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Mensch und Maschine
Zum achten Mal bereits bieten die Tage der Industriekultur einen Blick auf sehenswerte Industrieanlagen. Zwischen Miltenberg und Bingen, Darmstadt und Bad Nauheim und natürlich auch in der Stadt Frankfurt können die Besucher vom 10. bis 15. August an 250 Führungen und Exkursionen zu Bauwerken und Produktionsstätten des Industriezeitalters teilnehmen.
Es ist kühl und die Luft muffig. Nur gedämpft dringen die Geräusche der Großstadt in den Untergrund, in das Dunkel der kilometerlangen Tunnel der Frankfurter Kanalisation. Wo ein glänzender Film aus Brackwasser die Gänge überzieht, eine graubraune Brühe in Rinnsalen vorbeiströmt. Gut riecht das nicht, doch die Ästhetik der Architektur aus dem 19. Jahrhundert lässt das fast vergessen: Klinker wohin das Auge blickt, abertausende Ziegel bilden Rundbögen und niedrige Gänge. Sommers wie winters ist es hier um die neun Grad. Kaum knietief fließt das Abwasser bei trockenem Wetter durch die alten Kanäle, um bei starkem Regen in wenigen Minuten zum reißenden unterirdischen Strom anzuschwellen.
Vor bald 150 Jahren begann Frankfurt – als zweite europäische Stadt nach Hamburg – eine systematische unterirdische Kanalisation zu bauen, um den unerträglichen Gestank und die Seuchengefahr zu bekämpfen. Gelegenheit, einmal von oben nach unten zu steigen, bieten die Tage der Industriekultur Rhein-Main. In der gesamten Region zwischen Miltenberg und Bingen, Darmstadt und Bad Nauheim sind zwischen dem 10. und 15. August industriekulturelle Bauwerke und Produktionsstätten zu besichtigen, die Besucher können unter 250 Führungen und Exkursionen an 142 Orten wählen.
"Wir wollen diese Orte wieder in den Fokus bringen", sagt Konrad Dörner, Geschäftsführer des Veranstalters KulturRegion FrankfurtRheinMain. "Viele davon sind normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, werden für diese Tage aber mal aufgeschlossen." So wie der 1924 errichte Peter-Behrens-Bau im Industriepark Höchst: Das eindrucksvolle Verwaltungsgebäude der früheren Hoechst AG ist ein geschütztes Industriedenkmal und für Besucher in der Regel gesperrt. Bei den Tagen der Industriekultur darf aber ausnahmsweise mal ein Blick in das jüngst erst vollständig renovierte Bauwerk aus gefärbten Backsteinen geworfen werden. Genauso wie ins größte Briefzentrum Deutschlands im Fran kfurter Gutleutviertel, ins Frischezentrum am Stadtrand oder in die Studios des Hessischen Rundfunks am Dornbusch. Einfach so kommt dort sonst keiner rein.
Zum achten Mal bereits können Besucher Ausflugstouren zu sehenswerten Industrieanlagen machen. Bei der ersten Auflage 2003 war die Veranstaltung nur einen Tag lang, "doch die Nachfrage war so groß, dass wir das Angebot über die Jahre ständig erweitert haben", sagt Dörner. Inzwischen zieht es durchschnittlich rund 12.500 Menschen an insgesamt sechs Tagen zu den industriekulturellen Erbschaften der Region. In jedem Jahr setzen die Veranstalter dabei einen thematischen Schwerpunkt.
2010 liegt der Fokus auf "Automatisierung – Mensch und Maschine", denn der Computer-Erfinder Konrad Zuse wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden. Einen Blick auf die Folgen der Automatisierung kann man zum Beispiel im Opel-Werk in Rüsselsheim werfen, wo Adam Opel mit einer kleinen Werkstatt 1862 loslegte und heute Roboterarme die Karosserieteile in Sekunden verschweißen. Bei einer Werkstour gibt's frühere Produktionsstätten, das Altwerk und die Oldtimerwerkstatt zu sehen. Was der fleißige Kollege Maschine für die Eisenbahntechnik bedeutet, davon können sich Besucher bei einem dreistündigen Rundgang im und um den Frankfurter Hauptbahnhof ein Bild machen. Auch um Automatisierung geht es b ei einer Rundfahrt im Industriepark Höchst, in diesem Fall um die in chemischen Produktionsanlagen.
Die Tage der Industriekultur sind aber nicht allein für Technikinteressierte ein Highlight: Sie sind auch ein beliebtes Ziel für Familienausflüge. "Da nehmen sich Eltern oft extra Urlaub, um mit den Kindern bei einer Radtour mitzumachen", sagt Dörner. Denn neben den klassischen Führungen zu Fuß gibt es Schiffs-, Rad- und Eisenbahntouren zu den Industriebauwerken. Es geht per Pedale durch die Arbeitersiedlungen im Frankfurter Westen und – wer’s weniger anstrengend mag - per Boot auf dem Main von Frankfurt nach Rüsselsheim: Entspannt schippern die Passagiere dabei an den Perlen der Industriekultur vorbei und bekommen bis zum Landgang im Rüsselsheimer Opel-Werk die Geschichte der Bauten und vieles mehr erklärt: Warum sich alte Industrieanlagen besonders gut für Krimiszenen eignen, wie ein Kraftwerk funktioniert und warum es im Niederräder Klärwerk nackte Frauen gibt - wenn auch nur als Wandgemälde.
Der industrielle Charakter des sonst eher als Handels-Region wahrgenommenen Rhein-Main-Gebiets ist allerorten zu entdecken. In Frankfurt nicht nur links und rechts des Mainufers, sondern auch auf beiden Seiten der fast vergessenen Gleise der Hafenbahn. Bei einer Fahrt mit einem historischen Dampfzug vom Eisernen Steg bis nach Fechenheim rattern sie nur so an den kleinen Abteilfenstern vorbei: die fast hundert Jahre alten Kräne, die einst die Kohle von den Schiffen luden, die Fassade der früheren Großmarkthalle, die Deutschherrnbrücke, der immer noch aktive Osthafen. Und überall Geschichten und Anekdoten aus der Zeit der Industrialisierung. Einiges ist das ganze Jahr über zu sehen und zu erleben, manches nur an diesen Tagen der Industriekultur. Und bei ganz wenigen Bauwerken wurde schon während des Bauens an neugierige Besucher aus dem Volk gedacht. So wie in der Frankfurter Kanalisation. Da legten die Erbauer bereits im 19. Jahrhundert einen "Fremdeneingang" an. Damit der Bürger auch rein kann und sieht, was mit seinen Steuergeldern passiert.
Sandra Busch (pia)
Es ist kühl und die Luft muffig. Nur gedämpft dringen die Geräusche der Großstadt in den Untergrund, in das Dunkel der kilometerlangen Tunnel der Frankfurter Kanalisation. Wo ein glänzender Film aus Brackwasser die Gänge überzieht, eine graubraune Brühe in Rinnsalen vorbeiströmt. Gut riecht das nicht, doch die Ästhetik der Architektur aus dem 19. Jahrhundert lässt das fast vergessen: Klinker wohin das Auge blickt, abertausende Ziegel bilden Rundbögen und niedrige Gänge. Sommers wie winters ist es hier um die neun Grad. Kaum knietief fließt das Abwasser bei trockenem Wetter durch die alten Kanäle, um bei starkem Regen in wenigen Minuten zum reißenden unterirdischen Strom anzuschwellen.
Vor bald 150 Jahren begann Frankfurt – als zweite europäische Stadt nach Hamburg – eine systematische unterirdische Kanalisation zu bauen, um den unerträglichen Gestank und die Seuchengefahr zu bekämpfen. Gelegenheit, einmal von oben nach unten zu steigen, bieten die Tage der Industriekultur Rhein-Main. In der gesamten Region zwischen Miltenberg und Bingen, Darmstadt und Bad Nauheim sind zwischen dem 10. und 15. August industriekulturelle Bauwerke und Produktionsstätten zu besichtigen, die Besucher können unter 250 Führungen und Exkursionen an 142 Orten wählen.
"Wir wollen diese Orte wieder in den Fokus bringen", sagt Konrad Dörner, Geschäftsführer des Veranstalters KulturRegion FrankfurtRheinMain. "Viele davon sind normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, werden für diese Tage aber mal aufgeschlossen." So wie der 1924 errichte Peter-Behrens-Bau im Industriepark Höchst: Das eindrucksvolle Verwaltungsgebäude der früheren Hoechst AG ist ein geschütztes Industriedenkmal und für Besucher in der Regel gesperrt. Bei den Tagen der Industriekultur darf aber ausnahmsweise mal ein Blick in das jüngst erst vollständig renovierte Bauwerk aus gefärbten Backsteinen geworfen werden. Genauso wie ins größte Briefzentrum Deutschlands im Fran kfurter Gutleutviertel, ins Frischezentrum am Stadtrand oder in die Studios des Hessischen Rundfunks am Dornbusch. Einfach so kommt dort sonst keiner rein.
Zum achten Mal bereits können Besucher Ausflugstouren zu sehenswerten Industrieanlagen machen. Bei der ersten Auflage 2003 war die Veranstaltung nur einen Tag lang, "doch die Nachfrage war so groß, dass wir das Angebot über die Jahre ständig erweitert haben", sagt Dörner. Inzwischen zieht es durchschnittlich rund 12.500 Menschen an insgesamt sechs Tagen zu den industriekulturellen Erbschaften der Region. In jedem Jahr setzen die Veranstalter dabei einen thematischen Schwerpunkt.
2010 liegt der Fokus auf "Automatisierung – Mensch und Maschine", denn der Computer-Erfinder Konrad Zuse wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden. Einen Blick auf die Folgen der Automatisierung kann man zum Beispiel im Opel-Werk in Rüsselsheim werfen, wo Adam Opel mit einer kleinen Werkstatt 1862 loslegte und heute Roboterarme die Karosserieteile in Sekunden verschweißen. Bei einer Werkstour gibt's frühere Produktionsstätten, das Altwerk und die Oldtimerwerkstatt zu sehen. Was der fleißige Kollege Maschine für die Eisenbahntechnik bedeutet, davon können sich Besucher bei einem dreistündigen Rundgang im und um den Frankfurter Hauptbahnhof ein Bild machen. Auch um Automatisierung geht es b ei einer Rundfahrt im Industriepark Höchst, in diesem Fall um die in chemischen Produktionsanlagen.
Die Tage der Industriekultur sind aber nicht allein für Technikinteressierte ein Highlight: Sie sind auch ein beliebtes Ziel für Familienausflüge. "Da nehmen sich Eltern oft extra Urlaub, um mit den Kindern bei einer Radtour mitzumachen", sagt Dörner. Denn neben den klassischen Führungen zu Fuß gibt es Schiffs-, Rad- und Eisenbahntouren zu den Industriebauwerken. Es geht per Pedale durch die Arbeitersiedlungen im Frankfurter Westen und – wer’s weniger anstrengend mag - per Boot auf dem Main von Frankfurt nach Rüsselsheim: Entspannt schippern die Passagiere dabei an den Perlen der Industriekultur vorbei und bekommen bis zum Landgang im Rüsselsheimer Opel-Werk die Geschichte der Bauten und vieles mehr erklärt: Warum sich alte Industrieanlagen besonders gut für Krimiszenen eignen, wie ein Kraftwerk funktioniert und warum es im Niederräder Klärwerk nackte Frauen gibt - wenn auch nur als Wandgemälde.
Der industrielle Charakter des sonst eher als Handels-Region wahrgenommenen Rhein-Main-Gebiets ist allerorten zu entdecken. In Frankfurt nicht nur links und rechts des Mainufers, sondern auch auf beiden Seiten der fast vergessenen Gleise der Hafenbahn. Bei einer Fahrt mit einem historischen Dampfzug vom Eisernen Steg bis nach Fechenheim rattern sie nur so an den kleinen Abteilfenstern vorbei: die fast hundert Jahre alten Kräne, die einst die Kohle von den Schiffen luden, die Fassade der früheren Großmarkthalle, die Deutschherrnbrücke, der immer noch aktive Osthafen. Und überall Geschichten und Anekdoten aus der Zeit der Industrialisierung. Einiges ist das ganze Jahr über zu sehen und zu erleben, manches nur an diesen Tagen der Industriekultur. Und bei ganz wenigen Bauwerken wurde schon während des Bauens an neugierige Besucher aus dem Volk gedacht. So wie in der Frankfurter Kanalisation. Da legten die Erbauer bereits im 19. Jahrhundert einen "Fremdeneingang" an. Damit der Bürger auch rein kann und sieht, was mit seinen Steuergeldern passiert.
Sandra Busch (pia)
4. August 2010, 14.30 Uhr
red
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