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Das postfaktische Zeitalter
Namensgebung
Ein Platz in Frankfurt wird nach Jina Mahsa Amini benannt, und schon gibt es Aufregung. Was das mit universellen Menschenrechten zu tun hat und warum manche Kritik ziemlich unsinnig ist, weiß unser Kolumnist.
Wussten Sie, dass Adolf Hitler bis zum Jahr 2002 Ehrenbürger von Mainz war? Das ist jetzt eine sehr weite Herleitung zum eigentlichen Thema, aber ich finde die Information interessant. Außerdem bringt das Wort „Hitler“ die Menschen dazu, einen Text weiterzulesen. Nun zur Sache: Am 16. September 2022 wurde Jina Mahsa Amini in Teheran im Alter von 22 Jahren von der iranischen Sittenpolizei totgeschlagen, weil sie ihre Haare angeblich nicht ausreichend bedeckt hatte. Exakt zwei Jahre später wurde in Frankfurt ein Platz im Nordend nach der jungen Frau benannt. Ein Platz, der zuvor gar keinen Namen hatte. Niemandem wurde damit Unrecht getan. Aber das Netz tobt.
Benennung eines Frankfurter Platzes und universelle Menschenrechte
Tenor 1: „Was haben wir in Deutschland oder gar in Frankfurt mit dem Iran zu tun? Haben wir nicht unsere eigenen Probleme?“ Ja und nein. Sagen wir es mal so: Wenn der 67-jährige Harald S. aus Sossenheim von der deutschen Polizei totgeschlagen würde, weil er seine Schiebermütze falsch herum trägt, wäre das nicht nur sein Problem. Man nennt das universelle Menschenrechte. Tenor 2: „Nach irgendsoeiner Ausländerin wird ein Platz benannt, aber nach dem in Mannheim ermordeten Polizisten nicht.“ Hierfür gilt: Erstens muss zwischen dem Ableben eines Menschen und der Benennung einer Straße ein gewisser Zeitraum verstreichen. Zweitens haben in Frankfurt die Ortsbeiräte das Vorschlagsrecht in dieser Sache. An die kann man sich wenden, wenn man eine Idee hat.
Man müsste halt dann aber auch wirklich eine Idee haben außer der, dass man gerade Lust hat, heiße Luft abzulassen. Und das gilt unabhängig davon, ob man die Benennung dieses Platzes für eine gute Idee hält oder nicht. Bei mir um die Ecke gibt es einen Platz, der früher nach dem ehemaligen Frankfurter Stadtdekan Walter Adlhoch benannt war, der in dem Verdacht steht, ein Vergewaltiger gewesen zu sein. Nun heißt der Platz anders, aber das Adlhoch-Schild ist stehengeblieben, nur durchgestrichen. Das ist so peinlich und gründlich deutsch, dass ich mich jedes Mal schäme, wenn ich vorbeilaufe.
Tenor 1: „Was haben wir in Deutschland oder gar in Frankfurt mit dem Iran zu tun? Haben wir nicht unsere eigenen Probleme?“ Ja und nein. Sagen wir es mal so: Wenn der 67-jährige Harald S. aus Sossenheim von der deutschen Polizei totgeschlagen würde, weil er seine Schiebermütze falsch herum trägt, wäre das nicht nur sein Problem. Man nennt das universelle Menschenrechte. Tenor 2: „Nach irgendsoeiner Ausländerin wird ein Platz benannt, aber nach dem in Mannheim ermordeten Polizisten nicht.“ Hierfür gilt: Erstens muss zwischen dem Ableben eines Menschen und der Benennung einer Straße ein gewisser Zeitraum verstreichen. Zweitens haben in Frankfurt die Ortsbeiräte das Vorschlagsrecht in dieser Sache. An die kann man sich wenden, wenn man eine Idee hat.
Man müsste halt dann aber auch wirklich eine Idee haben außer der, dass man gerade Lust hat, heiße Luft abzulassen. Und das gilt unabhängig davon, ob man die Benennung dieses Platzes für eine gute Idee hält oder nicht. Bei mir um die Ecke gibt es einen Platz, der früher nach dem ehemaligen Frankfurter Stadtdekan Walter Adlhoch benannt war, der in dem Verdacht steht, ein Vergewaltiger gewesen zu sein. Nun heißt der Platz anders, aber das Adlhoch-Schild ist stehengeblieben, nur durchgestrichen. Das ist so peinlich und gründlich deutsch, dass ich mich jedes Mal schäme, wenn ich vorbeilaufe.
7. Oktober 2024, 10.15 Uhr
Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
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