Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: © AdobeStock/Björn Wylezich
Foto: © AdobeStock/Björn Wylezich

Debatte ums Bürgergeld

„Arme Menschen werden gegeneinander ausgespielt“

Die Debatte um eine Reform des Bürgergelds wird heftig geführt. Das JOURNAL FRANKFURT hat darüber mit Silke Asmußen vom VdK Hessen-Thüringen gesprochen.
Der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen vertritt – in Hessen seit über 75 Jahren – die Interessen behinderter, chronisch kranker, älterer sowie sozial benachteiligter Menschen. Er ist mit mehr als 293 000 Mitgliedern der größte Sozialverband in Hessen und Thüringen. Als gemeinnütziger Verein ist der VdK unabhängig von parteipolitischen, religiösen und weltanschaulichen Interessen. Fundament und Markenzeichen des VdK Hessen-Thüringen auf allen Verbandsebenen bildet das Ehrenamt.

JOURNAL: Die CDU möchte mit ihrem Alternativkonzept zum Bürgergeld höhere Anreize für Arbeit setzen. Gibt es aus Ihrer Sicht durch die Leistungen im Bürgergeld keinen Anreiz mehr zu arbeiten?
Silke Asmußen: Es gibt selbstverständlich Anreize dafür, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, statt Bürgergeld zu beziehen. Arbeit lohnt sich schon rechnerisch. Das Bürgergeld ist dazu da, die Existenz zu sichern. Eine aktuelle Studie des ifo-Instituts bestätigt: Wer arbeitet und alle Sozialleistungen in Anspruch nimmt, die ihm zustehen, verfügt demnach immer über mehr Einkommen als jemand, der nicht arbeitet und nur Sozialleistungen bekommt. Wichtig ist außerdem ein sozialer Aspekt: Für viele Menschen gehört eine Erwerbstätigkeit zu einem erfüllten Leben; ohne Job fühlten sie sich ausgegrenzt.

Wie schätzen Sie diese Debatte ein?
Für den VdK ist es verwunderlich, dass derzeit in Deutschland mehr über Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger als über Steuerhinterziehung gesprochen wird, obwohl dem Staat durch Steuerbetrug nach Schätzungen jedes Jahr Einnahmen in Höhe von 150 Milliarden Euro verloren gehen. Bürgergeldempfänger und -empfängerinnen unter den Generalverdacht zu stellen, den Bezug dieser Leistung einer Arbeit vorzuziehen, lehnt der VdK ab.

Wir wehren uns entschieden dagegen, auf diese Weise Menschen gegeneinander auszuspielen. Einen Hinweis, der diese Behauptung entkräftet, geben auch Zahlen der Arbeitsagentur. Nach Medienberichten, die sich auf diese Daten berufen, haben im Zeitraum Januar bis November 2023 von insgesamt 1,6 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld-Empfängern lediglich 13.838 (0,86 Prozent) weniger Bürgergeld erhalten, weil sie eine Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung, Qualifikation oder eine Maßnahme der Arbeitsagentur nicht aufnehmen oder fortsetzen wollten.

VdK Hessen-Thüringen fordert Mindestlohn von 14 Euro, bessere Vereinbarung von Beruf und Familie und einen inklusiveren Arbeitsmarkt

Wie könnte man aus Ihrer Sicht Arbeit attraktiver machen?
Im sozialpolitischen Forderungskatalog des VdK Hessen-Thüringen sind dazu eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgeführt, etwa eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie, sodass hochqualifizierte Frauen nicht der Familie wegen im Beruf kürzertreten beziehungsweise aussteigen müssen. Derzeit finden auch viele Menschen mit Behinderung trotz guter Ausbildung keine Arbeitsstelle: Um ihr hohes berufliches Potenzial zu nutzen – insbesondere angesichts des aktuellen Fachkräftemangels –, müsste der Arbeitsmarkt inklusiver gestaltet werden.

Darüber hinaus setzen wir uns für eine faire Bezahlung ein, die Erwerbstätige im Alter vor dem Abrutschen in die Armut bewahrt. Wichtige Voraussetzungen dafür sind die Eindämmung des Niedriglohnsektors, ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von mindestens 14 Euro und eine Vergütung nach Tarif. Das Aufstocken eines geringen Erwerbseinkommens durch Sozialleistungen wäre dann nicht mehr erforderlich.

Bürgergeld-Debatte sorgt laut VdK für eine Stigmatisierung der Empfänger von Transferleistungen

Welche Chancen oder Gefahren sehen Sie bezogen auf die Reformvorschläge der CDU für sozial schwache Menschen?
Neben schärferen Sanktionen ist ein Aspekt der Reformvorschläge die Herabsetzung der Grenze für das Schonvermögen. Diese Beseitigung der Schutzbarrieren bei Wohnraum und Ersparnissen sehen wir kritisch: Davon besonders betroffen wären ältere Arbeitnehmer, die sich beruflich neu orientieren müssen. Ihnen würde der Verlust dessen drohen, was sie sich viele Jahre für das Alter aufgebaut haben. Grundsätzlich sorgt die Debatte über eine Bürgergeld-Reform dafür, dass Empfänger von Transferleistungen weiter stigmatisiert werden.

Laut Experten hegen zum Beispiel die größten Bedenken gegen eine Erhöhung des Bürgergelds Menschen, die im Niedriglohnsektor tätig sind und deren Verdienst etwas über dem Bürgergeld liegt. Dies zeigt: Gruppen armer Menschen werden in der Diskussion um das Bürgergeld gegeneinander ausgespielt. Noch einmal: Das lehnt der VdK entschieden ab.

Würde die „Neue Grundsicherung“ einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten?
Kritisch in dem Zusammenhang zu bewerten wäre etwa eine politisch gesetzte Begrenzung bei den Regelsätzen. Das Bürgergeld soll das Existenzminimum sicherstellen, und das ist verfassungsrechtlich geschützt. Eine Kürzung der Leistungen um 60 Prozent oder mehr ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, das hat das Bundesverfassungsgericht 2019 entschieden.



Silke Asmußen © privat

Info
Silke Asmußen ist stellvertretende Abteilungsleiterin der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beim Sozialverband VdK Hessen-Thüringen
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
5. April 2024, 15.21 Uhr
Florian Aupor
 
Florian Aupor
Kurz-Bio folgt – Mehr von Florian Aupor >>
 
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Politik
„Talking about (the Silencing of) Palestine“
Kontroverse um abgesagte Palästina-Konferenz an der Goethe-Uni
Die Goethe-Uni sagt eine Palästina-Konferenz ab. Während die Veranstalter Kritik an Zensur üben, verweist die Uni auf fehlende Transparenz und eine kurzfristige Planung der anonymen Organisatoren.
Text: Till Taubmann / Foto: © Adobestock/ Gérard Bottino
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
16. Januar 2025
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Emile Parisien Quartet
    Centralstation | 20.00 Uhr
  • Babyjoy
    Zoom | 20.00 Uhr
  • The Butcher Sisters
    Batschkapp | 20.00 Uhr
Nightlife
  • Afterwork Clubbing
    Gibson | 22.00 Uhr
  • Play
    Silbergold | 23.59 Uhr
  • After Work Party
    Culture Club | 18.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • hr-Sinfonieorchester
    Hessischer Rundfunk | 19.00 Uhr
  • Helena Kunkel, Eins Lee, Tabea Blum und Charlotte Hackert
    Kirche am Campus | 19.00 Uhr
  • 30 Minuten Orgelmusik
    St. Katharinenkirche | 16.30 Uhr
Theater / Literatur
  • Woyzeck
    Hessisches Staatstheater Wiesbaden | 19.30 Uhr
  • Ferdinand von Schirach
    Alte Oper | 20.00 Uhr
  • Feuerwerk der Turnkunst
    Festhalle | 19.00 Uhr
Kunst
  • Korallenriff
    Senckenberg, Forschungsinstitut und Naturmuseum | 09.00 Uhr
  • Deep Distance Tender Touch
    Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim | 10.00 Uhr
  • Frankfurter Kirchenschätze
    Dommuseum Frankfurt | 10.00 Uhr
Kinder
  • Minimal Animal
    Theaterhaus | 10.00 Uhr
  • Gaming
    Bibliothekszentrum Höchst | 14.00 Uhr
  • #Robo-Club
    KiBi – Zentrale Kinder- und Jugendbibliothek | 16.00 Uhr
und sonst
  • Nur für Frauen – Sex in the City Tour
    Hauptbahnhof | 20.00 Uhr
  • Buchbinden leicht gemacht - Kreativer Workshop rund um die Tradition des Buchbindens
    Frankfurter Stadtevents | 18.30 Uhr
  • Heimtextil
    Messe Frankfurt | 09.00 Uhr
Freie Stellen