürgermeisterin Petra Roth. Doch als ich sah, wie die Torte bei den sommerlichen Temperaturen vor sich hinschmolz, ebenso wie ich, vergang mir etwas die Lust. Schade, denn so habe ich verpasst, wie sich Petra Roth in die Kuppel hochseilen ließ.
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29. Juni 2009, 11.35 Uhr
Nicole Brevoord
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