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Wladimir Kaminer

Wo in Frankfurt Alternative auf Vampire treffen

Zu den vertrauten Gästen der Batschkapp gehört Bestsellerautor Wladimir Kaminer. Anfang 2023 stellt er seine aktuelle Kurzgeschichtensammlung „Wie sage ich es meiner Mutter“ vor. Wir sprachen vorab mit dem Berliner.
Wladimir Kaminers dreißigstes Solobuch „Wie sage ich es meiner Mutter – Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel“ (Wunderraum/Goldmann) sollte eigentlich der Abschluss seiner Corona-Trilogie darstellen. Doch die Pandemie spielt nur noch in wenigen Kapiteln eine Rolle. Wichtiger wurde inzwischen der Krieg in der Ukraine und die Diskussion um die Klimaerwärmung. Auch Suchmaschinen-Algorithmen, Festtags-TV-Traditionen, Ernährungsfragen oder Wahlkampfphrasen gehören zu seinen Themen. Nachdem die ersten Lesungen im Herbst in Rüsselsheim und Darmstadt mit rund 150 Besuchern noch hinter den vertrauten Zahlen zurückblieben, sorgen seine Auftritte inzwischen wieder für volle Häuser.

JOURNAL FRANKFURT: Ist ihre Familie eigentlich einverstanden, wenn sie in Ihren Büchern wie im aktuellen Werk auftaucht, oder sind sie es inzwischen schon gewohnt?
Wladimir Kaminer: Auf jeden Fall gab es Theater, als die Kinder in der Pubertät waren. Da musste ich ihnen erst einmal die Geschichten zum Redigieren geben. Aber inzwischen, als erwachsene Menschen, verstehen sie schon, dass es sich um eine Aufwertung als Persönlichkeit handelt. Es geht ja letzten Endes nicht um sie als Menschen. Ich nehme sie nur als Beispiele für Prozesse, die uns alle betreffen. Es geht um den Aufbau einer Gesellschaft in einer ökologisch gerechten, gender-neutralen Zukunft. Diese moderne wunderschöne Welt wird aufgebaut, obwohl wir noch archaische Kriege um ein Territorium wie vor 200 Jahren haben, die die ganze Arbeit zunichte machen. Das ist eine absulut absurde Geschichte. Die Archaik und die Moderne liegen zusammen auf einem Planeten. Das sehe ich auch in meiner Familie. Ich glaube, jeder kann es in seiner Familie sehen. In meiner Familie debattiert die Generation meiner Kinder mit der Generation meiner Eltern. Ich stehe dazwischen als eine Art Dolmetscher. Deshalb heißt das Buch „Wie sage ich es meiner Mutter“.

Welche Themen interessieren Sie noch zur Zeit?
Mein Thema ist der unheimlich schnell vorangegangene Wandel. Die Welt häutet sich, und niemand weiß, wie sie morgen aussehen wird. Auch die Pandemie und der Krieg waren nach meiner Sicht Teil der tiefen Spaltung zwischen der alten archaischen und der neuen sauberen Welt. Letzten Endes startete die russische Führung den Krieg aus Zukunftsangst, weil sie sich in der tollen Zukunft nicht sehen kann. Als was wollen sie dort noch arbeiten? Als Türsteher?

Für Ihre Hörbücher lesen Sie stets nur einen Teil der Geschichten ein.
Da haben Sie recht. Wenn ich eine Hörbuch produziere, dann sind es immer etwa zwei Drittel des Buchs.

Warum gibt es keine Komplettlesung?
Vermutlich, weil ich zu faul bin, das ganze Buch an einem Tag durchzulesen.

Wie oft waren Sie schon zur Lesung in Frankfurt?
Ich glaube, ich bin seit 16 Jahren in der Batschkapp inklusive pandemiebedingter Pause. Deshalb freue ich mich, dass es jetzt wieder läuft.

Dann waren Sie bestimmt auch in der alten Batschkapp? Gibt es daran Erinnerungen?
Ja, das war doch eine Art Music Hall. Auf mich wirkt der Club immer wie die Scheune aus „From Dusk till Dawn“. Es liegt ja nicht mitten in der Stadt, sondern draußen. Von allen Seiten kommen Menschen. Es findet sich dort ein sehr vielfältiges Publikum. Alle Schichten der Gesellschaft sind vertreten.

Wie kam der Kontakt zur Batschkapp zustande?
Meine Veranstalter, mit denen ich seit Beginn meiner literarischen Karriere zusammenarbeite, sind Jungs aus Bremen, die im alternativen Bermudadreieck aufgewachsen sind. Für sie war es schon aus ästhetischen Gründen einfach nicht möglich, irgendwo anders als in der Batschkapp aufzutreten. In vielen deutschen Städten gibt es traditionsreiche Aufrittsorte. Für Frankfurt ist die Batschkapp ein Zeitzeichen, ein Zeitzeuge. Ich bin froh, dass ich den Club unterstützen kann.

Ist ein neues Buch schon in Planung? Wird es hier das Thema Krieg wieder angeschnitten?
Das neue Buch wird „Frühstück am Rande der Apocalypse“ heißen. Es geht nicht um die Ukraine, sondern um uns hier, um den komischen Zustand zwischen Krieg und Frieden, wo Menschen sich große Mühe geben, auszublenden, das etwas mit ihrer Welt nicht stimmt. Wir haben hier keinen Krieg. Die Menschen kaufen Weihnachtsbäume und trinken Champagner. Doch ein richtiger Frieden ist das nicht. Wir haben große Sorgen um die Zukunft, was uns das nächste Jahr bringt. Lebenstechnich ist das eigentlich ein ziemlich unerträglicher Zustand. Für einen Geschichtensammler wie mich ist es ein gefundenes Fressen. Daraus entsteht das Komische, wenn Menschen nicht wirklich verstehen wollen, wo sie sind und was passiert, aber meinen, alles genau zu wissen. Das ist schon wie bei Buñuels „Diskreter Charme der Bourgeoisie“.

Apropos Film. Warum veröffentlichen Sie nicht mehr in „epd Film“?
Ich versuche alle paar Jahre, für andere Medien zu schreiben. Zur Zeit schreibe ich Kolumnen für 20-30 Zeitungen. Das bringt mir ein großes Publikum. Ich werde ständig auf meine Kolumnen angesprochen. Die Zeitungen müssen wohl ziemlich langweilig sein. Zwischen Allgäu und Mecklenburg-Vorpommern sagen die Leute zu mir: „Ach, Ihre Kolumne ist der einzige Grund, warum ich diese Zeitung überhaupt lese.“ Das ist schön.

>> Wladimir Kaminer, Lesung, Batschkapp, 4. Januar, 19:30 Uhr, Tickets ab 24 Euro unter www.batschkapp.tickets.de
 
28. Dezember 2022, 12.40 Uhr
Gregor Ries
 
 
Fotogalerie:
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