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Shantels Forderungen an die Frankfurter Politik
"Stadt für alle – eine Vision für Frankfurt"
„Die Bürger Frankfurts können sich ihre Stadt wieder zurückerobern – mit viel Engagement und noch mehr Herzblut", behauptet der Musiker Shantel, der bei der Oberbürgermeisterwahl im Februar antreten will.
Track 1: In Frankfurt ankommen um zu Bleiben.
Frankfurt ist eine Stadt des Ankommens. Derzeit vor allem wegen der Arbeitsplätze, die sie bietet. Die Stadt ist ein Job-Generator. Doch zugleich kann sie viele Menschen nicht halten. Oder schafft es nicht, sie aus eigener Kraft zu binden. Das liegt unter anderem daran, dass längst überholte Erfolgsrezepte aus den 70er- und 80er-Jahren verwaltet werden. Vom Hauptbahnhof bis zur Zeil sind die Zahlen der Einkaufsmeilen und Flagship-Stores rückläufig. Nach 20 Uhr verödet die Innenstadt und ist fast menschenleer, ein nicht optimal genutzter öffentlicher Raum.
Die Tage der großen Konsumtempel und gesichtslosen Franchiseketten, die sich in jeder größeren Stadt finden, sind gezählt. Unrettbar verloren an den Onlinehandel. Die kleinen, inhabergeführten Läden will ich fördern, in den Seitenstraßen zur Zeil braucht es Platz für Start-ups, ob Concept-Store oder Café – mitten in der City.
Leider ist auch Abwanderung ein Thema etwa beim kulturrelevanten Nachwuchs. Viele Absolventen der Städelschule und der HfG Offenbach gehen ihrer Wege. Die Anreize sind zu klein, dass sie hierbleiben. Hohe Mieten, wenig freie Räume und damit wenig Flächen des Austauschs für eine gedeihende Nachwuchsszene. Jungunternehmer und Kreative werden vertrieben. Dabei könnten sie Frankfurt noch spannender machen – zu einer vielfältigen Metropole, die die Stadt noch lebenswerter macht.
Track 2. Wohnungspolitik
Foto: Harald Schröder
Derzeit wird viel von Luxuswohnungen gesprochen, die in Frankfurt zuhauf entstünden. Das Mittel der Politik sind mehr Sozialwohnungen. Doch dabei wird der größte Teil der Frankfurter Bevölkerung vernachlässigt: Die Mittelschicht findet kaum bezahlbaren Wohnraum. Nur zaghaft beginnt die Stadt, Genossenschaften zu fördern. Dabei wären sie mit das beste Mittel vom Mehrwertsystem wegzukommen. Auch das Instrument des Milieuschutzes erlebt in deutschen Großstädten eine Renaissance. Frankfurt sollte unbedingt, in sogenannten Milieuschutzgebieten ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen und damit dem Verkauf von Wohnhäusern an Investment Fonds einen Riegel vorschieben.
Meine Absicht ist es, gemeinsam mit den Frankfurter Wohnungsbaugesellschaften unsere gewachsenen urbanen Strukturen zu stabilisieren und einer ungeordneten Gentrifizierung entgegenzuwirken. So könnten wir gemeinsam mit den Investoren sogenannte Abwendungsvereinbarungen aushandeln, umso der Verdrängung, etwa von Familien, entgegenzuwirken. Die Stadt muss diese Entwicklungen verantwortungsbewusst und nachhaltig steuern und nicht sogenannten „developern“ überlassen.
Track 3. Bildung und Erziehung
Foto: Harald Schröder
Schaffen wir mehr Spiel- und Abenteuerflächen in der Innenstadt. Kreieren wir in den Stadtteilen generationsübergreifende Oasen: zentral, sauber und sicher. Vorbei ist die Zeit, der mit Beton versiegelten toten Plätze. Fördern wir die Rückeroberung des öffentlichen Raumes und Bespielung der Plätze; dazu brauchen wir eine familienpolitische Offensive.
Auch die schrittweise Abschaffung der Kitagebühren muss auf den Weg gebracht werden. Der erste Bildungsweg sollte generell kostenfrei sein. Den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen bis hin zu einem Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Kita und Schule ist das Ziel. Suchen wir aktiv das Gespräch mit den Elterninitiativen und fördern verstärkt individuelle und unkonventionelle private Initiativen. Grund- und weiterführende Schulen leiden unter dem Renovierungsstau und haben zu wenig Platz für die weiter ansteigenden Klassengrößen.
Kindergärten, Schulen und Universitäten in Frankfurt müssen stärker mit dem Rest der Stadt vernetzt werden. Es gibt Überschneidungen, wie etwa bei der Kinder-Uni oder der Bürger-Uni, es gibt Schülerpraktika in Unternehmen und vereinzelte Kooperationen von Unternehmen und Kindergärten. Doch einen Bildungspakt, Patenschaften von Unternehmen, öffentlichen Institutionen, Museen, Theatern in Schulen und Kindergärten gibt es nicht, ebenso internationale Austauschprogramme. Dies gilt es zu ändern.
Track 4. Mein Viertel, mein Leben, mein Kiez.
Foto: Harald Schröder
Ein funktionierendes Stadtviertel ist das schützenswerteste Soziotop, das man sich vorstellen kann. Weil Städte sich aber beständig wandeln, braucht es ein seismographisches Feingefühl, um sämtliche Gruppen einzubeziehen. Dazu gehören auch identitätsstiftende Maßnahmen – etwa, indem man die Bürger in die Pflicht nimmt. Sie müssen sich einbringen und mitgestalten. Viel Frustration war zu spüren in der Eckenheimer Landstraße: ewig eine Baustelle, die Bürger waren teilweise verzweifelt, gerade der Einzelhandel. Da zeigt sich, dass es nicht reicht, ein paar Flugblätter zu verteilen. Mit solchen Situationen muss man offensiv und unbürokratisch umgehen. Gelingen könnte das durch Kiezbeauftragte. Eine Instanz, die sozusagen zwischen Institution und Bürger vermittelt. Derzeit herrscht auf der Berger Straße ein regelrechter Kleinkrieg zwischen Anwohnern und Gastronomen. Anstatt nach konstruktiven Lösungen zu suchen, wird sich um die Verantwortung gedrückt. Mit Maßband und Dezibelgerät lässt sich ein Viertel vielleicht kurzfristig befrieden, hinterlässt aber auch jede Menge frustrierter Bürger. Und wenn dann nur ein Anwohner dafür sorgt, dass Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt auf dem Römer oder das Stoffel im Günthersburgpark nur noch verkürzt stattfinden, dann muss der Oberbürgermeister offensiv das Gespräch suchen und Überzeugungsarbeit leisten. Das ist relevant für die Stadt! Reden wir miteinander!
Track 5. Das Bahnhofsviertel und die innere Sicherheit.
Foto: Harald Schröder
Das Bahnhofsviertel spiegelt die gesamte Vielfalt unserer Stadt wider, aber auch ihre zahlreichen Probleme und Widersprüche. Daher ist es einer der spannendsten Stadteile Frankfurts. Das internationale und umtriebige Klima muss erhalten bleiben. Im Bahnhofsviertel startete ich 1987 meine Karriere als Clubmacher und Musiker, das waren turbulente Zeiten und glücklicherweise hat sich seitdem vieles zum Positiven hin verändert. Milieu, Kiez und Kultur treffen heute auf engstem Raum zusammen.
Klar: lieber einen Brennpunkt in der Stadt, als mehrere. Aber was zurzeit passiert ist sehr bedenklich. Das Kernthema ist die Drogenpolitik. Der Frankfurter Weg, es darf kein Straßenkonsum stattfinden, dafür aber kontrollierter Konsum in Druckräumen, ist gescheitert. Alle schauen weg. Es gibt die Heroinkranken, die mit Methadon substituieren. Doch sie sind längst eine Minderheit. Cracksüchtige und deren Dealer beherrschen das Bild und für die passt der Frankfurter Weg nicht.
Eigentlich kann man der Drogenprobleme nur Herr werden, wenn man sich bestimmten Entscheidungen stellt. Dazu gehört auch die kontrollierte staatliche Freigabe. Man sieht, was passiert, wenn man repressiv rangeht. In München werden zwar alle Kleindealer und Süchtige kurzfristig in Haft genommen, um eine offene Drogenszene aus dem Stadtbild zu verbannen, allerdings hat München zahlenmäßig (mit steigender Tendenz) die meisten Drogentoten in Deutschland. In Zürich werden Drogen vom Staat unter Aufsicht vergeben. Frankfurt ist, bis auf ein kleines Projekt für Heroinkranke, darüber nicht hinausgekommen. Es bedarf weiterer solcher Versuche, es gibt derzeit kein Rezept – aber deswegen sollte man die Suche nach einem nicht aufgeben. Und zugleich stärker versuchen, den Drogenverkauf und ihren Konsum von der Straße zu bekommen. Ob dies allein die Aufgabe der Polizei ist, bleibt zu bezweifeln.
Track 6. Kulturpolitik
Schauspiel-Intendant Oliver Reese (heute in Berlin) und Städel-Direktor Max Hollein (heute in San Francisco) bei einem gemeinsamen Interview im Jahr 2012. Foto: Harald Schröder
Frankfurt war und ist Heimat der wichtigsten Kulturschaffenden in Deutschland. Goethe, Horkheimer und Adorno, Schopenhauer, Heiner Goebbels und Sven Väth, aber auch Impresarios wie Fritz Rau, Ossy Hoppe, Marek Lieberberg und Ralf Scheffler. Nur auf der Rock’n’Roll-Landkarte ist die Stadt nicht wirklich präsent. Viele internationale Stars müssen auf Frankfurt aufmerksam gemacht werden, sonst spielen sie in Köln oder Mannheim. Absurd, schließlich landen sie meist am Flughafen Frankfurt.
Zugleich ist die Stadt gerade dabei, die elektronische Musikszene nach Berlin oder Barcelona zu verlieren. Dort werden Festivals, Museen und diverse urbane Projekte für moderne elektronische Musik hofiert, bei uns dagegen verdrängt. Dabei ist Frankfurt Geburtsstadt der elektronischen Pop-Musik und des New Jazz, der gerade eine Wiedergeburt erfährt.
Wir müssen Anreize schaffen, um Kreative in die Stadt zu holen. Durch Stipendien, Fördermaßnahmen und Patenschaften. Gemeinsam mit Investoren aus der Wirtschaft sollte ein Fonds geschaffen werden, der jungen Künstlern das Leben und Arbeiten in Frankfurt ermöglicht. Und man muss ihnen in der Stadt eine Bühne bieten. Warum nicht auch bei sogenannten Großereignissen?
Warum nicht beim Museumsufer- oder dem Bahnhofsviertelfest. Hierbei gilt es auch die Monopolstellung der Tourismus + Congressgesellschaft (TCF) in Frankfurt neu zu verhandeln.
Die TCF sagt stets, dass die Besucherzahlen ihnen Recht geben. Wenn wir aber nur darauf achten, dann wird Frankfurt nicht anders gemanaged als das Privatfernsehen, präsentiert von Großbrauereien. Der Glanz des Museumsuferfests ist inhaltlich verglüht, eine große Würstelbude, in die sich kaum ein Frankfurter reintraut.
Solche Veranstaltungen sollten angemessen kuratiert werden, damit es auch wieder für die Frankfurter Bürger attraktiv wird. Das Frankfurt in Sachen Kultur nicht mehr en vogue ist, wird bei den Abgängen wie denen von Städel-Direktor Max Hollein oder Schauspiel-Intendant Oliver Reese deutlich – da rückt kaum etwas nach, obwohl man sich doch um jene Posten international reißen müsste.
Wir haben sehr gute Leute in der Stadt: lasst ihnen den (be-)nötigten Freiraum damit sie bleiben!
Track 7. Verkehr
Foto: Harald Schröder
Stellt euch eine begrünte Fußgängerzone beginnend am Mainufer Ecke Schauspiel bis zur Alten Bibliothek vor. Auch der öffentliche Nahverkehr RMV sollte neu durchdacht, attraktiver und bezahlbarer gemacht werden. Die Stadt Wien ist hier Vorreiter, das 365-Euro-Jahresticket für den kompletten Verbund, muss auch eine Frankfurter Erfolgsgeschichte werden. Die Metropolregion Rhein-Main mit Frankfurt, Offenbach, Hanau, Wiesbaden, Mainz und dem Naherholungsgebiet Taunus sollte auch durch ein allumfassendes, großzügiges Fahrradnetz erreichbar sein.
Ich werde mich, ganz nach dem Vorbild der Fahrradstadt Kopenhagen, für den Ausbau von sicheren Fahrradwegen in Frankfurt und der Metropolregion einsetzen. Frankfurt vernetzt sich am besten mit dem Fahrrad, schaffen wir ein positives Stadtgefühl durch umweltfreundliche Fortbewegung.
Track 8. Architektur und Gestaltung
Foto: Nils Bremer
Für das Stadtbild prägende Bauvorhaben fordern die besten Frankfurter Architekten einen Gestaltungsbeirat, der die städtebauliche und architektonische Qualität geplanter Bauvorhaben prüft und korrigiert. Das würde identitätslose, belanglose und anti-urbane Gebäude verhindern, unter denen die Stadt jahrzehntelang zu leiden hat. Es gibt so viele erfahrene, begabte und Frankfurt-liebende Architekten, warum wird einigen ästhetischen Minimalisten erlaubt, das Stadtbild zu verschandeln?
Am Eingang der Berger Straße entsteht zum Beispiel die Kopie eines Ibis Hotels. Wie passt das in die Nachbarschaft zu großartigen gründerzeitlichen Bauten? Die Pflege des Stadtbilds ist eine kulturelle Angelegenheit und gehört in die Hände der Besten ihres Faches.
Track 9. Sportstadt Frankfurt
Foto: Dirk Ostermeier
Frankfurt ist die wichtigste Sportstadt in Deutschland. Die Stadt hat eine lange Tradition und eine ausgeprägte, gesunde Vereinsstruktur. Angefangen mit der Eintracht Frankfurt, auf die sich alle einigen können, in guten wie in schlechten Zeiten. Gefolgt von den wichtigsten nationalen sowieso internationalen Sportevents, wie beispielsweise dem Radklassiker Eschborn Frankfurt oder dem Frankfurt Marathon, nur zwei von vielen jährlich stattfindenden Publikumsmagneten. Frankfurt ist Hauptsitz des DFB, DOSB, BDR und vieler weiterer Sportverbände. Das ausgeprägte und facettenreiche Vereinsleben fördert das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in Frankfurt. Der Sport und seine Strukturen sind ein hervorragendes Instrument zur Integration. Stärken wir also die Identität unserer Stadt und ihrer Menschen, durch einen vielseitigen und aktiv geförderten Sport auf allen Ebenen und fördern wir zugleich den kreativen Dialog mit allen Vereinen und ihren Jugendabteilungen, in und um Frankfurt. Bei mir werden Vereine, vor allem jene mit aktiver Nachwuchsförderung, immer auf ein offenes Ohr stoßen.
Track 10. Meine „Stadt für alle“
Foto: Nils Bremer
Die „Stadt für alle“ muss keine Vision bleiben. Die Bürger Frankfurts können sich ihre Stadt wieder zurückerobern. Die oben beschriebenen Stellschrauben sind Ansatzpunkte, wie wir mit viel Leidenschaft, Engagement und noch mehr Herzblut Frankfurt zu einer noch lebens- und liebenswerteren Stadt verwandelt werden kann. Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen können! Ich verlasse mich dabei nicht nur auf mich, sondern auf ein Team aus langjährigen Frankfurter Weggefährten, bestehend aus selbstständigen Unternehmern, Künstlern, Architekten, Gastronomen, Investoren und Rechtsanwälten, die mich dabei tatkräftig unterstützen werden.
Mein Herz, unser Herz schlägt für Frankfurt. Lasst unsere „Stadt für alle“ Realität werden am 25. Februar 2018.
Zum ersten Teil dieses Textes ... bitte hier entlang.
Der Text ist zuerst im Journal Frankfurt vom 22. August 2017 erschienen und hat nicht nur in Frankfurt, sondern auch bundesweit Wellen geschlagen. Wegen des großen Interesses über die Stadt hinaus, haben wir uns entschieden, ihn hier in kompletter Länge online zu stellen. Allen, die gerne frühzeitig über solche und andere stadtrelevanten Themen informiert sein möchten, empfehlen wir ein Abonnement unseres Print-Heftes :*
Frankfurt ist eine Stadt des Ankommens. Derzeit vor allem wegen der Arbeitsplätze, die sie bietet. Die Stadt ist ein Job-Generator. Doch zugleich kann sie viele Menschen nicht halten. Oder schafft es nicht, sie aus eigener Kraft zu binden. Das liegt unter anderem daran, dass längst überholte Erfolgsrezepte aus den 70er- und 80er-Jahren verwaltet werden. Vom Hauptbahnhof bis zur Zeil sind die Zahlen der Einkaufsmeilen und Flagship-Stores rückläufig. Nach 20 Uhr verödet die Innenstadt und ist fast menschenleer, ein nicht optimal genutzter öffentlicher Raum.
Die Tage der großen Konsumtempel und gesichtslosen Franchiseketten, die sich in jeder größeren Stadt finden, sind gezählt. Unrettbar verloren an den Onlinehandel. Die kleinen, inhabergeführten Läden will ich fördern, in den Seitenstraßen zur Zeil braucht es Platz für Start-ups, ob Concept-Store oder Café – mitten in der City.
Leider ist auch Abwanderung ein Thema etwa beim kulturrelevanten Nachwuchs. Viele Absolventen der Städelschule und der HfG Offenbach gehen ihrer Wege. Die Anreize sind zu klein, dass sie hierbleiben. Hohe Mieten, wenig freie Räume und damit wenig Flächen des Austauschs für eine gedeihende Nachwuchsszene. Jungunternehmer und Kreative werden vertrieben. Dabei könnten sie Frankfurt noch spannender machen – zu einer vielfältigen Metropole, die die Stadt noch lebenswerter macht.
Track 2. Wohnungspolitik
Foto: Harald Schröder
Derzeit wird viel von Luxuswohnungen gesprochen, die in Frankfurt zuhauf entstünden. Das Mittel der Politik sind mehr Sozialwohnungen. Doch dabei wird der größte Teil der Frankfurter Bevölkerung vernachlässigt: Die Mittelschicht findet kaum bezahlbaren Wohnraum. Nur zaghaft beginnt die Stadt, Genossenschaften zu fördern. Dabei wären sie mit das beste Mittel vom Mehrwertsystem wegzukommen. Auch das Instrument des Milieuschutzes erlebt in deutschen Großstädten eine Renaissance. Frankfurt sollte unbedingt, in sogenannten Milieuschutzgebieten ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen und damit dem Verkauf von Wohnhäusern an Investment Fonds einen Riegel vorschieben.
Meine Absicht ist es, gemeinsam mit den Frankfurter Wohnungsbaugesellschaften unsere gewachsenen urbanen Strukturen zu stabilisieren und einer ungeordneten Gentrifizierung entgegenzuwirken. So könnten wir gemeinsam mit den Investoren sogenannte Abwendungsvereinbarungen aushandeln, umso der Verdrängung, etwa von Familien, entgegenzuwirken. Die Stadt muss diese Entwicklungen verantwortungsbewusst und nachhaltig steuern und nicht sogenannten „developern“ überlassen.
Track 3. Bildung und Erziehung
Foto: Harald Schröder
Schaffen wir mehr Spiel- und Abenteuerflächen in der Innenstadt. Kreieren wir in den Stadtteilen generationsübergreifende Oasen: zentral, sauber und sicher. Vorbei ist die Zeit, der mit Beton versiegelten toten Plätze. Fördern wir die Rückeroberung des öffentlichen Raumes und Bespielung der Plätze; dazu brauchen wir eine familienpolitische Offensive.
Auch die schrittweise Abschaffung der Kitagebühren muss auf den Weg gebracht werden. Der erste Bildungsweg sollte generell kostenfrei sein. Den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen bis hin zu einem Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in Kita und Schule ist das Ziel. Suchen wir aktiv das Gespräch mit den Elterninitiativen und fördern verstärkt individuelle und unkonventionelle private Initiativen. Grund- und weiterführende Schulen leiden unter dem Renovierungsstau und haben zu wenig Platz für die weiter ansteigenden Klassengrößen.
Kindergärten, Schulen und Universitäten in Frankfurt müssen stärker mit dem Rest der Stadt vernetzt werden. Es gibt Überschneidungen, wie etwa bei der Kinder-Uni oder der Bürger-Uni, es gibt Schülerpraktika in Unternehmen und vereinzelte Kooperationen von Unternehmen und Kindergärten. Doch einen Bildungspakt, Patenschaften von Unternehmen, öffentlichen Institutionen, Museen, Theatern in Schulen und Kindergärten gibt es nicht, ebenso internationale Austauschprogramme. Dies gilt es zu ändern.
Track 4. Mein Viertel, mein Leben, mein Kiez.
Foto: Harald Schröder
Ein funktionierendes Stadtviertel ist das schützenswerteste Soziotop, das man sich vorstellen kann. Weil Städte sich aber beständig wandeln, braucht es ein seismographisches Feingefühl, um sämtliche Gruppen einzubeziehen. Dazu gehören auch identitätsstiftende Maßnahmen – etwa, indem man die Bürger in die Pflicht nimmt. Sie müssen sich einbringen und mitgestalten. Viel Frustration war zu spüren in der Eckenheimer Landstraße: ewig eine Baustelle, die Bürger waren teilweise verzweifelt, gerade der Einzelhandel. Da zeigt sich, dass es nicht reicht, ein paar Flugblätter zu verteilen. Mit solchen Situationen muss man offensiv und unbürokratisch umgehen. Gelingen könnte das durch Kiezbeauftragte. Eine Instanz, die sozusagen zwischen Institution und Bürger vermittelt. Derzeit herrscht auf der Berger Straße ein regelrechter Kleinkrieg zwischen Anwohnern und Gastronomen. Anstatt nach konstruktiven Lösungen zu suchen, wird sich um die Verantwortung gedrückt. Mit Maßband und Dezibelgerät lässt sich ein Viertel vielleicht kurzfristig befrieden, hinterlässt aber auch jede Menge frustrierter Bürger. Und wenn dann nur ein Anwohner dafür sorgt, dass Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt auf dem Römer oder das Stoffel im Günthersburgpark nur noch verkürzt stattfinden, dann muss der Oberbürgermeister offensiv das Gespräch suchen und Überzeugungsarbeit leisten. Das ist relevant für die Stadt! Reden wir miteinander!
Track 5. Das Bahnhofsviertel und die innere Sicherheit.
Foto: Harald Schröder
Das Bahnhofsviertel spiegelt die gesamte Vielfalt unserer Stadt wider, aber auch ihre zahlreichen Probleme und Widersprüche. Daher ist es einer der spannendsten Stadteile Frankfurts. Das internationale und umtriebige Klima muss erhalten bleiben. Im Bahnhofsviertel startete ich 1987 meine Karriere als Clubmacher und Musiker, das waren turbulente Zeiten und glücklicherweise hat sich seitdem vieles zum Positiven hin verändert. Milieu, Kiez und Kultur treffen heute auf engstem Raum zusammen.
Klar: lieber einen Brennpunkt in der Stadt, als mehrere. Aber was zurzeit passiert ist sehr bedenklich. Das Kernthema ist die Drogenpolitik. Der Frankfurter Weg, es darf kein Straßenkonsum stattfinden, dafür aber kontrollierter Konsum in Druckräumen, ist gescheitert. Alle schauen weg. Es gibt die Heroinkranken, die mit Methadon substituieren. Doch sie sind längst eine Minderheit. Cracksüchtige und deren Dealer beherrschen das Bild und für die passt der Frankfurter Weg nicht.
Eigentlich kann man der Drogenprobleme nur Herr werden, wenn man sich bestimmten Entscheidungen stellt. Dazu gehört auch die kontrollierte staatliche Freigabe. Man sieht, was passiert, wenn man repressiv rangeht. In München werden zwar alle Kleindealer und Süchtige kurzfristig in Haft genommen, um eine offene Drogenszene aus dem Stadtbild zu verbannen, allerdings hat München zahlenmäßig (mit steigender Tendenz) die meisten Drogentoten in Deutschland. In Zürich werden Drogen vom Staat unter Aufsicht vergeben. Frankfurt ist, bis auf ein kleines Projekt für Heroinkranke, darüber nicht hinausgekommen. Es bedarf weiterer solcher Versuche, es gibt derzeit kein Rezept – aber deswegen sollte man die Suche nach einem nicht aufgeben. Und zugleich stärker versuchen, den Drogenverkauf und ihren Konsum von der Straße zu bekommen. Ob dies allein die Aufgabe der Polizei ist, bleibt zu bezweifeln.
Track 6. Kulturpolitik
Schauspiel-Intendant Oliver Reese (heute in Berlin) und Städel-Direktor Max Hollein (heute in San Francisco) bei einem gemeinsamen Interview im Jahr 2012. Foto: Harald Schröder
Frankfurt war und ist Heimat der wichtigsten Kulturschaffenden in Deutschland. Goethe, Horkheimer und Adorno, Schopenhauer, Heiner Goebbels und Sven Väth, aber auch Impresarios wie Fritz Rau, Ossy Hoppe, Marek Lieberberg und Ralf Scheffler. Nur auf der Rock’n’Roll-Landkarte ist die Stadt nicht wirklich präsent. Viele internationale Stars müssen auf Frankfurt aufmerksam gemacht werden, sonst spielen sie in Köln oder Mannheim. Absurd, schließlich landen sie meist am Flughafen Frankfurt.
Zugleich ist die Stadt gerade dabei, die elektronische Musikszene nach Berlin oder Barcelona zu verlieren. Dort werden Festivals, Museen und diverse urbane Projekte für moderne elektronische Musik hofiert, bei uns dagegen verdrängt. Dabei ist Frankfurt Geburtsstadt der elektronischen Pop-Musik und des New Jazz, der gerade eine Wiedergeburt erfährt.
Wir müssen Anreize schaffen, um Kreative in die Stadt zu holen. Durch Stipendien, Fördermaßnahmen und Patenschaften. Gemeinsam mit Investoren aus der Wirtschaft sollte ein Fonds geschaffen werden, der jungen Künstlern das Leben und Arbeiten in Frankfurt ermöglicht. Und man muss ihnen in der Stadt eine Bühne bieten. Warum nicht auch bei sogenannten Großereignissen?
Warum nicht beim Museumsufer- oder dem Bahnhofsviertelfest. Hierbei gilt es auch die Monopolstellung der Tourismus + Congressgesellschaft (TCF) in Frankfurt neu zu verhandeln.
Die TCF sagt stets, dass die Besucherzahlen ihnen Recht geben. Wenn wir aber nur darauf achten, dann wird Frankfurt nicht anders gemanaged als das Privatfernsehen, präsentiert von Großbrauereien. Der Glanz des Museumsuferfests ist inhaltlich verglüht, eine große Würstelbude, in die sich kaum ein Frankfurter reintraut.
Solche Veranstaltungen sollten angemessen kuratiert werden, damit es auch wieder für die Frankfurter Bürger attraktiv wird. Das Frankfurt in Sachen Kultur nicht mehr en vogue ist, wird bei den Abgängen wie denen von Städel-Direktor Max Hollein oder Schauspiel-Intendant Oliver Reese deutlich – da rückt kaum etwas nach, obwohl man sich doch um jene Posten international reißen müsste.
Wir haben sehr gute Leute in der Stadt: lasst ihnen den (be-)nötigten Freiraum damit sie bleiben!
Track 7. Verkehr
Foto: Harald Schröder
Stellt euch eine begrünte Fußgängerzone beginnend am Mainufer Ecke Schauspiel bis zur Alten Bibliothek vor. Auch der öffentliche Nahverkehr RMV sollte neu durchdacht, attraktiver und bezahlbarer gemacht werden. Die Stadt Wien ist hier Vorreiter, das 365-Euro-Jahresticket für den kompletten Verbund, muss auch eine Frankfurter Erfolgsgeschichte werden. Die Metropolregion Rhein-Main mit Frankfurt, Offenbach, Hanau, Wiesbaden, Mainz und dem Naherholungsgebiet Taunus sollte auch durch ein allumfassendes, großzügiges Fahrradnetz erreichbar sein.
Ich werde mich, ganz nach dem Vorbild der Fahrradstadt Kopenhagen, für den Ausbau von sicheren Fahrradwegen in Frankfurt und der Metropolregion einsetzen. Frankfurt vernetzt sich am besten mit dem Fahrrad, schaffen wir ein positives Stadtgefühl durch umweltfreundliche Fortbewegung.
Track 8. Architektur und Gestaltung
Foto: Nils Bremer
Für das Stadtbild prägende Bauvorhaben fordern die besten Frankfurter Architekten einen Gestaltungsbeirat, der die städtebauliche und architektonische Qualität geplanter Bauvorhaben prüft und korrigiert. Das würde identitätslose, belanglose und anti-urbane Gebäude verhindern, unter denen die Stadt jahrzehntelang zu leiden hat. Es gibt so viele erfahrene, begabte und Frankfurt-liebende Architekten, warum wird einigen ästhetischen Minimalisten erlaubt, das Stadtbild zu verschandeln?
Am Eingang der Berger Straße entsteht zum Beispiel die Kopie eines Ibis Hotels. Wie passt das in die Nachbarschaft zu großartigen gründerzeitlichen Bauten? Die Pflege des Stadtbilds ist eine kulturelle Angelegenheit und gehört in die Hände der Besten ihres Faches.
Track 9. Sportstadt Frankfurt
Foto: Dirk Ostermeier
Frankfurt ist die wichtigste Sportstadt in Deutschland. Die Stadt hat eine lange Tradition und eine ausgeprägte, gesunde Vereinsstruktur. Angefangen mit der Eintracht Frankfurt, auf die sich alle einigen können, in guten wie in schlechten Zeiten. Gefolgt von den wichtigsten nationalen sowieso internationalen Sportevents, wie beispielsweise dem Radklassiker Eschborn Frankfurt oder dem Frankfurt Marathon, nur zwei von vielen jährlich stattfindenden Publikumsmagneten. Frankfurt ist Hauptsitz des DFB, DOSB, BDR und vieler weiterer Sportverbände. Das ausgeprägte und facettenreiche Vereinsleben fördert das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in Frankfurt. Der Sport und seine Strukturen sind ein hervorragendes Instrument zur Integration. Stärken wir also die Identität unserer Stadt und ihrer Menschen, durch einen vielseitigen und aktiv geförderten Sport auf allen Ebenen und fördern wir zugleich den kreativen Dialog mit allen Vereinen und ihren Jugendabteilungen, in und um Frankfurt. Bei mir werden Vereine, vor allem jene mit aktiver Nachwuchsförderung, immer auf ein offenes Ohr stoßen.
Track 10. Meine „Stadt für alle“
Foto: Nils Bremer
Die „Stadt für alle“ muss keine Vision bleiben. Die Bürger Frankfurts können sich ihre Stadt wieder zurückerobern. Die oben beschriebenen Stellschrauben sind Ansatzpunkte, wie wir mit viel Leidenschaft, Engagement und noch mehr Herzblut Frankfurt zu einer noch lebens- und liebenswerteren Stadt verwandelt werden kann. Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen können! Ich verlasse mich dabei nicht nur auf mich, sondern auf ein Team aus langjährigen Frankfurter Weggefährten, bestehend aus selbstständigen Unternehmern, Künstlern, Architekten, Gastronomen, Investoren und Rechtsanwälten, die mich dabei tatkräftig unterstützen werden.
Mein Herz, unser Herz schlägt für Frankfurt. Lasst unsere „Stadt für alle“ Realität werden am 25. Februar 2018.
Zum ersten Teil dieses Textes ... bitte hier entlang.
Der Text ist zuerst im Journal Frankfurt vom 22. August 2017 erschienen und hat nicht nur in Frankfurt, sondern auch bundesweit Wellen geschlagen. Wegen des großen Interesses über die Stadt hinaus, haben wir uns entschieden, ihn hier in kompletter Länge online zu stellen. Allen, die gerne frühzeitig über solche und andere stadtrelevanten Themen informiert sein möchten, empfehlen wir ein Abonnement unseres Print-Heftes :*
6. September 2017, 11.00 Uhr
Stefan Hantel
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23. Dezember 2024
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