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Foto: Devis (13) mag Mangas und Bücher über das Computerspiel Minecraft. Der junge Basketballer des TuS Makkabi ist regelmäßiger Nutzer der Fahrbibliothek. Am Steuer sitzt Andreas Müller © Dirk Ostermeier
Foto: Devis (13) mag Mangas und Bücher über das Computerspiel Minecraft. Der junge Basketballer des TuS Makkabi ist regelmäßiger Nutzer der Fahrbibliothek. Am Steuer sitzt Andreas Müller © Dirk Ostermeier

Frankfurter Bücherbus

Auf Achse für das Recht auf Bildung

Wo es keine Stadtbücherei gibt, bringt die Frankfurter Fahrbibliothek den Lesern Bücher und andere Medien. Sie ist eine der ältesten Einrichtungen dieser Art in Deutschland.
Leuchtende Augen, wo immer der auffällige Bus auftaucht. An seinen Außenwänden aufgedruckt sind Buchrücken, die die Vielfalt der verschiedenen Sujets repräsentieren: Von „Die Tribute von Panem“ über „Farbharmonie für Quilts“ bis „Türk yemekleriyle diyet“ („Diät mit türkischem Essen“). Allerdings: Ein Großteil der mehr als 5000 Bücher an Bord richtet sich an sehr junge Leser.

70 Prozent der Nutzer sind Kinder. Wenn die Fahrbibliothek kommt, strömen sie herbei und in den Bus, um einzutauchen in die wundervolle Welt der Wörter, die die Welt erklären. Wissbegierig wuseln sie umher oder lümmeln auf dem Teppichboden, stöbern und schmökern – so wie die acht Jahre alte Luna. Hörspiele bringt sie zurück („Die drei ???“), und ausleihen möchte sie drei Bände von „Little People, Big Dreams“.

„Das ist momentan die meistgelesene Kinderbuch-Reihe“, weiß Norbert Schindler, seit 2013 Leiter der Fahrbibliothek. „Es sind Biografien bekannter Persönlichkeiten, die seit frühester Kindheit ihren Traum verfolgten, wie Marie Curie, Albert Einstein oder Michelle Obama“, erklärt der 56 Jahre alte Diplombibliothekar, während er die Bücher über den Ausleihtresen zieht, wo sie im System verbucht werden durch ein ID-Lesegerät unter der Tischplatte.

Für jeden was dabei im Frankfurter Bücherbus

Luna schaut derweil noch ein bisschen nach Comics – „die neunte Kunst“, wie Lucky-Luke-Schöpfer Morris das Genre einst taufte. Das Mädchen schwärmt vor allem für „Die Peanuts“ und „Fibi und Ihr Einhorn“. Auch Lunas Mutter freut sich. „Das ist alle zwei Wochen ein Highlight“, sagt Aielen Kusljic. Die 36-Jährige winkt und begrüßt eine Nachbarin, hält einen kurzen Plausch: Es herrscht eine familiäre Atmosphäre an den 31 Haltestellen des Bücherbusses.

Jede Tour beginnt in Unterliederbach, im Gewerbegebiet an der Silostraße, gegenüber von Jahrhunderthalle und Sikh-Tempel. Dort steht eine große Halle mit gewölbtem Dach – eine sehr große Halle: Mit mehr als 1000 Quadratmetern Grundfläche beherbergt sie nicht nur die 19 000 Medien der Fahrbibliothek. Sie dient auch als Depot für andere Büchereien.



Bücheranhänger 1934 © Archiv Stadtbücherei

Hier lagern diverse Möbel, Zimmerpflanzen, sogar ein Herd – und Spuckschutzscheiben aus der Zeit der Corona-Pandemie. Diese trat auch auf die Bremse des Bücherbusses. Statt der gewohnten Touren gab es aber wenigstens einen Bring-Service zur Haustür mit einem PKW – und natürlich kontaktloser Übergabe.

Fahrdienst für die Stadtbücherei Frankfurt

Seit März 2022 rollt wieder der reguläre Betrieb. Der beginnt morgens mit der Ankunft des Fahrdienstes der Stadtbücherei. Er bringt vorbestellte Medien. Mit dem Internet verknüpft war und ist stets der Traum vom Zugriff auf das gesamte Wissen der Menschheit. Das Katalogportal der Stadtbücherei bietet zumindest Zugriff auf die 536 300 physischen Medien aller Frankfurter Bibliotheken. Andreas Müller sortiert die Vorbestellungen für die heutige Tour.

Der 39-Jährige ist einer von fünf Mitarbeitern der Fahrbibliothek. Der gelernte Buchhändler hat wie seine Kollegen einen LKW-Führerschein. Rechtlich gilt der Bücherbus nicht als Bus, da keine Personen befördert werden. Das Rolltor gleitet nach oben, Andreas Müller startet den 300 PS starken Motor des 18-Tonners. „Get your motor runnin‘, head out on the highway“ (Steppenwolf).

Frankfurter Bücherbus als Ersatz für geschlossene Stadtteilbibliotheken

Wegen der Nähe zur Autobahn war der Standort 1977 ausgewählt worden. Seitdem ist viel Wasser den Main hinunter geflossen, die A 66 zwischenzeitlich verbreitert worden und viele Neubaugebiete entstanden in Frankfurt – aber keine neuen Stadtteilbüchereien.

Im Gegenteil: 2003 fegte die Stadtregierung mit stählernem Rechenschieber durch die Außenbezirke, und schloss mehrere Bibliotheken, wie etwa in Bergen. Vor der dortigen „Schule am Landgraben“ hält nun der Bücherbus. Norbert Schindler lässt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz eine Klappe herunter und rollt seinen Stuhl darauf: Jeder Zentimeter zählt in dem zwölf Meter langen Gefährt.

Ein älterer Herr betritt den Bus mit zwei prallgefüllten Tüten und begibt sich zwecks Rückgabe ins Heck zu Andreas Müller. Vorne am Ausleihtresen erkennt derweil Norbert Schindler bereits seinen Stammkunden und legt Vorbestellungen für ihn bereit – sowie eigene Empfehlungen. „Er sucht immer Krimis für meine Frau aus – ein sagenhafter Service“, schwärmt der 84-Jährige. Durch den Bücherbus komme wenigstens noch etwas Infrastruktur in den Ort, nachdem nicht nur die örtliche Bücherei, sondern auch viele Läden geschlossen hätten.

Zugang zu Wissen und Kultur für finanziell Benachteiligte

Währenddessen bemerkt ein Junge, dass er seinen Bücherei-Ausweis vergessen hat und eilt hurtig zurück nach Hause. Zeit ist genug: Der Bus steht an jeder Haltestelle rund eine Stunde. Anschließend werden die seitlichen Halterungen an den Regalen justiert, wo Bücher entnommen wurden, damit die übriggebliebenen nicht in der nächsten Kurve herunterpurzeln. Der Bürostuhl verschwindet wieder unter dem Ausleihtresen, Klappe hoch, und auf zur nächsten Station. „Ich mag es herum zu kommen“, sagt Andreas Müller. „Just can‘t wait to get on the road again“ (Willie Nelson)

Entlang der Straße zwischen Harheim und Nieder-Erlenbach stapeln Bauern auf den Feldern mit ihren Traktoren die Heuballen. Landlust statt urban feeling; Idylle, aber wenig Infrastruktur und auch keine Stadtteilbibliothek. Deshalb kommt der Bus der Stadtbücherei. Diese ist eine Institution der Emanzipation, um insbesondere finanziell Benachteiligten den Zugang zu Wissen und Kultur zu ermöglichen.



Die erste fahrende Bücherei aus dem Jahr 1929 © Archiv Stadtbücherei

„Jeder hat das Recht auf Bildung“ heißt es in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN. Dafür ist die Fahrbibliothek auf Achse – mit (kriegsbedingter) Unterbrechung schon seit 95 Jahren. 1924 war die Stadtbücherei als Amt gegründet worden aus dem Zusammenschluss der „Gesellschaft zur Verbreitung nützlicher Volks- und Jugendschriften“ und des Vereins „Freie Bibliothek und Lesehalle“.

Nur fünf Jahre später, im November 1929, nahm die Fahrbibliothek ihren Betrieb auf – wenige Wochen nach Eröffnung der allerersten deutschen Fahrbibliothek in Dresden. Heute ist sie eine von 84 bundesweit. In München gab es sogar mal eine Bücherstraßenbahn.

Zweiter Bücherbus soll bald durch Frankfurt rollen

2023 wurden im Frankfurter Bücherbus 53 800 Medien entliehen. Er rangiert damit neben den stärker frequentierten Stadtteilbibliotheken wie etwa in Bockenheim oder im Gallus. Die meisten Ausleihen verzeichnete die Zentralbibliothek inklusive Musikbibliothek mit 456 200 Ausleihen.

Und damit sind nicht nur Medien gemeint, sondern auch Wandergitarren, Ukulelen und Schlagbohrschrauber. Das Angebot „Zeusch für Eusch – Die Bibliothek der Dinge“ wurde vor drei Jahren gestartet. Indes ist die Errichtung zusätzlicher Bibliotheken nicht geplant, jedoch die Anschaffung eines zweiten Bücherbusses, damit die Haltestellen wieder jede Woche bedient werden können. Der neue Bus soll dann auch eine richtige Klimaanlage erhalten.

In dem alten kann es sehr heiß werden. Andreas Müller wischt sich den Schweiß von der Stirn und trinkt einen Schluck Wasser. Vor allem aber will er den Wissensdurst der Leser stillen: „Es ist schön zu sehen, wenn ein Kind freudestrahlend seine Bücher über Astronomie in Empfang nimmt.“
 
9. Oktober 2024, 17.38 Uhr
Peter von Freyberg
 
 
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