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20 Jahre Prowokulta
Ein soziales Dauerexperiment
Seit 20 Jahren besteht das Wohnprojekt „Prowokulta“ am Frankfurter Berg.
Es steht für eine alternative Form des Zusammenlebens. Am Samstag werden die Bewohner Jubiläum feiern. Ein Hausbesuch.
Es steht für eine alternative Form des Zusammenlebens. Am Samstag werden die Bewohner Jubiläum feiern. Ein Hausbesuch.
Die Hausreihe in der Straße Am Ulmenrück fällt sofort auf. Grüner ist hier kein anderes Gebäude. Der größte Teil der Fassade ist zugewachsen, von den Pflanzen im Vorgarten und denen, die sich von den Balkonen ranken. Und mittendrin stehen Bänke und Tische, Dreiräder und Bobbycars, auch ein Sonnensegel ist gespannt. Hier trifft sich die Hausgemeinschaft des Wohnprojektes, zu dem auch das gegenüberliegende Gebäude im Prämeckerweg gehört. Oder man begegnet sich im weitläufigen, verwunschenen Garten zwischen den Häusern.
Das Wohnprojekt „Prowokulta“ auf dem Frankfurter Berg besteht seit 20 Jahren. 112 Bewohner gibt es hier, verteilt auf 36 Wohnungen. Man pflegt eine starke Gemeinschaft: In verschiedenen Kursen verbringen die Bewohner viel Zeit miteinander, jeden Sonntag gibt es ein gemeinsames Essen, dann kocht eine WG oder Familie für alle, jeweils im Wechsel. Alle zwei Wochen findet ein Plenum statt, in dem Interna besprochen werden – zum Beispiel, welche neuen Bewohner aufgenommen werden. Denn die Gemeinschaften der beiden Häuser bestimmen selbst, mit wem sie zusammenwohnen wollen. Wer sich um eine der sozial geförderten Wohnungen bewirbt, stellt sich den anderen vor, nimmt ein paar Mal am Plenum teil und dann wird abgestimmt, ob er oder sie aufgenommen wird.
Im Laufe der Jahre ist eine ebenso dynamische wie heterogene Hausgemeinschaft entstanden: Familien und Alleinstehende wohnen hier, alle Altersgruppen vom Kind bis zum Rentner, sowie verschiedene Berufsgruppen wie Handwerker, Akademiker und Künstler. Auch kommen die Menschen aus verschiedenen Gegenden der Welt: Es gibt Kurden, Iren, Chilenen, Pakistaner und Koreaner. Selbst ein afrikanischer Flüchtling hat dort schon gewohnt. „Alle sind voll integriert“, sagt die 50-jährige Heilpraktikerin Stefanie Franz. Zu der Integration tragen auch die vielen Freizeitangebote bei, die in den Häusern bestehen: Die Bewohner veranstalten Kurse, zum Beispiel für Yoga, Töpferei, Handarbeiten und Jonglage. Darüber hinaus gibt es eine Tischtennisplatte, einen Billardtisch und Musikproberäume. Die Bewohner fahren zum Teil auch gemeinsam in den Urlaub, wie etwa nach Italien, Frankreich oder Kroatien. Selbst einen Streichelzoo mit Kaninchen gab es einmal, erzählt Till Burgeff, der Sprecher der Gemeinschaft.
„Unsere Kinder können hier unbeobachtet spielen“, sagt Burgeff. „Das ist ein Luxus.“ Auch könnten die Bewohner ihre Kinder anderen Bewohnern zur Aufsicht übergeben. Man könne sich darauf verlassen, dass immer jemand da sei, um nach dem Nachwuchs zu sehen. Die Kinder aus dem Projekt seien besonders sozial aufgeschlossen. Außerdem strahle das Projekt auf die Nachbarschaft ab: auch Kinder aus anderen Häusern spielen in dem weitläufigen Garten mit seinen Gemüsebeeten und Obstbäumen, mit seinen Feuerstellen und Spielgeräten. Es wirkt wie ein Spielparadies.
Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes, der steigenden Mieten und der knappen Bauflächen werden häufiger Wohnprojekte als Alternativen zum üblichen Mieten oder Immobilienkauf diskutiert. Auf dem Kulturcampus Bockenheim ist ein Teil der Wohnfläche für solche Gruppen vorgesehen. Allerdings ist die Projektgruppe Philosophicum, die Pläne für ein ehemaliges Uni-Gebäude hatte, am Kauf gescheitert und auch der Förderverein Roma hatte mit seinem Haus für die ethnische Minderheit bislang keinen Erfolg. Das Deutsche Architekturmuseum widmet ab September dem gemeinschaftlichen Wohnen eine Ausstellung.
Das Wohnprojekt auf dem Frankfurter Berg ist in einer Zeit entstanden, als die Bedingungen günstiger waren. Gegründet wurde es im Jahr 1995 als studentische Initiative in einer ehemaligen Siedlung der US-Amerikaner. Der Bund hat eine Reihe von Liegenschaften an die Stadt übergeben, mit der Auflage, dort sozialen Wohnungsbau einzurichten. Verschiedene Wohnprojekte haben sich am Frankfurter Berg zu einer zusammengeschlossen. „Anfangs waren es fast alles WGs, manche sind es heute noch geblieben“, sagt Till Burgeff. Ende der 90er sind dann die ersten Projekt-Kinder geboren worden. So wurden aus WGs Familien.
Die Häuser gehören der Wohnheim GmbH, einer Tochter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding. Mit der Vermieterin gibt es eine Sondervereinbarung, der die Autonomie der Gemeinschaft sichert. Die Mieter zahlen, je nach Wohnungsgröße, zwischen 4,50 Euro und 5,60 Euro pro Quadratmeter – vorausgesetzt, sie haben einen Wohnberechtigungsschein.
Straßenfest zum Jubiläum
Einmal im Jahr findet ein Straßenfest statt: mit Flohmarkt, selbstgebackenem Kuchen und Live-Musik. Jeder trägt etwas bei. Über 500 Menschen sollen zu dem Fest kommen; im Stadtteil ist es gut bekannt, selbst die Kassiererinnen im benachbarten Supermarkt wissen Bescheid. Beim nächsten Fest, am 12. September, soll das 20-jährige Jubiläum gefeiert werden. So idyllisch das Konzept klingt – auch hier ist nicht alles perfekt. Wie anderswo gibt es immer wieder Konflikte, um die sich die Gemeinschaft kümmern muss. „Es gibt ständig neue Projekte oder Bedürfnisse, es ist ein stetiger Wandel“, sagt Stefanie Franz. „Es ist ein ständiges Ausprobieren.“ Es gehe darum, bessere Wege der Kommunikation zu finden. „Die Gemeinschaft fordert viel von einem“, sagt Till Burgeff. Diese „Meta-WG“ sei ein Dauerexperiment: „Wir sind noch lange nicht am Ende.“
>> Kulta Straßenfest, Am Ulmenrück 7–11, 12.9., Beginn: 15 Uhr.
>> Daheim. Bauen und Wohnen in Gemeinschaft, Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum, Schaumainkai 43, 12.9.–28.2.
Das Wohnprojekt „Prowokulta“ auf dem Frankfurter Berg besteht seit 20 Jahren. 112 Bewohner gibt es hier, verteilt auf 36 Wohnungen. Man pflegt eine starke Gemeinschaft: In verschiedenen Kursen verbringen die Bewohner viel Zeit miteinander, jeden Sonntag gibt es ein gemeinsames Essen, dann kocht eine WG oder Familie für alle, jeweils im Wechsel. Alle zwei Wochen findet ein Plenum statt, in dem Interna besprochen werden – zum Beispiel, welche neuen Bewohner aufgenommen werden. Denn die Gemeinschaften der beiden Häuser bestimmen selbst, mit wem sie zusammenwohnen wollen. Wer sich um eine der sozial geförderten Wohnungen bewirbt, stellt sich den anderen vor, nimmt ein paar Mal am Plenum teil und dann wird abgestimmt, ob er oder sie aufgenommen wird.
Im Laufe der Jahre ist eine ebenso dynamische wie heterogene Hausgemeinschaft entstanden: Familien und Alleinstehende wohnen hier, alle Altersgruppen vom Kind bis zum Rentner, sowie verschiedene Berufsgruppen wie Handwerker, Akademiker und Künstler. Auch kommen die Menschen aus verschiedenen Gegenden der Welt: Es gibt Kurden, Iren, Chilenen, Pakistaner und Koreaner. Selbst ein afrikanischer Flüchtling hat dort schon gewohnt. „Alle sind voll integriert“, sagt die 50-jährige Heilpraktikerin Stefanie Franz. Zu der Integration tragen auch die vielen Freizeitangebote bei, die in den Häusern bestehen: Die Bewohner veranstalten Kurse, zum Beispiel für Yoga, Töpferei, Handarbeiten und Jonglage. Darüber hinaus gibt es eine Tischtennisplatte, einen Billardtisch und Musikproberäume. Die Bewohner fahren zum Teil auch gemeinsam in den Urlaub, wie etwa nach Italien, Frankreich oder Kroatien. Selbst einen Streichelzoo mit Kaninchen gab es einmal, erzählt Till Burgeff, der Sprecher der Gemeinschaft.
„Unsere Kinder können hier unbeobachtet spielen“, sagt Burgeff. „Das ist ein Luxus.“ Auch könnten die Bewohner ihre Kinder anderen Bewohnern zur Aufsicht übergeben. Man könne sich darauf verlassen, dass immer jemand da sei, um nach dem Nachwuchs zu sehen. Die Kinder aus dem Projekt seien besonders sozial aufgeschlossen. Außerdem strahle das Projekt auf die Nachbarschaft ab: auch Kinder aus anderen Häusern spielen in dem weitläufigen Garten mit seinen Gemüsebeeten und Obstbäumen, mit seinen Feuerstellen und Spielgeräten. Es wirkt wie ein Spielparadies.
Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes, der steigenden Mieten und der knappen Bauflächen werden häufiger Wohnprojekte als Alternativen zum üblichen Mieten oder Immobilienkauf diskutiert. Auf dem Kulturcampus Bockenheim ist ein Teil der Wohnfläche für solche Gruppen vorgesehen. Allerdings ist die Projektgruppe Philosophicum, die Pläne für ein ehemaliges Uni-Gebäude hatte, am Kauf gescheitert und auch der Förderverein Roma hatte mit seinem Haus für die ethnische Minderheit bislang keinen Erfolg. Das Deutsche Architekturmuseum widmet ab September dem gemeinschaftlichen Wohnen eine Ausstellung.
Das Wohnprojekt auf dem Frankfurter Berg ist in einer Zeit entstanden, als die Bedingungen günstiger waren. Gegründet wurde es im Jahr 1995 als studentische Initiative in einer ehemaligen Siedlung der US-Amerikaner. Der Bund hat eine Reihe von Liegenschaften an die Stadt übergeben, mit der Auflage, dort sozialen Wohnungsbau einzurichten. Verschiedene Wohnprojekte haben sich am Frankfurter Berg zu einer zusammengeschlossen. „Anfangs waren es fast alles WGs, manche sind es heute noch geblieben“, sagt Till Burgeff. Ende der 90er sind dann die ersten Projekt-Kinder geboren worden. So wurden aus WGs Familien.
Die Häuser gehören der Wohnheim GmbH, einer Tochter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding. Mit der Vermieterin gibt es eine Sondervereinbarung, der die Autonomie der Gemeinschaft sichert. Die Mieter zahlen, je nach Wohnungsgröße, zwischen 4,50 Euro und 5,60 Euro pro Quadratmeter – vorausgesetzt, sie haben einen Wohnberechtigungsschein.
Straßenfest zum Jubiläum
Einmal im Jahr findet ein Straßenfest statt: mit Flohmarkt, selbstgebackenem Kuchen und Live-Musik. Jeder trägt etwas bei. Über 500 Menschen sollen zu dem Fest kommen; im Stadtteil ist es gut bekannt, selbst die Kassiererinnen im benachbarten Supermarkt wissen Bescheid. Beim nächsten Fest, am 12. September, soll das 20-jährige Jubiläum gefeiert werden. So idyllisch das Konzept klingt – auch hier ist nicht alles perfekt. Wie anderswo gibt es immer wieder Konflikte, um die sich die Gemeinschaft kümmern muss. „Es gibt ständig neue Projekte oder Bedürfnisse, es ist ein stetiger Wandel“, sagt Stefanie Franz. „Es ist ein ständiges Ausprobieren.“ Es gehe darum, bessere Wege der Kommunikation zu finden. „Die Gemeinschaft fordert viel von einem“, sagt Till Burgeff. Diese „Meta-WG“ sei ein Dauerexperiment: „Wir sind noch lange nicht am Ende.“
>> Kulta Straßenfest, Am Ulmenrück 7–11, 12.9., Beginn: 15 Uhr.
>> Daheim. Bauen und Wohnen in Gemeinschaft, Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum, Schaumainkai 43, 12.9.–28.2.
Web: www.prowokulta.de
11. September 2015, 10.00 Uhr
Lukas Gedziorowski
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26. Dezember 2024
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