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Martina Feldmayer im Gespräch über das AKW Biblis
„Die radioaktive Wolke macht nicht an Grenzen Halt“
Seit Juni ist das Atomkraftwerk in Biblis kernbrennstofffrei. Martina Feldmayer, klimapolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag, spricht im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT über das historische Ereignis – und den langen Weg der Anti-AKW-Bewegung.
JOURNAL FRANKFURT: Das Atomkraftwerk in Biblis ist seit Anfang Juni kernbrennstofffrei. Was genau bedeutet das?
Martina Feldmayer: Das bedeutet zuallererst, dass die Ära der Atomkraft in Hessen vorbei ist. Hierfür haben viele Aktivistinnen und Aktivisten und wir Grüne gekämpft. Die Ironie des Schicksals ist, dass diejenigen, die auf Atomkraft gesetzt haben, keine Lösung für den tausend Jahre strahlenden Müll haben und wir müssen uns nun darum kümmern.
Technisch bedeutet es, dass die Brennelemente, die den radioaktiven Kernbrennstoff enthalten, aus den beiden Blöcken A und B des Kraftwerks entfernt werden konnten. 99,7 Prozent der radioaktiven Materialen sind nun aus den beiden Blöcken entfernt.
Was haben die Grünen konkret dazu beigetragen, dass das AKW Biblis abgeschaltet wurde?
Der Kampf gegen die Nuklearanlage in Hanau und das AKW Biblis gehört zum Kernthema der Hessischen Grünen. Wir haben immer wieder auf die Risiken der Atomkraft und das ungelöste Problem des Atommülls hingewiesen. In Biblis A und B gab es über 800 Störfälle. Gravierend war der Beinahe–Gau 1987. Wir haben die Mär vom sicheren Atomkraftwerk widerlegt, haben Sicherheitsdefizite aufgedeckt und angeprangert. Wir waren auch Teil der Anti–AKW–Bewegung und haben dort mit Initiativen und Verbänden zusammengearbeitet.
Das Unternehmen RWE gibt an, dass die Abschaltung des Reaktors insgesamt rund 15 Jahre dauert. Im März 2011 wurde es in Biblis vom Netz genommen. Welche Schritte sind noch nötig, um den Reaktor komplett stillzulegen? Und warum dauert das so lange?
Da es sich hier um ein Atomkraftwerk handelt, muss der Rückbau nach strengen gesetzlichen Regelungen durchgeführt werden. Zuerst musste vonseiten des Betreibers überhaupt der Antrag zur Stilllegung und zum Abbau des Atomkraftwerks gestellt werden. Dann kamen Prüfungen und eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Das alleine hat schon Jahre gedauert. Das ist aber auch gut so, denn es geht hier schließlich um Sicherheit für alle Beteiligten. Den Antrag stellte die RWE Power AG am 6. August 2012. Die Genehmigung kam 2017. Hier sieht man, jeder Schritt ist geregelt und muss nach strengen Vorgaben durchgeführt werden. Das gilt dann auch für den Abbau von Anlageteilen. Letztendlich wird die Kraftwerkssilhouette noch stehen.
Eines der größten Probleme stellt die Endlagerung der radioaktiven Materie dar. Gibt es denn mittlerweile Ideen beziehungsweise Möglichkeiten, wie man den Atommüll bestmöglich entsorgen kann?
Nein. Es gibt weltweit noch kein Endlager in Betrieb. 2017 trat in Deutschland das Standortauswahlgesetz in Kraft. Bisher gibt es hierzu noch keine Entscheidung.
Kurz vor der Abschaltung kam es im japanischen Kernkraftwerk Fukushima zu einer der gravierendsten Nuklearkatastrophen der Weltgeschichte. War das mit ein Auslöser für die Kehrtwende in der hiesigen Atompolitik?
Diese schreckliche Katastrophe hat dazu geführt, dass die damalige CDU/FDP-geführte Bundesregierung eine Kehrtwende in der Atompolitik machte. Kurz zuvor hatten sie den Atomkonsens von Rot–Grün aufgekündigt und Biblis hätte noch bis mindestens 2020 laufen können. Ohne die Anti–AKW–Bewegung und ihrem jahrzehntelangen Kampf und den politischen Druck, auch von den Grünen, hätte die Bundesregierung nicht eingelenkt.
Geht derzeit noch eine Gefahr vom AKW in Biblis aus?
Der Rückbau ist viel sicherer als der Betrieb. Da bin ich froh, um jeden Tag, wo das Atomkraftwerk abgeschaltet ist.
Wir treten ein belastetes Erbe an mit der Atomkraft und wir sehen daran, dass es eine gravierende Fehlentscheidung war, auf Atomkraft zu setzen. Jetzt müssen wir noch schneller werden beim Ausbau der erneuerbaren Energien, denn wir wollen auch aus der Kohle raus.
Inwiefern werden sich die Grünen, auch im Hinblick auf die Europawahl, künftig - national und europaweit – gegen die Nutzung von Atomkraft einsetzen?
Die radioaktive Wolke macht nicht an Grenzen Halt. Deshalb setzen wir uns nicht nur für einen europaweiten Kohleausstieg, sondern auch für einen Ausstieg aus der Atomkraft ein.
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Über Martina Feldmayer
Die gebürtige Frankfurterin ist kurz nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften in die Partei Bündnis 90/Die Grünen Frankfurt eingetreten. Heute ist sie nicht nur Abgeordnete im Hessischen Landtag, sondern auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie Sprecherin für Umwelt- und Klimapolitik.
Martina Feldmayer: Das bedeutet zuallererst, dass die Ära der Atomkraft in Hessen vorbei ist. Hierfür haben viele Aktivistinnen und Aktivisten und wir Grüne gekämpft. Die Ironie des Schicksals ist, dass diejenigen, die auf Atomkraft gesetzt haben, keine Lösung für den tausend Jahre strahlenden Müll haben und wir müssen uns nun darum kümmern.
Technisch bedeutet es, dass die Brennelemente, die den radioaktiven Kernbrennstoff enthalten, aus den beiden Blöcken A und B des Kraftwerks entfernt werden konnten. 99,7 Prozent der radioaktiven Materialen sind nun aus den beiden Blöcken entfernt.
Was haben die Grünen konkret dazu beigetragen, dass das AKW Biblis abgeschaltet wurde?
Der Kampf gegen die Nuklearanlage in Hanau und das AKW Biblis gehört zum Kernthema der Hessischen Grünen. Wir haben immer wieder auf die Risiken der Atomkraft und das ungelöste Problem des Atommülls hingewiesen. In Biblis A und B gab es über 800 Störfälle. Gravierend war der Beinahe–Gau 1987. Wir haben die Mär vom sicheren Atomkraftwerk widerlegt, haben Sicherheitsdefizite aufgedeckt und angeprangert. Wir waren auch Teil der Anti–AKW–Bewegung und haben dort mit Initiativen und Verbänden zusammengearbeitet.
Das Unternehmen RWE gibt an, dass die Abschaltung des Reaktors insgesamt rund 15 Jahre dauert. Im März 2011 wurde es in Biblis vom Netz genommen. Welche Schritte sind noch nötig, um den Reaktor komplett stillzulegen? Und warum dauert das so lange?
Da es sich hier um ein Atomkraftwerk handelt, muss der Rückbau nach strengen gesetzlichen Regelungen durchgeführt werden. Zuerst musste vonseiten des Betreibers überhaupt der Antrag zur Stilllegung und zum Abbau des Atomkraftwerks gestellt werden. Dann kamen Prüfungen und eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Das alleine hat schon Jahre gedauert. Das ist aber auch gut so, denn es geht hier schließlich um Sicherheit für alle Beteiligten. Den Antrag stellte die RWE Power AG am 6. August 2012. Die Genehmigung kam 2017. Hier sieht man, jeder Schritt ist geregelt und muss nach strengen Vorgaben durchgeführt werden. Das gilt dann auch für den Abbau von Anlageteilen. Letztendlich wird die Kraftwerkssilhouette noch stehen.
Eines der größten Probleme stellt die Endlagerung der radioaktiven Materie dar. Gibt es denn mittlerweile Ideen beziehungsweise Möglichkeiten, wie man den Atommüll bestmöglich entsorgen kann?
Nein. Es gibt weltweit noch kein Endlager in Betrieb. 2017 trat in Deutschland das Standortauswahlgesetz in Kraft. Bisher gibt es hierzu noch keine Entscheidung.
Kurz vor der Abschaltung kam es im japanischen Kernkraftwerk Fukushima zu einer der gravierendsten Nuklearkatastrophen der Weltgeschichte. War das mit ein Auslöser für die Kehrtwende in der hiesigen Atompolitik?
Diese schreckliche Katastrophe hat dazu geführt, dass die damalige CDU/FDP-geführte Bundesregierung eine Kehrtwende in der Atompolitik machte. Kurz zuvor hatten sie den Atomkonsens von Rot–Grün aufgekündigt und Biblis hätte noch bis mindestens 2020 laufen können. Ohne die Anti–AKW–Bewegung und ihrem jahrzehntelangen Kampf und den politischen Druck, auch von den Grünen, hätte die Bundesregierung nicht eingelenkt.
Geht derzeit noch eine Gefahr vom AKW in Biblis aus?
Der Rückbau ist viel sicherer als der Betrieb. Da bin ich froh, um jeden Tag, wo das Atomkraftwerk abgeschaltet ist.
Wir treten ein belastetes Erbe an mit der Atomkraft und wir sehen daran, dass es eine gravierende Fehlentscheidung war, auf Atomkraft zu setzen. Jetzt müssen wir noch schneller werden beim Ausbau der erneuerbaren Energien, denn wir wollen auch aus der Kohle raus.
Inwiefern werden sich die Grünen, auch im Hinblick auf die Europawahl, künftig - national und europaweit – gegen die Nutzung von Atomkraft einsetzen?
Die radioaktive Wolke macht nicht an Grenzen Halt. Deshalb setzen wir uns nicht nur für einen europaweiten Kohleausstieg, sondern auch für einen Ausstieg aus der Atomkraft ein.
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Über Martina Feldmayer
Die gebürtige Frankfurterin ist kurz nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften in die Partei Bündnis 90/Die Grünen Frankfurt eingetreten. Heute ist sie nicht nur Abgeordnete im Hessischen Landtag, sondern auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie Sprecherin für Umwelt- und Klimapolitik.
11. Juni 2019, 12.52 Uhr
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22. Dezember 2024
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