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Frankfurts Partnerstädte
Philadelphia – Wiege der Unabhängigkeit
Vor zehn Jahren wurde Philadelphia Frankfurts Partnerstadt. Die Metropole gilt in den USA als „City of Firsts“ – und nicht nur wegen dem Philly Cheesesteak, Soul und Rocky. Teil 1 unserer neuen Reihe.
Vor dem Center of Constitution, am Rand des parkähnlichen Anwesens, sitzt Bob auf einer halbrunden Holzbank und winkt mit einer Glocke in der Hand Leute heran: Zeit für eine kurze Geschichtsstunde? Auf dreizehn solcher Bänke, quer verteilt im historischen Stadtzentrum Philadelphias, laden Geschichtenerzähler unter dem Motto „Once Upon A Nation“ dazu ein, für einen kurzen Moment in die komplexe Historie der Stadt einzutauchen. Bob erzählt einen Schwenk aus dem Leben des abolitionistischen Quäkers Isaac Tatem Hopper, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus New Jersey nach Philadelphia kam. Im Rahmen der sogenannten Underground Railroad, einem informellen Schleusernetzwerk, half Hopper bis zu 3300 Menschen dabei, der Sklaverei zu entkommen. Und schon befindet man sich inmitten der garstigen Widersprüche der Vereinigten Staaten mitsamt ihrer Ursünde, der Sklaverei.
Eine Geschichte, die immer auch ein Kampf um die „better angels of our nature“ war, wie Abraham Lincoln es in seiner Amtsantrittsrede formulierte. Die Demokratie mag die schlechteste aller Staatsformen (ausgenommen alle anderen) sein, aber es ist wohl auch die einzige, die man von morgens bis abends eben diesbezüglich kritisieren darf. Was in den USA, bei allem Patriotismus, ausgiebig getan wird. Und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – geschützt bis in Extreme hinein, die das bundesdeutsche Verständnis bisweilen auch herausfordern können.
Zehn Jahre Städtepartnerschaft
Seit zehn Jahren ist Philadelphia, eine Metropole mit rund 1,7 Millionen Einwohnern, Frankfurts Partnerstadt. Der damalige Bürgermeister Michael Nutter hatte die Zusammenarbeit angeregt, 2015 wurde sie offiziell besiegelt. Frankfurt mag einige Dimensionen kleiner sein als der US-amerikanische Partner, aber rankt im Verhältnis zum Land doch in etwa mit Philadelphia, der sechstgrößten Stadt der USA, sagt Lauren Swartz, die die Städtepartnerschaften vor Ort überblickt.
Direktflüge zwischen beiden Städten, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Jugendaustausch und ein starkes Interesse der örtlichen Bevölkerung am Austausch waren weitere Argumente. Und: „Sowohl Frankfurt als auch Philadelphia beschäftigen Menschen, die aus vielen Ländern stammen und unterschiedliche Sprachen sprechen. Philadelphia ist eine zertifizierte und stolze ‚Welcoming City‘.“ Ähnliches sehe man auch in Frankfurt.
In Philadelphia nachzuvollziehen am bunten Flaggenmeer, das den Benjamin Franklin Parkway säumt, eine Fahne je vertretener Nationalität. Gleichzeitig, erklärt Swartz, hält die Stadt den höchsten Prozentsatz an einheimisch geborenen Einwohnern aller amerikanischen Großstädte. Was weiß man aus der Entfernung über Philadelphia? Das Philly Cheesesteak-Sandwich, Rocky Balboa, der die Stufen hinab auf die tatsächlich filmreife Stadtsilhouette zulief, vielleicht noch der Philly Soul, der die Disco-Musik der 1970er-Jahre vorbereitete – das sind Stichworte, die einem von Frankfurt aus zur größten Stadt im Ostküsten-Bundesstaat Pennsylvania einfallen. In den USA haften der Metropole indes noch ganz andere, hochtrabendere Beschreibungen an: „Birthplace of America“ und „City of Firsts“.
Eine Statue zu Ehren des Bürgerrechtsaktivisten Octavius Catto © E. Frizzelle for VISIT PHILADELPHIA
Stadt voller Geschichte
In der Tat blickt die Stadt auf eine reiche Historie. Man wird praktisch an jeder zweiten Straßenecke darauf gestoßen, durch Statuen, Skulpturen, Plaketten an denkmalgeschützten Bauwerken oder die „Historical Marker“, die historische Ereignisse markieren. In Philadelphia fand 1744 der erste Kontinentalkongress statt, Anfangspunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen der damaligen britischen Kolonien, bevor die Metropole erste Hauptstadt der USA wurde. Hier gründete George Washington die Kontinentalarmee, wurde 1776 die Unabhängigkeitserklärung aufgesetzt, später die amerikanische Verfassung. Die Liberty Bell, die am 8. Juli 1776 erstmalig zur Verlesung der Unabhängigkeitserklärung läutete, wurde später auch von den Suffragetten in Beschlag genommen, die das Frauenwahlrecht einforderten.
Kampf für Freiheit und Gleichheit
Philadelphia war ein entscheidender Knotenpunkt für die eingangs genannte Underground Railroad, und auch im amerikanischen Bürgerkrieg nahm die Stadt eine herausragende Rolle für die Nordstaaten ein. Das Museum of the American Revolution oder eben das National Constitution Center gewähren einen umfassenden Einblick in die Geschichte. Welche Hürden auf dem Weg zur damals wie heute die Ausnahme darstellenden Staatsform lagen, mag heute eine Tour entlang des „Path to Democracy“ vermitteln – eines dieser ultra-zugänglichen Vermittlungsformate, wie sie typisch sind für die USA. Ebenso leicht kann man in der Stadt nachlesen, dass unter anderem auch Staatsgründer George Washington Sklaven besaß. Die niedergeschriebene Freiheit galt bekanntlich nicht für alle gleichermaßen, sie musste von der schwarzen Bevölkerung vielerorts erst gegen massive Widerstände auch in der Praxis eingefordert werden. Aber ihre Befreier konnten sich später auf die Einhaltung ebendieser Worte berufen.
Zwischen Hochhausfassaden und täglichem Trubel, gibt es so manche Gemeinsamkeiten zwischen Philadelphia und Frankfurt. © K. Huff for PHLCVB
Brüderliche Liebe als Konzept
1682 gründete der englische Quäker William Penn auf der Suche nach religiöser Freiheit die Stadt am Fuße des Delaware-Flusses und benannte sie nach dem griechischen Wort für „brüderliche Liebe“. „Als William Penn unsere Stadt ‚Philadelphia‘ nannte, war das eine kühne Wahl zu einer Zeit, als man von Menschen erwartete, einem König oder Gott zu huldigen,“ meint Lauren Swartz. „Eine Stadt auf einer Idee von Liebe und Brüderlichkeit zwischen Menschen zu gründen und auch zu benennen, war rebellisch!“ Das Land hatte Penn vom englischen König Charles II. zugesprochen bekommen, kaufte dies aber den vor Ort ansässigen Lenape Natives im Zeichen guter Beziehungen zusätzlich ab. Die Stadtplanung sollte Risiken der sehr engen Bauweise, die der Quäker aus London kannte, vermeiden. So wurde die Stadt als „Greene Countrie Town“ konzipiert – mitsamt großer, innerstädtischer Parkanlagen und weitläufiger Straßen. Im Vergleich zu vielen anderen amerikanischen Städten lässt sich Philadelphia gut zu Fuß erkunden.
Kunst als Teil des Stadtbilds
Den öffentlichen Raum teilt man sich mit auffällig viel Kunst. Großflächige Wandmalereien, die sogenannten Murals, gehören dazu, Skulpturen, Kunst am Bau. Letztere geht auf die 1-Prozent-Regel zurück, die heute Vorbild für viele andere Städte ist: Immobilienentwickler müssen einen Teil der Baukosten für lokale Kunstprojekte einkalkulieren. Seit 1959 hält man das so in Frankfurts Partnerstadt. Skulpturen von Robert Indiana oder Claes Oldenburg tragen ihrerseits zum Stadtbild bei – neben temporären Kunstprojekten, dem magischen Garten von Isaiah Zagar, heute eine der bekannten Attraktionen der Stadt.
Von den zahlreichen Museen und Ausstellungshäusern wäre damit noch gar nicht gesprochen: dem Philadelphia Museum of Art, der Barnes Foundation, dem Institute for Contemporary Art an der University of Pennsylvania. Aber auch dem Weitzman Institute, in dem man die durchaus wechselvolle Geschichte jüdischer Emanzipation in den Vereinigten Staaten nachvollziehen kann, und dem African American Museum, das sich der afroamerikanischen Kultur des Landes widmet – seit 1969. Auch in dieser Hinsicht war Philadelphia „City of First“.
Eine Geschichte, die immer auch ein Kampf um die „better angels of our nature“ war, wie Abraham Lincoln es in seiner Amtsantrittsrede formulierte. Die Demokratie mag die schlechteste aller Staatsformen (ausgenommen alle anderen) sein, aber es ist wohl auch die einzige, die man von morgens bis abends eben diesbezüglich kritisieren darf. Was in den USA, bei allem Patriotismus, ausgiebig getan wird. Und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – geschützt bis in Extreme hinein, die das bundesdeutsche Verständnis bisweilen auch herausfordern können.
Seit zehn Jahren ist Philadelphia, eine Metropole mit rund 1,7 Millionen Einwohnern, Frankfurts Partnerstadt. Der damalige Bürgermeister Michael Nutter hatte die Zusammenarbeit angeregt, 2015 wurde sie offiziell besiegelt. Frankfurt mag einige Dimensionen kleiner sein als der US-amerikanische Partner, aber rankt im Verhältnis zum Land doch in etwa mit Philadelphia, der sechstgrößten Stadt der USA, sagt Lauren Swartz, die die Städtepartnerschaften vor Ort überblickt.
Direktflüge zwischen beiden Städten, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Jugendaustausch und ein starkes Interesse der örtlichen Bevölkerung am Austausch waren weitere Argumente. Und: „Sowohl Frankfurt als auch Philadelphia beschäftigen Menschen, die aus vielen Ländern stammen und unterschiedliche Sprachen sprechen. Philadelphia ist eine zertifizierte und stolze ‚Welcoming City‘.“ Ähnliches sehe man auch in Frankfurt.
In Philadelphia nachzuvollziehen am bunten Flaggenmeer, das den Benjamin Franklin Parkway säumt, eine Fahne je vertretener Nationalität. Gleichzeitig, erklärt Swartz, hält die Stadt den höchsten Prozentsatz an einheimisch geborenen Einwohnern aller amerikanischen Großstädte. Was weiß man aus der Entfernung über Philadelphia? Das Philly Cheesesteak-Sandwich, Rocky Balboa, der die Stufen hinab auf die tatsächlich filmreife Stadtsilhouette zulief, vielleicht noch der Philly Soul, der die Disco-Musik der 1970er-Jahre vorbereitete – das sind Stichworte, die einem von Frankfurt aus zur größten Stadt im Ostküsten-Bundesstaat Pennsylvania einfallen. In den USA haften der Metropole indes noch ganz andere, hochtrabendere Beschreibungen an: „Birthplace of America“ und „City of Firsts“.
Eine Statue zu Ehren des Bürgerrechtsaktivisten Octavius Catto © E. Frizzelle for VISIT PHILADELPHIA
In der Tat blickt die Stadt auf eine reiche Historie. Man wird praktisch an jeder zweiten Straßenecke darauf gestoßen, durch Statuen, Skulpturen, Plaketten an denkmalgeschützten Bauwerken oder die „Historical Marker“, die historische Ereignisse markieren. In Philadelphia fand 1744 der erste Kontinentalkongress statt, Anfangspunkt der Unabhängigkeitsbestrebungen der damaligen britischen Kolonien, bevor die Metropole erste Hauptstadt der USA wurde. Hier gründete George Washington die Kontinentalarmee, wurde 1776 die Unabhängigkeitserklärung aufgesetzt, später die amerikanische Verfassung. Die Liberty Bell, die am 8. Juli 1776 erstmalig zur Verlesung der Unabhängigkeitserklärung läutete, wurde später auch von den Suffragetten in Beschlag genommen, die das Frauenwahlrecht einforderten.
Philadelphia war ein entscheidender Knotenpunkt für die eingangs genannte Underground Railroad, und auch im amerikanischen Bürgerkrieg nahm die Stadt eine herausragende Rolle für die Nordstaaten ein. Das Museum of the American Revolution oder eben das National Constitution Center gewähren einen umfassenden Einblick in die Geschichte. Welche Hürden auf dem Weg zur damals wie heute die Ausnahme darstellenden Staatsform lagen, mag heute eine Tour entlang des „Path to Democracy“ vermitteln – eines dieser ultra-zugänglichen Vermittlungsformate, wie sie typisch sind für die USA. Ebenso leicht kann man in der Stadt nachlesen, dass unter anderem auch Staatsgründer George Washington Sklaven besaß. Die niedergeschriebene Freiheit galt bekanntlich nicht für alle gleichermaßen, sie musste von der schwarzen Bevölkerung vielerorts erst gegen massive Widerstände auch in der Praxis eingefordert werden. Aber ihre Befreier konnten sich später auf die Einhaltung ebendieser Worte berufen.
Zwischen Hochhausfassaden und täglichem Trubel, gibt es so manche Gemeinsamkeiten zwischen Philadelphia und Frankfurt. © K. Huff for PHLCVB
1682 gründete der englische Quäker William Penn auf der Suche nach religiöser Freiheit die Stadt am Fuße des Delaware-Flusses und benannte sie nach dem griechischen Wort für „brüderliche Liebe“. „Als William Penn unsere Stadt ‚Philadelphia‘ nannte, war das eine kühne Wahl zu einer Zeit, als man von Menschen erwartete, einem König oder Gott zu huldigen,“ meint Lauren Swartz. „Eine Stadt auf einer Idee von Liebe und Brüderlichkeit zwischen Menschen zu gründen und auch zu benennen, war rebellisch!“ Das Land hatte Penn vom englischen König Charles II. zugesprochen bekommen, kaufte dies aber den vor Ort ansässigen Lenape Natives im Zeichen guter Beziehungen zusätzlich ab. Die Stadtplanung sollte Risiken der sehr engen Bauweise, die der Quäker aus London kannte, vermeiden. So wurde die Stadt als „Greene Countrie Town“ konzipiert – mitsamt großer, innerstädtischer Parkanlagen und weitläufiger Straßen. Im Vergleich zu vielen anderen amerikanischen Städten lässt sich Philadelphia gut zu Fuß erkunden.
Den öffentlichen Raum teilt man sich mit auffällig viel Kunst. Großflächige Wandmalereien, die sogenannten Murals, gehören dazu, Skulpturen, Kunst am Bau. Letztere geht auf die 1-Prozent-Regel zurück, die heute Vorbild für viele andere Städte ist: Immobilienentwickler müssen einen Teil der Baukosten für lokale Kunstprojekte einkalkulieren. Seit 1959 hält man das so in Frankfurts Partnerstadt. Skulpturen von Robert Indiana oder Claes Oldenburg tragen ihrerseits zum Stadtbild bei – neben temporären Kunstprojekten, dem magischen Garten von Isaiah Zagar, heute eine der bekannten Attraktionen der Stadt.
Von den zahlreichen Museen und Ausstellungshäusern wäre damit noch gar nicht gesprochen: dem Philadelphia Museum of Art, der Barnes Foundation, dem Institute for Contemporary Art an der University of Pennsylvania. Aber auch dem Weitzman Institute, in dem man die durchaus wechselvolle Geschichte jüdischer Emanzipation in den Vereinigten Staaten nachvollziehen kann, und dem African American Museum, das sich der afroamerikanischen Kultur des Landes widmet – seit 1969. Auch in dieser Hinsicht war Philadelphia „City of First“.
20. Januar 2025, 10.33 Uhr
Katharina J. Cichosch, Daniel Urban
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20. Januar 2025
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