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Eckart von Hirschhausen

„Wir haben einen planetaren Notfall. Sich darum nicht zu kümmern, wäre unterlassene Hilfeleistung“

Eckart von Hirschhausen beendet seine Bühnenkarriere, um sich stärker für den Klimaschutz zu engagieren. Im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT sagt er, was jetzt passieren muss, was ihn mit Frankfurt verbindet und warum Lachen nach wie vor die beste Medizin ist.
JOURNAL FRANKFURT: Herr von Hirschhausen, Sie stehen seit fast drei Jahrzehnten auf der Bühne. Nun haben Sie Ihren Abschied angekündigt. Warum?
Eckart von Hirschhausen:
Es klingt so nach Midlife-Crisis, aber ich bin nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren – und die Welt ist es auch nicht. Wir haben einen planetaren Notfall. Sich darum nicht zu kümmern, wäre unterlassene Hilfeleistung. Ich fühle mich als Arzt herausgefordert, den größten möglichen Beitrag zu leisten, um Mensch und Erde gesund zu halten.

Wie genau wollen Sie das machen?
Es ist schwer, nach Feierabend ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören. Um es klar zu sagen, auf der Bühne bin ich in meinem Element, ich liebe es spontan, frei in direktem Kontakt mit dem Publikum zu lachen, Musik zu machen, und auch die stillen und nachdenklichen Momente. Wenn ich in der Frankfurter Jahrhunderthalle spiele, erreiche ich über 2000 Menschen. Wenn ich eine Fernsehdokumentation mache, erreiche ich mehrere Millionen. Und wenn ich über die Arbeit in der Öffentlichkeit und im Hintergrund dazu beitragen kann, dass endlich Millionen Euro Steuergelder nicht mehr in klimaschädliche Subventionen gesteckt werden, sondern in wirksamen Klimaschutz und Gesundheitsschutz, dann habe ich damit einen größeren Hebel. Dafür braucht es Profis, Netzwerke, Spenden und Zeit. Jetzt.

Sie sind Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ – was macht diese Stiftung, was das Gesundheitssystem und die Politik nicht schaffen?
Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert. Wir hatten allein im letzten Sommer 100 000 Hitzetote in Europa, was medial kaum vorkam. Immer noch bauen wir Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen aus Stahlbeton, der sich im Sommer aufheizt und für Kranke genauso wie für alle Mitarbeiter zur Qual und Hitzefalle macht. Allergien nehmen extrem zu, neue Infektionskrankheiten und tropische Mücken machen sich breit, auf all diese Bedrohungen sind wir miserabel vorbereitet. Deshalb widme ich mich inzwischen mit einem tollen Team um drei Dinge: den engen Zusammenhang von Klimaschutz als Gesundheitsschutz bekannter zu machen, auf die großen politischen Hebel parteiübergreifend hinzuwirken und Netzwerke zu bilden mit NGOs, Ärzteschaft, Fachgesellschaften, Kirchen, Journalisten und der Zivilgesellschaft. Wir schaffen es gemeinsam oder gar nicht. Vielen ist die Bedrohlichkeit der Situation noch nicht klar. Wir müssen nicht die Erde retten, sondern uns. Und deshalb pflanz „Gesunde Erde-Gesunde Menschen“ Ideen, weil die schneller wachsen können als Bäume.

Sie sagen, dass Sie heute ein anderer Mensch seien. Können Sie die Rolle des Komikers so einfach abschütteln und zum Ernst des Lebens zurückkehren?
Zum Glück war ich nie eine „Kunstfigur“, sondern habe mich mit dem Publikum weiterentwickelt. Die Probleme unserer Zeit lassen sich aber nicht mehr so einfach ironisch und humorvoll brechen wie die Absurditäten der Arztsprache oder der Streit um die Alternativmedizin. Wir haben globale Krisen, die mit Globuli nicht besser werden, auch nicht mit Pointen allein. Es ist die ärztliche Aufgabe, Leben zu schützen, auf Gesundheitsgefahren hinzuweisen und auch unangenehme Diagnosen zu vermitteln. Ich mache keine Angst, aber ich habe tatsächlich Angst. Die Grundlage von Gesundheit ist nicht eine Tablette oder Operation. Was wir leicht übersehen: Gesundheit beginnt mit jedem Atemzug. Wir brauchen saubere Luft zum Atmen, klares Wasser zum Trinken, Pflanzen zum Essen und erträgliche Außentemperaturen. Alle diese Lebensgrundlagen hielten wir für garantiert, sind sie aber nicht. Gegen Viren kann man Impfen, gegen Hitze nicht. An 42 Grad Körperkerntemperatur kann man sich nicht „anpassen“ – weil man da bereits tot ist. Wir steuern mit einem Zug mit hoher Geschwindigkeit auf einen Abgrund zu, und meinen, es reicht, sich im Zug etwas in die Gegenrichtung zu bewegen.

Sie sagen, wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns. Sind wir denn überhaupt noch zu retten?
Das hoffe ich sehr. Es lohnt sich ja zu kämpfen um jedes Zehntel Grad, um jede Tonne vermeidbarer Treibhausgase. Ich will nicht die letzte Generation gewesen sein, die es gut hatte. Die Verbindung von meinem Bühnenprogramm „Endlich!“ zur Endlichkeit von Leben und Ressourcen ist doch spannend. Wir wollen unsterblich sein, ewige Jugend, dauerhaftes Wachstum, und kaufen Zeug, was wir nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Darüber mache ich mich gediegen lustig. Aber die Frage nach der Endlichkeit treibt gerade auch meine Boomer-Generation um: Was haben wir getan, angerichtet, verballert, verbessert, verschlechtert, was war uns wichtig?

Lachen ist die beste Medizin. Dieser vielzitierte Spruch beschreibt Ihr Bühnenprogramm. Warum wird heute so wenig gelacht?
Ist das so? Darf man in diesen Zeiten überhaupt lachen? Klar, gerade jetzt! Von Karl Valentin stammt der weise Satz: Wenn es regnet, freue ich mich. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Denn Humor ist überhaupt nichts oberflächliches, sondern das tiefe Einverständnis in die Widersprüchlichkeit, in die Absurdität und die unauflösbaren Rätsel unserer Existenz. Der Humor wurde uns geschenkt als Ausweg und Trost, damit wir über Dinge, die wir nicht ändern können, nicht verrückt werden oder verzweifeln. Und dafür braucht es positive Gemeinschaftserlebnisse – denn keiner kann sich selbst kitzeln. Deshalb kommt alle, denn nach dem Abend ist Schluss mit lustig. Aber der Abend wird schön, ich gebe nochmal alles, versprochen!

Ihre Abschiedstournee führt Sie auch nach Frankfurt. Hier sind Sie geboren. Was verbindet Sie mit unserer Stadt?
Viel! Hier bin ich geboren, hier habe ich auf der Buchmesse „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ gefeiert, habe 5 Jahre für den Hessischen Rundfunk „Service Gesundheit“ moderiert, inzwischen bin ich hessischer Honorarprofessor in Marburg und im Beirat der Senckenberg-Gesellschaft. Frankfurt bietet, was man braucht: die Berger Straße zum Frühstücken, das Caricatura-Museum, wo es immer was zu lachen gibt, die Alte Oper und im Sommer die Burgfestspiele in Dreieichenhain, wo man immer geschätzte Kollegen und Kolleginnen besuchen kann. Dort ist auch, weil ich dort gestartet bin auch der allerletzte Tourtermin, leider schon ausverkauft. Aber für die Jahrhunderthalle gibt’s noch Karten. Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hat – mit welchen dann?

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Eckart von Hirschhausen: „Endlich!“, 16. Januar 2023, 20 Uhr, Jahrhunderthalle Frankfurt, Tickets: www.hirschhausen.com

Dr. Eckart von Hirschhausen (Jahrgang 1967) ist Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde - Gesunde Menschen“. Er studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Weil er die Klimakrise als größte Gesundheitsgefahr in diesem Jahrhundert sieht, engagiert er sich seit dem Hitzesommer 2018 für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik. Eckart von Hirschhausen war Mitgründer der "Scientists for Future". 2020 hat er die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet, um Klimaschutz als Gesundheitsschutz in der Fachwelt, gesellschaftlich und politisch zu verankern und aktiv zur Lösung der Probleme beizutragen.
 
12. Dezember 2022, 10.00 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
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