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Auch die Fabrik präsentiert sich digital

Hoffen auf den Herbst

Auch „Die Fabrik“ in Sachsenhausen präsentiert ausgewählte Programme auf Youtube statt live im Club. Karin Wagner, die künstlerische Leiterin, organisiert Herbstevents und hofft, dass diese – wenn auch mit Auflagen – stattfinden können.
JOURNAL FRANKFURT: Als der Shutdown beschlossen und kommuniziert war, wie knapp vor Ihrer nächsten Veranstaltung haben Sie das erfahren und wie konnten Sie darauf reagieren?
Karin Wagner:
Der Shutdown hat uns eiskalt mitten in der Luminale erwischt. Zu diesem viertägigen Event hatten wir im März zwei Künstler eingeladen, die das Motto der diesjährigen Luminale „Digitale Romantic“ mit einem gemeinsamen Kunstprojekt realisierten. Der Soundkünstler Bernd Michael Land und der Videokünstler Claus Jahn haben die Phänomene der Industrialisierung vom 18. bis ins 21. Jahrhundert akustisch und visuell bearbeitet. Außerdem wurde der Innenhof der Fabrik aufwändig illuminiert. Die Fassade der Fabrik wurde in wechselnde Lichtbäder getaucht, im stillgelegten Schornstein simulierte eine Nebelmaschine Rauch und in einem symbolischen Ölfass im Hof blubberten Luftbläschen in Wasserschläuchen anstatt Maschinenöl.

Die Veranstalter in der Stadt reagierten ja höchst unterschiedlich, einige waren wie paralysiert, andere entwickelten sofort alternative Konzepte. Welche Parole haben Sie in der Fabrik ausgegeben, worum mussten Sie sich organisatorisch kümmern?
Da war keine Zeit, um paralysiert zu sein. Nach dem harten Lockdown im März war erst mal viel an Umorganisation und Umplanung erforderlich. Internationale Bands steckten in anderen Ländern fest und mussten ihre Tournee absagen wie die Kanadierin Sarah Smith oder die Schweizer Christof Stiefel, Colin Vallon. Die im März in Frankfurt geplante „Komische Nacht“ wurde inzwischen zweimal umgebucht. An der „Komischen Nacht“ sind sieben Frankfurter Locations beteiligt mit ebenso vielen Comediens. Vom März wurde zunächst der Termin auf den 10. Juni und dann weiter auf den 21. Oktober verschoben. Sie können sich vielleicht vorstellen, was eine Terminänderung bedeutet, die so viele Beteiligte unter einen Hut bringen muss, bei einem Jahresprogramm, das quasi bei allen schon lange fest steht. Auch jetzt wissen wir nicht, ob die Show im Oktober statt finden kann. Zunächst war eine Welle an Umbuchungsanfragen zu bewältigen.

Statt nur auf der Webseite verkünden zu müssen, dass die Veranstaltung entfällt, galt es auch für Die Fabrik, deren Kernkompetenz das Kulturprogramm ist, ein digitales Angebot anzubieten. Was schwebte Ihnen da vor, wie Fabrik-spezifisch konnte/sollte das sein und sind das alles Produktionen, die im Keller realisiert wurden?
Die Fabrik verfügt schon seit einigen Jahren über einen eigenen Youtube-Kanal. Der konnte bislang mangels personeller Ressourcen nur unzureichend genutzt werden. Nachdem deutlich wurde, dass so schnell keine Live-Veranstaltungen mehr stattfinden können, habe ich in Absprache mit dem Stiftungsvorstand zur Europawoche Anfang Mai bei ein paar Frankfurter Künstlern angefragt, ob sie dazu Ideen für einen Videoclip haben. Heraus kamen drei sehr unterschiedliche Videos zu Europa. In der Zeit vor der Sommerpause werden wir noch ein paar der geplanten Veranstaltungen im Video-Format umsetzen. Am 8. Juni gibt es mit dem Pianisten Andrey Shabashev zum ersten Mal eine Solo-Session als Youtube-Premiere. Linda Krieg kommt am 9. Juni nicht im Trio und nicht live, sondern virtuell und im Duo als Mrs. Krieg & Mr. Hell. Was ebenfalls schon als Video-Projekt fest steht, ist die am 25. Juni geplante Lesung mit Hartmut Volle in Begleitung von Dieter Sauerborn am Saxophon.

Wie sich die Auflagen über die nächsten Monate ändern werden, vermag niemand vorauszusehen. Gibt es über die Gastronomie (der Biergarten ist geöffnet) und die Videos hinaus weiterführende Konzepte, wie Live-Veranstaltungen realisiert werden könnten oder ist das unrealistisch, weil man nur eine ganz kleine Gruppe von Leuten zulassen dürfte was sich finanziell dann überhaupt nicht rechnet?

Derzeit ist es schwierig, Vorhersagen zu treffen. In der Hoffnung, dass es nach dem Lockdown weitergeht, wurden viele Veranstaltungen – auch große überregionale und spezifische Frankfurter Kulturprojekte, an denen sich auch die Fabrik beteiligt, in den Herbst verschoben. Die Tage der Industriekultur sollen nun vom 9. bis 13. September stattfinden. Ein Abschlussfest im Hof der Fabrik kann es allerdings nicht geben. Die Fabrik beteiligt sich aber trotzdem mit insgesamt acht Führungen an zwei Tagen. Karten Heidebrecht, Vorstand der Wagner-Heinz-Stiftung, und Werner Heinz, Mitglied im Programmbeirat der Fabrik, werden wie in den vergangenen Jahren auch – ganz echt und live bei Rundgängen in gebührendem Abstand – über die Baugeschichte der Fabrik und die Familienhistorie informieren. Eine Anmeldung ist erforderlich und demnächst auf der Fabrik-Webseite möglich.

„Frankfurt liest ein Buch“ wurde in den Oktober verschoben. Wir sind dabei und hoffen, dass die Lesungen stattfinden können. Meine Kollegin Jaqueline Kienle, die das Kinderprogramm organisiert, plant, die Septemberveranstaltung nach draußen zu verlegen. Es wird vermutlich ein Marionettentheater werden. Soviel sei verraten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt – nie wurde die Redensart so oft benutzt wie in Covid-19-Zeiten. Wie sieht Ihre Hoffnung aus?
Wie sich die kulturelle Szene verändern wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Club- und freie Kulturszene wird derzeit auf landes- und bundespolitischer Ebene als Wirtschaftsfaktor stärker wahrgenommen als jemals zuvor. In einigen Bundesländern hat man die vielfach prekäre Situation der „Solo-Selbständigen“ in den Branchen von Kunst- und Kultur erkannt und versucht, die Betroffenen ebenfalls finanziell zu unterstützen. In welchem Umfang und ob das reicht, wird man sehen. Der Alltag vieler kleiner Clubs und Veranstalter läuft weitestgehend unterhalb des Radars der politisch Verantwortlichen. Veranstaltungen bis 100 Teilnehmer wurden relativ schnell freigegeben unter der Maßgabe der Einhaltung der Abstandsregeln. Klar ist aber auch, dass weder die Gastronomie, noch kleine Clubs und Veranstalter unter diesen Bedingungen wirtschaftlich arbeiten können – von Künstler*innen und Musiker*innen ganz zu schweigen. Jedes Kieswerk in der Region verlangt Planungssicherheit und Abbaugarantien über 25/35 Jahre. Davon können Beschäftigte – egal in welcher Branche – nur träumen. Wenn ich mir für die Zukunft etwas wünschen dürfte, wäre es Planungssicherheit und Grundversorgung für alle und eine Wertschätzung der Kunst und Kultur, die ein Künstlerleben auch wirtschaftlich sichert.
 
Fotogalerie:
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5. Juni 2020, 12.20 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
 
 
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