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Im Gespräch mit Shahriar Kamali
„Wir haben großen Hunger nach neuen Talenten“
Shahriar Kamali ist Recruiting-Stratege beim Beratungs- und Technologieunternehmen Accenture. Im Interview spricht er über den Stellengrad von Aus- und Weiterbildung in Unternehmen und darüber, welche Chancen digitale Technologien für die Personalbeschaffung haben.
JOURNAL FRANKFURT: Die Digitalisierung verändert nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch die Art und Weise, wie und wo wir arbeiten. Viele deutsche Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften, um Ihre Chancen im „War for Talents“ zu erhöhen. Welche Herausforderungen stellen sich gegenwärtig?
Shahriar Kamali: Recruiting und Jobsuche in Deutschland sind meist sehr formell und mit dem immer gleichen Ablauf: In die Bewerbungsgespräche gehen Bewerberinnen und Bewerber meist streng gekleidet, es wird im Allgemeinen ein hoher Wert auf seriöses und ernsthaftes Auftreten gelegt. Viele Jobsuchende kommen heute aber mit einer anderen Erwartungshaltung und Neugier. Sie möchten wissen, wie das Unternehmen tickt, haben selbst genaue Vorstellungen, was ihnen Spaß macht und Motivation für die Arbeit liefert.
Wie sieht das konkret bei Accenture aus?
Wir versuchen neue Elemente reinzubringen: Ein entspannteres Auftreten auf beiden Seiten, könnte dazu führen, dass Bewerbungsgespräch netter zu gestalten, weniger streng und stressbehaftet. Auch spielen Teambildung, fachliche Inhalte beziehungsweise Potentiale oder Passgenauigkeit eine wichtige Rolle. Es muss auch menschlich zusammengehen – wir nennen es „Cultural Fit“.
Wie kann man sich den Bewerbungsprozess vorstellen?
Bei uns sind – abgesehen von Sonderformaten wie Events – alle Bewerbungsprozesse digital, schriftlich wird nichts mehr entgegengenommen. Seit 2006 arbeiten wir daran und seit September dieses Jahres sind wir zu 100 Prozent digital aufgestellt. Hier spielt auch ein Aspekt der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Wir überdenken aber genauso die Art der Ansprache und der Kommunikation im Laufe des Bewerbungsprozesses, zum Beispiel wie direkt ansprechbar wir sind oder wo wir potentiellen Kandidaten begegnen.
Auf diversen Karriere-Messen präsentieren sich namhafte Unternehmen. Auch Accenture ist meistens vertreten. Was ist da neu?
Karrieremessen sind ein ganz altes Phänomen aus den 50er und 60er Jahren. Meist kommen junge Interessierte mit gedruckten Unterlagen an die Stände und wollen ihre Bewerbungsunterlagen einreichen. Seit knapp zwei Jahren haben wir die „Accenture Auditions“ gestartet und damit unseren Standauftritt komplett revolutioniert. Wir haben großen Hunger nach neuen Talenten und da hat sich ein neues Einstellungsformat etabliert. Man kann sich das als eine Art Mischung aus „The Voice of Germany“ und „Die Höhle der Löwen“ vorstellen. Bewerberinnen und Bewerber stellen sich uns in wenigen Minuten vor und bekommen anschließend ein direktes Feedback von der Jury, die aus unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Bestenfalls erhält der Bewerber oder die Bewerberin noch vor Ort einen gültigen Arbeitsvertrag. Diese Art von Pitch und Selbstpräsentation ist vielen aus den Social-Media-Kanälen und den TV-Formaten vertraut.
Automatisierung und Digitalisierung haben Auswirkungen auf das Personalmanagement. Wie reagiert ihr auf veränderte Lebensphasen und den Megatrend New Work?
Seit Anfang des Jahres haben wir ein Pilotprojekt namens „MyContract“ gestartet. Hier kann – ähnlich zu den Schiebereglern auf dem Smartphone – der Arbeitsvertrag flexibel gestaltet werden. Wir reagieren auf die veränderten Lebensphasen von Menschen – manchmal muss eben ein nahestehendes Familienmitglied gepflegt werden oder Mitarbeitende bekommen Kinder. Viele haben dann Angst, ihren Job zu kündigen oder befürchten, nach dem Wechsel in eine Teilzeitstelle kein vollwertiges Teammitglied zu sein. Rund 5000 Mitarbeitende hatten bis jetzt schon Zugriff auf unser neues System und konnten beispielsweise ihre Arbeitsstundenzahl und Urlaubstage individuell regeln. Ab Januar 2020 sollen alle 8500 Accenture-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den deutschsprachigen Ländern darauf Zugriff erhalten.
Braucht der Recruiting-Prozess mehr Technologie?
Absolut! Viele Technologien können schnellere und bessere Entscheidungen herbeiführen. Jeder Mensch hat Vorurteile, sogenannten „Unconscious Bias“, was per se nicht schlimm ist, aber es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Gerade dabei kann Technologie sehr hilfreich sein. Wir gehen auch aktiv gegen das Stigma „Pinguine rekrutieren Pinguine“ vor; Innovation hängt stark mit Vielfalt zusammen. Wir suchen Fachkräfte aus verschiedenen Ausbildungsbereichen. Klassische Wirtschaftswissenschaftler*innen, aber auch Absolvent*innen von MINT- Studiengängen sowie Gesellschaftswissenschaftler*innen stärken die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die besten und innovativsten Ideen entstehen durch gemischte Teams.
Was bedeutet Gender-Equal Force?
Accenture hat sich mit dem Programm „getting to equal“ groß auf die Fahne geschrieben, auf allen Ebenen bis 2025 gleich viele weibliche wie männliche Mitarbeitende zu haben. Das geht mit besonderer interner Förderung von Mitarbeiterinnen sowie besonderem Fokus auf neue weibliche Kandidatinnen einher. Aus- und Weiterbildung im Unternehmen selbst sind ein wichtiger Faktor, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und bei individuellen Belangen zu fördern. Dafür investieren wir weltweit jährlich mehr als eine Milliarde Dollar sowie knapp 18 Millionen Stunden Arbeitszeit in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Welche Expertise sollten Bewerberinnen und Bewerber mitbringen?
Wir suchen jede Art von Expertise und stellen damit ein breites Portfolio auf. Jeder, der eine gute Ausbildung genossen hat, hat eine Chance. Es sind zunehmend viele Quereinsteiger*innen, die viele frische Ideen mitbringen und das Unternehmen nach vorne bringen. Mein Tipp wäre, überall seinen Hut in den Ring zu werfen, persönliche Netzwerke zu nutzen und auf den riesigen Austauschplattformen aktiv zu sein. Man braucht keine falsche Scheu haben. Wenn man zu Accenture will, ist der beste Weg, Human Resources-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freundlich zu kontaktieren. Social Recruiting wird immer wichtiger, auf sozialen Netzwerken erkennt man meistens schnell wo studiert wird und welche Veranstaltungen zuletzt besucht wurden. Die Befürchtung, dass wir das private Instagram Profil prüfen, kann ich nehmen, in der Regel haben wir dafür keine Zeit.
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Shariahr Kamali ist 37 Jahre alt und, abgesehen von einer dreijährigen Auszeit bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, seit 2010 bei Accenture. Er leitet dort das Personalmarketing in Deutschland, der Schweiz und Österreich und verantwortet seit wenigen Monaten zusätzlich die Talentstrategie, den Bereich Aus- und Weiterbildung sowie den Themenbereich Inklusion und Diversity. Er hat nach seinem Abitur Betriebswirtschaft an der University of Applied Sciences Frankfurt studiert und währenddessen seinen Schwerpunkt auf die Personalbeschaffung gelegt. Jährlich erhält Accenture im DACH-Raum über 50 000 Bewerbungen, rund 2000 werden als Fach oder Führungskräfte eingestellt, daneben rund 700 Praktikanten und Werkstudenten.
Shahriar Kamali: Recruiting und Jobsuche in Deutschland sind meist sehr formell und mit dem immer gleichen Ablauf: In die Bewerbungsgespräche gehen Bewerberinnen und Bewerber meist streng gekleidet, es wird im Allgemeinen ein hoher Wert auf seriöses und ernsthaftes Auftreten gelegt. Viele Jobsuchende kommen heute aber mit einer anderen Erwartungshaltung und Neugier. Sie möchten wissen, wie das Unternehmen tickt, haben selbst genaue Vorstellungen, was ihnen Spaß macht und Motivation für die Arbeit liefert.
Wie sieht das konkret bei Accenture aus?
Wir versuchen neue Elemente reinzubringen: Ein entspannteres Auftreten auf beiden Seiten, könnte dazu führen, dass Bewerbungsgespräch netter zu gestalten, weniger streng und stressbehaftet. Auch spielen Teambildung, fachliche Inhalte beziehungsweise Potentiale oder Passgenauigkeit eine wichtige Rolle. Es muss auch menschlich zusammengehen – wir nennen es „Cultural Fit“.
Wie kann man sich den Bewerbungsprozess vorstellen?
Bei uns sind – abgesehen von Sonderformaten wie Events – alle Bewerbungsprozesse digital, schriftlich wird nichts mehr entgegengenommen. Seit 2006 arbeiten wir daran und seit September dieses Jahres sind wir zu 100 Prozent digital aufgestellt. Hier spielt auch ein Aspekt der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Wir überdenken aber genauso die Art der Ansprache und der Kommunikation im Laufe des Bewerbungsprozesses, zum Beispiel wie direkt ansprechbar wir sind oder wo wir potentiellen Kandidaten begegnen.
Auf diversen Karriere-Messen präsentieren sich namhafte Unternehmen. Auch Accenture ist meistens vertreten. Was ist da neu?
Karrieremessen sind ein ganz altes Phänomen aus den 50er und 60er Jahren. Meist kommen junge Interessierte mit gedruckten Unterlagen an die Stände und wollen ihre Bewerbungsunterlagen einreichen. Seit knapp zwei Jahren haben wir die „Accenture Auditions“ gestartet und damit unseren Standauftritt komplett revolutioniert. Wir haben großen Hunger nach neuen Talenten und da hat sich ein neues Einstellungsformat etabliert. Man kann sich das als eine Art Mischung aus „The Voice of Germany“ und „Die Höhle der Löwen“ vorstellen. Bewerberinnen und Bewerber stellen sich uns in wenigen Minuten vor und bekommen anschließend ein direktes Feedback von der Jury, die aus unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Bestenfalls erhält der Bewerber oder die Bewerberin noch vor Ort einen gültigen Arbeitsvertrag. Diese Art von Pitch und Selbstpräsentation ist vielen aus den Social-Media-Kanälen und den TV-Formaten vertraut.
Automatisierung und Digitalisierung haben Auswirkungen auf das Personalmanagement. Wie reagiert ihr auf veränderte Lebensphasen und den Megatrend New Work?
Seit Anfang des Jahres haben wir ein Pilotprojekt namens „MyContract“ gestartet. Hier kann – ähnlich zu den Schiebereglern auf dem Smartphone – der Arbeitsvertrag flexibel gestaltet werden. Wir reagieren auf die veränderten Lebensphasen von Menschen – manchmal muss eben ein nahestehendes Familienmitglied gepflegt werden oder Mitarbeitende bekommen Kinder. Viele haben dann Angst, ihren Job zu kündigen oder befürchten, nach dem Wechsel in eine Teilzeitstelle kein vollwertiges Teammitglied zu sein. Rund 5000 Mitarbeitende hatten bis jetzt schon Zugriff auf unser neues System und konnten beispielsweise ihre Arbeitsstundenzahl und Urlaubstage individuell regeln. Ab Januar 2020 sollen alle 8500 Accenture-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den deutschsprachigen Ländern darauf Zugriff erhalten.
Braucht der Recruiting-Prozess mehr Technologie?
Absolut! Viele Technologien können schnellere und bessere Entscheidungen herbeiführen. Jeder Mensch hat Vorurteile, sogenannten „Unconscious Bias“, was per se nicht schlimm ist, aber es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Gerade dabei kann Technologie sehr hilfreich sein. Wir gehen auch aktiv gegen das Stigma „Pinguine rekrutieren Pinguine“ vor; Innovation hängt stark mit Vielfalt zusammen. Wir suchen Fachkräfte aus verschiedenen Ausbildungsbereichen. Klassische Wirtschaftswissenschaftler*innen, aber auch Absolvent*innen von MINT- Studiengängen sowie Gesellschaftswissenschaftler*innen stärken die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die besten und innovativsten Ideen entstehen durch gemischte Teams.
Was bedeutet Gender-Equal Force?
Accenture hat sich mit dem Programm „getting to equal“ groß auf die Fahne geschrieben, auf allen Ebenen bis 2025 gleich viele weibliche wie männliche Mitarbeitende zu haben. Das geht mit besonderer interner Förderung von Mitarbeiterinnen sowie besonderem Fokus auf neue weibliche Kandidatinnen einher. Aus- und Weiterbildung im Unternehmen selbst sind ein wichtiger Faktor, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und bei individuellen Belangen zu fördern. Dafür investieren wir weltweit jährlich mehr als eine Milliarde Dollar sowie knapp 18 Millionen Stunden Arbeitszeit in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Welche Expertise sollten Bewerberinnen und Bewerber mitbringen?
Wir suchen jede Art von Expertise und stellen damit ein breites Portfolio auf. Jeder, der eine gute Ausbildung genossen hat, hat eine Chance. Es sind zunehmend viele Quereinsteiger*innen, die viele frische Ideen mitbringen und das Unternehmen nach vorne bringen. Mein Tipp wäre, überall seinen Hut in den Ring zu werfen, persönliche Netzwerke zu nutzen und auf den riesigen Austauschplattformen aktiv zu sein. Man braucht keine falsche Scheu haben. Wenn man zu Accenture will, ist der beste Weg, Human Resources-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freundlich zu kontaktieren. Social Recruiting wird immer wichtiger, auf sozialen Netzwerken erkennt man meistens schnell wo studiert wird und welche Veranstaltungen zuletzt besucht wurden. Die Befürchtung, dass wir das private Instagram Profil prüfen, kann ich nehmen, in der Regel haben wir dafür keine Zeit.
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Shariahr Kamali ist 37 Jahre alt und, abgesehen von einer dreijährigen Auszeit bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, seit 2010 bei Accenture. Er leitet dort das Personalmarketing in Deutschland, der Schweiz und Österreich und verantwortet seit wenigen Monaten zusätzlich die Talentstrategie, den Bereich Aus- und Weiterbildung sowie den Themenbereich Inklusion und Diversity. Er hat nach seinem Abitur Betriebswirtschaft an der University of Applied Sciences Frankfurt studiert und währenddessen seinen Schwerpunkt auf die Personalbeschaffung gelegt. Jährlich erhält Accenture im DACH-Raum über 50 000 Bewerbungen, rund 2000 werden als Fach oder Führungskräfte eingestellt, daneben rund 700 Praktikanten und Werkstudenten.
29. November 2019, 12.43 Uhr
Sheera Plawner
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