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VirusMusikRadio Show 2020
Gemeinsamkeit in der Einsamkeit
Das diesjährige Motto „Gemeinsam einsam“ soll Solidarität vermitteln. Und die VirusMusikRadio Show 2020 gibt es garantiert bei Radio X und auch im Internet zu hören. Mit dabei: Fee, Romie, Fooks Nihil und Gastone.
JOURNAL FRANKFURT: Vorab kurz ein paar Worte zur Geschichte. Wann habt ihr die erste VirusMusikRadio Show gemacht?
Sepp’l Niemeyer: Die erste VirusMusikRadioShow war 2007, davor gab es die NewcomerTV-Jahresnächte in der Batschkapp. Als aber NewcomerTV nicht mehr im Fernsehen gesendet wurde, haben wir es mit Live-Radio-Übertragungen bei den VirusMusikRadio Nächten versucht
Die ersten Shows gingen ja alle im Sinkkasten über die Bühnen, die leisen Sets noch im hinten im schönen Café …
Die VirusMusikRadio Shows fanden von 2007 bis 2011 im Sinkkasten statt, dann hat der Sinkkasten leider zu gemacht und wir sind ab 2012 zu Frank Diedrich ins Bett – da schon in der Schmidtstraße im Gallusviertel – gegangen.
Und dann ging es nach Diedrichs Ausscheiden im Bett weiter ins HoRsT?
Der Umzug ins HoRsT 2018 war ein Akt der Solidarität mit Frank Diedrich. Als er im Bett gekündigt wurde, sind wir mit ihm ins HoRsT zu Lolek und Caro umgezogen. 2019 waren wir dann ohne Frank Diedrich im HoRsT und wir wären 2020 auch gerne ein drittes Mal im HoRsT gewesen. Wir möchten auf jeden Fall mit Lolek und Caro vom HoRsT weiter Veranstaltungen machen und haben auch lange zusammen überlegt, an welchen Veranstaltungsort wir die VirusMusikRadio Show 2020 zusammen gestalten könnten. Aber durch die Corona-Hygieneauflagen bei Indoor-Veranstaltungen haben wir keinen Ort gefunden wo wir mit mehreren Bands hätten veranstalten können. Man braucht pro Band eine eigene Backstage, das haben wir wirklich nur in der Musikhalle Portstrasse (die ab November Portstrasse Jugend & Kultur heißt) hinbekommen. Nun ja, jetzt habe ich den Ralf von der Batschkapp überreden können. Was eigentlich nicht so schwer war. Da wir eine günstige Miete zahlen können und auch sonst alle weiteren Kosten übernehmen können – ich meine der Batschkapp geht es im Moment ziemlich schlecht – da hätte ich mich gar nicht getraut ihn zu fragen, ob er er uns die „Kapp“ kostenlos gibt.
Also kam die Batschkapp auch aus räumlichen und hygienischen Gründen ins Gespräch?
Ja, einerseits schon, aber dadurch, dass ich mit dem Ralf in einer Band probe bekomme ich auch mit wie es ihm und der Batschkapp geht und ich weiß von der Arbeit, die Matze Brunner für regionale Bands im Nachtleben und in der Batschkapp macht, dass die Batschkapp sich wie VirusMusik für regionale Musiker*innen und Bands interessiert. Wir fördern die regionale Musikszene zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen, aber wir fördern schon gemeinsam und das ist etwas was mich schon mit der Batschkapp verbindet und natürlich die vielen Konzerte die VirusMusik mit NewcomerTV in der alten Batschkapp gehabt hat. Da hat der Ralf uns auch immer so gut es ging unterstützt und deshalb finde ich es gut und richtig, das VirusMusik die letzte Veranstaltung 2020 mit der Batschkapp zusammen in der Batschkapp macht.
Die meisten Clubs hofften lange noch darauf, dass der Lockdown gelockert wird und sie ihre geplanten Veranstaltungen im Dezember doch mit Publikum durchführen könnten. Zumindest bekannte sich niemand vor der neuerlichen Runde im Kanzleramt zu Livestreams im Dezember. Ihr habt anders herum geplant, warum – war das für euch organisatorisch der bessere Weg?
ich weiß was wir organisatorisch leisten können und habe gerade durch die Zusammenarbeit mit Protagon und Antagon auf der Sommerwerft erfahren, was es heißt unter Corona-Auflagen eine Veranstaltung mit Publikum zu machen. Selbst Onlinekonzerte sind vom Sicherheitskonzept was uns auferlegt wird, so aufwendig, dass wir z.B. für unserer NewcomerTV-Veranstaltungen viel mehr Personal und viel mehr Zeit für die Durchführung brauchen. Du musst darauf achten, dass ständig alles desinfiziert wird, der Abstand beim Auf- und Abbau muss gewahrt bleiben -– alles geht nur mit Maske – die Musiker/innen brauchen pro Band eine eigene Backstage, die Techniker dürfen ihr Catering nicht mit den Musiker*innen einnehmen. Man muss für ein spezielles Catering sorgen, du brauchst spezielles Cleaningpersonal die von den Stühlen, Tischen Türklinken, Treppenaufgängen, verlassenen Backstageräumen immer alles desinfizieren etc. Wenn du noch mit Publikum zu tun hast musst Du dafür sorgen, dass die Stühle auf denen das Publikum sitzt den richtigen Abstand haben. Es gibt immer nur zwei Stühle zusammen und dann immer mindestens 1,5 Meter Abstand. Du musst dafür sorgen, dass die Stühle während der Veranstaltung nicht verschoben werden. Du muss dafür sorgen, dass wenn sich jemand ein Bier oder sonst etwas von der Bar holt, er oder sie immer eine Maske auf hat. Du brauchst ein System für den Einlass und einen separaten Ausgang. Du musst dafür sorgen, dass sich die Besucher*innen mit Namen Adresse und Telefonnummer registrieren. Du musst die Zeit wann die Person kommt und wann sie wieder geht aufschreiben. Du musst dafür sorgen, dass sich keine Gruppen bilden, wo Leute zusammenstehen und sich unterhalten. Du brauchst eine Crew von vielen Menschen, die sich nur um die Belange und die Sicherheit des Publikums kümmert. Das können wir von VirusMusik nicht leisten. Ich habe mit Ralf abgemacht, dass wenn es sich abzeichnet, dass wir Publikum in unsere Veranstaltung reinlassen können, dann reden wir nochmal und er stellt dann ein Batschkapp-Team zusammen, das sich darum kümmern. Dann kann er auch ein paar Getränke verkaufen.
Mit Gastone, Romie, Fooks Nihil und Fee sind diesmal recht populäre Künstler:innen dabei. Ging es auch darum, mit diesen Namen eine entsprechende Öffentlichkeit zu kommen? Denn es geht Virus Musik und Radio X bei der Veranstaltung/der Sendung sicher auch darum, auf die Situation der Künstler:innen in Corona-Zeiten hinzuweisen?
Ja, ich möchte natürlich mit VirusMusik ein Zeichen setzen, dass wir noch da sind. Es sind so viele Veranstaltungen für uns (wie für andere auch) wegen Corona abgesagt worden: vier NewcomerTV Nächte, unser Live-Radio Stand auf der Musikmesse, die radio x Bühne auf dem Museumsuferfest etc. Wir haben lange überlegt was wir außer Live-Veranstaltungen noch machen können. Online-Konzerte werden gerade zurecht kritisch diskutiert, ich finde wenn wir in Corona-Zeiten Onlinekonzerte veranstalten, sollten wir den Bands so gut es geht auch eine Gage bzw. einen Unkostenvergütung bezahlen. Ich habe im Sommer lange mit Irmgard Tennagels (die Referentin im Fachbereich Musik des Kulturamtes der Stadt Frankfurt, Anm. der Red.) diskutiert. Wir mussten unseren im Frühjahr gestellten Antrag neu schreiben, weil ja viele von den beantragten Veranstaltungen ausgefallen sind. Wir sind übereingekommen, dass wir den Bands bei den NewcomerTV Nachten, die stattgefunden haben nachträglich eine Aufwandsentschädigung anbieten, außerdem bekommen sie ja sozusagen als materielle Entschädigung den Video-Live.Mitschnitt, wofür sie ja normalerweise Geld bezahlen müssten. Bei der VirusMusikRadio Show bekommen die Bands eine richtige Gage und die Techniker werden wie bei den NewcomerTV Nächten auch bezahlt. Wir achten darauf, dass die Bands und Techniker*innen bei unseren Online-Veranstaltungen entlohnt werden. Bei den Interviews, die wir in den NewcomerTV Nächten und auch bei der VirusMusikRadio Show machen genauso wie bei unserem neuen Projekt „Standort" mit dem MOK Rhein Main zusammen, geht es uns darum herauszuarbeiten wie es den Musiker*innen und Band zu Corona-Zeiten geht, wie sie arbeiten wenn sie manchmal monatelang nicht proben uns schon gar nicht auftreten dürfen, wie sie das in ihrer Musik, in ihrer Kreativität bemerkbar macht. Ich möchte den Menschen da draußen durch die aufgenommenen Gespräche mit den Musiker*innen zeigen, dass die Musikszene leidet, das sie ums Überleben kämpft, aber das es auch Kreativität, Mut, Inspiration, Hingabe, den Willen nach Kommunikation mit den Fans und die unbändige Suche nach neuen Ausdrucksformen gibt. Es gibt auf der einen Seite den unbedingt notwendigen politischen Kampf um Gelder um Respekt um Anerkennung dieser großartigen kulturellen Vielfalt, die es momentan noch gibt. Und es gibt auf der anderen Seite die Musik (in unserem Fall) und die Menschen die Musik machen, die möchte ich in den Interviews zeigen, auf der VirusMusikRadio Show und damit auch Hoffnung machen. Weil es viele Künstler:innen/Musiker:innen etc. gibt, die weitermachen egal ob sie irgendwann wieder Taxi fahren müssen oder sonst wie Kohle ranschaffen müssen, damit sie weiter Musik machen können, weiter kreativ sein können. Was die Batschkapp betrifft – sie ist ein großartiger, wichtiger Veranstaltungsort in Frankfurt und ich bin froh dass ich dabei helfen kann, das VirusMusik dabei helfen kann diese tolle Batschkapp mit unserer gemeinsamen Veranstaltung am Jahresende nochmal für alle die es sehen wollen, sichtbar zu machen.
Ein wenig gezögert habt ihr bei der Wahl des Mottos, war aus gut unterrichteten Kreisen zu hören. „Gemeinsam einsam"– was soll damit signalisiert und transportiert werden?
Ich habe immer versucht jeder VirusMusikRadio Show ein „Kalenderspruch-Motto" zu verpassen, aber in diesem Jahr habe ich mich besonders schwer getan, weil so ein Motto wie: „Das Beste Live Im Radio!" passt nicht in die Zeit, die wir alle durch Corona erleben müssen. Wenn wir die Ansteckungsgefahr niedrig halten wollen, müssen wir die physischen Kontakte herunterfahren. Das ist für viele Menschen verständlicherweise unglaublich schwer, das hält man ein paar Tage oder ein paar Wochen aus, aber es zeichnet sich ab, dass das Herunterfahren physischer Kontakte eine langfristige Angelegenheit wird, Monate, vielleicht sogar ein bis zwei Jahre. Das hat mit Vereinsamung zu tun und daran sind wir nicht gewöhnt – wir sind „Rudelwesen" und brauchen unser vertrautes Umfeld, was viel mit Berührungen von Menschen, mit Körperkontakt zu tun hat. Ich merke das immer mehr Menschen, auch in meinem Umfeld melancholischer, depressiver, oft auch aggressiver werden weil sie sich mit dem ganzen Scheiß alleingelassen fühlen. Einsam, alleine, unverstanden, Angst, ich weiß nicht was da auf mich zukommt, ich kann darüber mit so gut wie niemanden sprechen. Ich persönlich kenne diese Gedanken und Ängst auch und versuche sie immer wieder mit Kreativität, mit Musik, mit schönen Gesprächen am Telefon oder auch auf Abstand in der Realität aufzubrechen. Und es gelingt mir auch, weil ich das Glück habe mit Menschen zusammen zu arbeiten, die mir gegenüber sehr solidarisch sind und mich mit meinen Macken akzeptieren und supporten. Das mache ich bei den Menschen genauso.
Zurück zum Motto „Gemeinsam einsam" …
Aus diesen vielleicht etwas verwirrenden Gedanken kam ich dann immer wieder zu meiner Suche nach dem Motto. Ich habe mir einige aufgeschrieben, wie ich das immer mache, aber sie waren mir zu sehr „Sommerwerft“-Tagesmotto wie „Jenseits der Strassen - der Sonne entgegen“. Irgendwann kam ich dann auf Adjektiv asozial – was meiner Meinung nach schon mal in die richtige Richtung ging. Wenn ich es erklären soll. Viele Menschen verhalten sich in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Corona irgendwie asozial. Die einen zweifeln an der Existenz von Corona, verweigern die Maske und der Administration den Gehorsam und werden dann von anderen als „asozial" beschimpft. Wieder andere beschimpfen aus irgendwelchen Gründen die Partymenschen als asozial, weil ihnen alles am Arsch vorbei geht . Wieder andere finden die Mittelstandsmenschen, die mit teurem Sekt in den Gläsern, ohne Abstand zu halten und Masken zu tragen auf einigen Frankfurter Plätzen rumstehen asozial, weil die wohl meinen sich mit Geld alles kaufen zu können. Und so werfen sich die unterschiedlichsten Menschen gegenseitig vor asozial zu sein. Da dachte ich mit wäre das Motto „Subjektiv Asozial" irgendwie provozierend zeitgemäß und auch irgendwie punkig frech, aber Fritz, Maria und Hildegard hier von der Kulturwerkstatt fanden das überhaupt nicht witzig und fühlten sich von dem Motto absolut nicht repräsentiert. Wie auch immer ich habe weiter darüber nachgedacht und da ist mir dann vor ein paar Stunden „Gemeinsam Einsam" eigefallen. Wie ich vorhin schon gesagt habe, fühlen immer mehr Menschen die Einsamkeit mit Corona. Wenn wir aber aufhören soviel über unser Schicksal nachzudenken und bemerken, dass sich ja immer mehr Leute einsam fühlen und das daraus ja eine Gemeinsamkeit in der Einsamkeit entsteht, dann entsteht aus diesem Bewusstsein eine Kraft, die die eigene Einsamkeit erträglicher macht und man schaut wieder nach außen und wird wieder kreativ, fängt wieder an zu kommunizieren und schaut wieder in die Zukunft. So ganz verkürzt gesagt, glaube ich, dass dieses Motto auch eine Form von provokativer Gelassenheit ist
Sepp’l Niemeyer: Die erste VirusMusikRadioShow war 2007, davor gab es die NewcomerTV-Jahresnächte in der Batschkapp. Als aber NewcomerTV nicht mehr im Fernsehen gesendet wurde, haben wir es mit Live-Radio-Übertragungen bei den VirusMusikRadio Nächten versucht
Die ersten Shows gingen ja alle im Sinkkasten über die Bühnen, die leisen Sets noch im hinten im schönen Café …
Die VirusMusikRadio Shows fanden von 2007 bis 2011 im Sinkkasten statt, dann hat der Sinkkasten leider zu gemacht und wir sind ab 2012 zu Frank Diedrich ins Bett – da schon in der Schmidtstraße im Gallusviertel – gegangen.
Und dann ging es nach Diedrichs Ausscheiden im Bett weiter ins HoRsT?
Der Umzug ins HoRsT 2018 war ein Akt der Solidarität mit Frank Diedrich. Als er im Bett gekündigt wurde, sind wir mit ihm ins HoRsT zu Lolek und Caro umgezogen. 2019 waren wir dann ohne Frank Diedrich im HoRsT und wir wären 2020 auch gerne ein drittes Mal im HoRsT gewesen. Wir möchten auf jeden Fall mit Lolek und Caro vom HoRsT weiter Veranstaltungen machen und haben auch lange zusammen überlegt, an welchen Veranstaltungsort wir die VirusMusikRadio Show 2020 zusammen gestalten könnten. Aber durch die Corona-Hygieneauflagen bei Indoor-Veranstaltungen haben wir keinen Ort gefunden wo wir mit mehreren Bands hätten veranstalten können. Man braucht pro Band eine eigene Backstage, das haben wir wirklich nur in der Musikhalle Portstrasse (die ab November Portstrasse Jugend & Kultur heißt) hinbekommen. Nun ja, jetzt habe ich den Ralf von der Batschkapp überreden können. Was eigentlich nicht so schwer war. Da wir eine günstige Miete zahlen können und auch sonst alle weiteren Kosten übernehmen können – ich meine der Batschkapp geht es im Moment ziemlich schlecht – da hätte ich mich gar nicht getraut ihn zu fragen, ob er er uns die „Kapp“ kostenlos gibt.
Also kam die Batschkapp auch aus räumlichen und hygienischen Gründen ins Gespräch?
Ja, einerseits schon, aber dadurch, dass ich mit dem Ralf in einer Band probe bekomme ich auch mit wie es ihm und der Batschkapp geht und ich weiß von der Arbeit, die Matze Brunner für regionale Bands im Nachtleben und in der Batschkapp macht, dass die Batschkapp sich wie VirusMusik für regionale Musiker*innen und Bands interessiert. Wir fördern die regionale Musikszene zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen, aber wir fördern schon gemeinsam und das ist etwas was mich schon mit der Batschkapp verbindet und natürlich die vielen Konzerte die VirusMusik mit NewcomerTV in der alten Batschkapp gehabt hat. Da hat der Ralf uns auch immer so gut es ging unterstützt und deshalb finde ich es gut und richtig, das VirusMusik die letzte Veranstaltung 2020 mit der Batschkapp zusammen in der Batschkapp macht.
Die meisten Clubs hofften lange noch darauf, dass der Lockdown gelockert wird und sie ihre geplanten Veranstaltungen im Dezember doch mit Publikum durchführen könnten. Zumindest bekannte sich niemand vor der neuerlichen Runde im Kanzleramt zu Livestreams im Dezember. Ihr habt anders herum geplant, warum – war das für euch organisatorisch der bessere Weg?
ich weiß was wir organisatorisch leisten können und habe gerade durch die Zusammenarbeit mit Protagon und Antagon auf der Sommerwerft erfahren, was es heißt unter Corona-Auflagen eine Veranstaltung mit Publikum zu machen. Selbst Onlinekonzerte sind vom Sicherheitskonzept was uns auferlegt wird, so aufwendig, dass wir z.B. für unserer NewcomerTV-Veranstaltungen viel mehr Personal und viel mehr Zeit für die Durchführung brauchen. Du musst darauf achten, dass ständig alles desinfiziert wird, der Abstand beim Auf- und Abbau muss gewahrt bleiben -– alles geht nur mit Maske – die Musiker/innen brauchen pro Band eine eigene Backstage, die Techniker dürfen ihr Catering nicht mit den Musiker*innen einnehmen. Man muss für ein spezielles Catering sorgen, du brauchst spezielles Cleaningpersonal die von den Stühlen, Tischen Türklinken, Treppenaufgängen, verlassenen Backstageräumen immer alles desinfizieren etc. Wenn du noch mit Publikum zu tun hast musst Du dafür sorgen, dass die Stühle auf denen das Publikum sitzt den richtigen Abstand haben. Es gibt immer nur zwei Stühle zusammen und dann immer mindestens 1,5 Meter Abstand. Du musst dafür sorgen, dass die Stühle während der Veranstaltung nicht verschoben werden. Du muss dafür sorgen, dass wenn sich jemand ein Bier oder sonst etwas von der Bar holt, er oder sie immer eine Maske auf hat. Du brauchst ein System für den Einlass und einen separaten Ausgang. Du musst dafür sorgen, dass sich die Besucher*innen mit Namen Adresse und Telefonnummer registrieren. Du musst die Zeit wann die Person kommt und wann sie wieder geht aufschreiben. Du musst dafür sorgen, dass sich keine Gruppen bilden, wo Leute zusammenstehen und sich unterhalten. Du brauchst eine Crew von vielen Menschen, die sich nur um die Belange und die Sicherheit des Publikums kümmert. Das können wir von VirusMusik nicht leisten. Ich habe mit Ralf abgemacht, dass wenn es sich abzeichnet, dass wir Publikum in unsere Veranstaltung reinlassen können, dann reden wir nochmal und er stellt dann ein Batschkapp-Team zusammen, das sich darum kümmern. Dann kann er auch ein paar Getränke verkaufen.
Mit Gastone, Romie, Fooks Nihil und Fee sind diesmal recht populäre Künstler:innen dabei. Ging es auch darum, mit diesen Namen eine entsprechende Öffentlichkeit zu kommen? Denn es geht Virus Musik und Radio X bei der Veranstaltung/der Sendung sicher auch darum, auf die Situation der Künstler:innen in Corona-Zeiten hinzuweisen?
Ja, ich möchte natürlich mit VirusMusik ein Zeichen setzen, dass wir noch da sind. Es sind so viele Veranstaltungen für uns (wie für andere auch) wegen Corona abgesagt worden: vier NewcomerTV Nächte, unser Live-Radio Stand auf der Musikmesse, die radio x Bühne auf dem Museumsuferfest etc. Wir haben lange überlegt was wir außer Live-Veranstaltungen noch machen können. Online-Konzerte werden gerade zurecht kritisch diskutiert, ich finde wenn wir in Corona-Zeiten Onlinekonzerte veranstalten, sollten wir den Bands so gut es geht auch eine Gage bzw. einen Unkostenvergütung bezahlen. Ich habe im Sommer lange mit Irmgard Tennagels (die Referentin im Fachbereich Musik des Kulturamtes der Stadt Frankfurt, Anm. der Red.) diskutiert. Wir mussten unseren im Frühjahr gestellten Antrag neu schreiben, weil ja viele von den beantragten Veranstaltungen ausgefallen sind. Wir sind übereingekommen, dass wir den Bands bei den NewcomerTV Nachten, die stattgefunden haben nachträglich eine Aufwandsentschädigung anbieten, außerdem bekommen sie ja sozusagen als materielle Entschädigung den Video-Live.Mitschnitt, wofür sie ja normalerweise Geld bezahlen müssten. Bei der VirusMusikRadio Show bekommen die Bands eine richtige Gage und die Techniker werden wie bei den NewcomerTV Nächten auch bezahlt. Wir achten darauf, dass die Bands und Techniker*innen bei unseren Online-Veranstaltungen entlohnt werden. Bei den Interviews, die wir in den NewcomerTV Nächten und auch bei der VirusMusikRadio Show machen genauso wie bei unserem neuen Projekt „Standort" mit dem MOK Rhein Main zusammen, geht es uns darum herauszuarbeiten wie es den Musiker*innen und Band zu Corona-Zeiten geht, wie sie arbeiten wenn sie manchmal monatelang nicht proben uns schon gar nicht auftreten dürfen, wie sie das in ihrer Musik, in ihrer Kreativität bemerkbar macht. Ich möchte den Menschen da draußen durch die aufgenommenen Gespräche mit den Musiker*innen zeigen, dass die Musikszene leidet, das sie ums Überleben kämpft, aber das es auch Kreativität, Mut, Inspiration, Hingabe, den Willen nach Kommunikation mit den Fans und die unbändige Suche nach neuen Ausdrucksformen gibt. Es gibt auf der einen Seite den unbedingt notwendigen politischen Kampf um Gelder um Respekt um Anerkennung dieser großartigen kulturellen Vielfalt, die es momentan noch gibt. Und es gibt auf der anderen Seite die Musik (in unserem Fall) und die Menschen die Musik machen, die möchte ich in den Interviews zeigen, auf der VirusMusikRadio Show und damit auch Hoffnung machen. Weil es viele Künstler:innen/Musiker:innen etc. gibt, die weitermachen egal ob sie irgendwann wieder Taxi fahren müssen oder sonst wie Kohle ranschaffen müssen, damit sie weiter Musik machen können, weiter kreativ sein können. Was die Batschkapp betrifft – sie ist ein großartiger, wichtiger Veranstaltungsort in Frankfurt und ich bin froh dass ich dabei helfen kann, das VirusMusik dabei helfen kann diese tolle Batschkapp mit unserer gemeinsamen Veranstaltung am Jahresende nochmal für alle die es sehen wollen, sichtbar zu machen.
Ein wenig gezögert habt ihr bei der Wahl des Mottos, war aus gut unterrichteten Kreisen zu hören. „Gemeinsam einsam"– was soll damit signalisiert und transportiert werden?
Ich habe immer versucht jeder VirusMusikRadio Show ein „Kalenderspruch-Motto" zu verpassen, aber in diesem Jahr habe ich mich besonders schwer getan, weil so ein Motto wie: „Das Beste Live Im Radio!" passt nicht in die Zeit, die wir alle durch Corona erleben müssen. Wenn wir die Ansteckungsgefahr niedrig halten wollen, müssen wir die physischen Kontakte herunterfahren. Das ist für viele Menschen verständlicherweise unglaublich schwer, das hält man ein paar Tage oder ein paar Wochen aus, aber es zeichnet sich ab, dass das Herunterfahren physischer Kontakte eine langfristige Angelegenheit wird, Monate, vielleicht sogar ein bis zwei Jahre. Das hat mit Vereinsamung zu tun und daran sind wir nicht gewöhnt – wir sind „Rudelwesen" und brauchen unser vertrautes Umfeld, was viel mit Berührungen von Menschen, mit Körperkontakt zu tun hat. Ich merke das immer mehr Menschen, auch in meinem Umfeld melancholischer, depressiver, oft auch aggressiver werden weil sie sich mit dem ganzen Scheiß alleingelassen fühlen. Einsam, alleine, unverstanden, Angst, ich weiß nicht was da auf mich zukommt, ich kann darüber mit so gut wie niemanden sprechen. Ich persönlich kenne diese Gedanken und Ängst auch und versuche sie immer wieder mit Kreativität, mit Musik, mit schönen Gesprächen am Telefon oder auch auf Abstand in der Realität aufzubrechen. Und es gelingt mir auch, weil ich das Glück habe mit Menschen zusammen zu arbeiten, die mir gegenüber sehr solidarisch sind und mich mit meinen Macken akzeptieren und supporten. Das mache ich bei den Menschen genauso.
Zurück zum Motto „Gemeinsam einsam" …
Aus diesen vielleicht etwas verwirrenden Gedanken kam ich dann immer wieder zu meiner Suche nach dem Motto. Ich habe mir einige aufgeschrieben, wie ich das immer mache, aber sie waren mir zu sehr „Sommerwerft“-Tagesmotto wie „Jenseits der Strassen - der Sonne entgegen“. Irgendwann kam ich dann auf Adjektiv asozial – was meiner Meinung nach schon mal in die richtige Richtung ging. Wenn ich es erklären soll. Viele Menschen verhalten sich in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Corona irgendwie asozial. Die einen zweifeln an der Existenz von Corona, verweigern die Maske und der Administration den Gehorsam und werden dann von anderen als „asozial" beschimpft. Wieder andere beschimpfen aus irgendwelchen Gründen die Partymenschen als asozial, weil ihnen alles am Arsch vorbei geht . Wieder andere finden die Mittelstandsmenschen, die mit teurem Sekt in den Gläsern, ohne Abstand zu halten und Masken zu tragen auf einigen Frankfurter Plätzen rumstehen asozial, weil die wohl meinen sich mit Geld alles kaufen zu können. Und so werfen sich die unterschiedlichsten Menschen gegenseitig vor asozial zu sein. Da dachte ich mit wäre das Motto „Subjektiv Asozial" irgendwie provozierend zeitgemäß und auch irgendwie punkig frech, aber Fritz, Maria und Hildegard hier von der Kulturwerkstatt fanden das überhaupt nicht witzig und fühlten sich von dem Motto absolut nicht repräsentiert. Wie auch immer ich habe weiter darüber nachgedacht und da ist mir dann vor ein paar Stunden „Gemeinsam Einsam" eigefallen. Wie ich vorhin schon gesagt habe, fühlen immer mehr Menschen die Einsamkeit mit Corona. Wenn wir aber aufhören soviel über unser Schicksal nachzudenken und bemerken, dass sich ja immer mehr Leute einsam fühlen und das daraus ja eine Gemeinsamkeit in der Einsamkeit entsteht, dann entsteht aus diesem Bewusstsein eine Kraft, die die eigene Einsamkeit erträglicher macht und man schaut wieder nach außen und wird wieder kreativ, fängt wieder an zu kommunizieren und schaut wieder in die Zukunft. So ganz verkürzt gesagt, glaube ich, dass dieses Motto auch eine Form von provokativer Gelassenheit ist
25. September 2020, 19.14 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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Text: Katharina J. Cichosch / Foto: © Lebohang Kganye, Ke bala buka ke apere naeterese II, 2013
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16. November 2024
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