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"Antisemitismus ist stets unter der Oberfläche vorhanden"

salomonkornMorgen erscheint unsere Titelgeschichte zum Thema "Jüdisches Leben in Frankfurt". Hier lesen Sie ein Interview mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Vizepräsidenten im Zentralrat der Juden in Deutschland, Salomon Korn.

Herr Korn, die Integrationsleistung der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt wird weithin gewürdigt. Warum gelang es hier besser als andernorts die osteuropäischen Einwanderer aufzunehmen?

Dafür sind vor allem zwei Gründe maßgebend. Zunächst einmal wurden Hessen, wurden Frankfurt, verglichen mit anderen Bundesländern, verhältnismäßig wenig jüdische Immigranten zugeteilt. Vor zwanzig Jahren hatten wir in Frankfurt rund 4500 Gemeindemitglieder, durch die relativ restriktive Zuteilung kamen nur etwa zweieinhalbtausend Zuwanderer hinzu, die Gemeinde wuchs um rund ein Drittel. Das ließ sich leichter verkraften als ein überproportionaler Zuwachs, wie in den meisten anderen jüdischen Gemeinden. Zum Zweiten besitzt die Gemeinde alle Einrichtungen, die Voraussetzung für erfogreiche Integration sind: Kindergärten, eine Schule, eine Volkshochschule, eine Religionsschule, eine Sozialabteilung, Seelsorger, das Rabbinat bis hin zu einem Altenheim.

Zugleich dürfte es etliche Zuwanderer geben, die nicht in die Gemeinde eingetreten sind.

Richtig, aber deren Zahlen lassen sich für Frankfurt nur schätzen. Bundesweit waren es seit 1989 210.000 Zugewanderte von denen etwa 90.000 in Jüdische Gemeinden eingetreten sind. Auf Frankfurt heruntergerechnet entspräche das einem guten Drittel der jetzigen Zahl der Gemeindemitglieder.

Wie sieht es mit der religiösen Ausrichtung aus?

Nun, die hiesige Jüdische Gemeinde hat neben der orthodoxen Ausrichtung auch eine liberale. Es gibt mehrere Betstätten, davon die größte im Hauptraum der Westendsynagoge, eine im ehemaligen Hochzeitssaal der Westendsynagoge für die Orthodoxen und eine weitere für den egalitären Minjan, der den liberalen Ritus pflegt. Dass diese verschiedenen Ausrichtungen alle unter demselben Dach einer Synagoge sind, ist europaweit einzigartig, das gibt es sonst in keiner anderen jüdischen Gemeinde.

Es hat aber auch zu Streit geführt.

Nicht zu Streit, zu Auseinandersetzungen: eine jüdische Gemeinde, in der es keine Auseinandersetzungen gibt, ist keine jüdische Gemeinde.

Derzeit bewegt die Stadt ein zunehmender Antisemitismus, der im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt stehen soll. Wie bewerten Sie diese Tendenz?

Das ist keine neue Entwicklung. Der Antisemitismus ist bis zu einem gewissen Grad stets unter der Oberfläche der Gesellschaft vorhanden: sichtbar, vor allem aber dreister, wird er bei konkreten Anlässen. Dass der Antisemitismus auch unter der muslimischen Bevölkerung wächst, betrachten wir mit wachsender Sorge.

Der Politiker Daniel Cohn-Bendit hat in unserem Heft gefordert, die Jüdische Gemeinde müsse auch Kritik Israel gegenüber zulassen, um den Dialog mit den Muslimen zu erleichtern. Hat er recht?

Einige ältere Gemeindemitglieder neigen dazu, sich aus historischen Gründen vorbehaltlos mit Israel zu solidarisieren, viele sind dem Land verwandtschaftlich verbunden. Kritik gibt es natürlich, doch man muss auch sehen, dass Vorgänge in Israel häufig mit zweierlei moralischen Maßstäben gemessen werden. Kein anderes Land der Welt wurde von der UN öfter in Resolutionen verurteilt. Zugleich muss man die besondere Lage betrachten, in der sich das Land befindet: eine Demokratie, die von totalitären Regimen und Terrororganisationen umgeben ist. Mit einem westeuropäischen Land, das nur andere Demokratien um sich weiß, ist das nicht zu vergleichen. Israel hat allein deswegen nicht immer die Möglichkeit oder die Wahl, ausschließlich im Rahmen des Völkerrechts zu handeln, ja, es muss zu seiner Verteidigung tragischerweise gelegentlich dagegen verstoßen.

Noch einmal zugespitzt: ist die Jüdische Gemeinde ein Vorposten der israelischen Regierung?

Nein, so wie es auch der Zentralrat nicht ist. Doch eine gewissen Solidarität mit Israel ist unter Juden, auch als Angehörige derselben Schicksalsgemeinschaft, durchaus verständlich. Und nach allem, was zwischen 1933 und 1945 hier geschah, kann niemand in Deutschland, ob Christ, Jude oder Moslem, Israel gegenüber ganz neutral bleiben.

Und der Kontakt mit den Muslimen?

Den gibt es schon lange, wir haben etwa sehr gute Kontakte mit muslimischen Organisationen aus der Türkei, die zugegebenermaßen eher säkulär ausgerichtet sind. Wichtig ist, dass unsere Gesprächspartner unsere demokratischen Werte teilen. Andere Strömungen ermöglichen keinen Dialog.

Foto: Harald Schröder
 
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16. März 2009, 10.41 Uhr
Nils Bremer
 
 
 
 
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