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Sprayer auf den Dächern Frankfurts
Auf den Spuren der City-Ghosts
Sie lachen uns von Schornsteinen, Brückenpfeilern und Gullideckeln entgegen – doch wer steckt eigentlich hinter den City Ghosts? Unterwegs mit seinem Macher Spot über den Dächern der Stadt.
Mit routinierten Handgriffen schließt Spot hinter sich die Luke, ohne ein Geräusch zu verursachen. Er steht jetzt auf dem Dach eines mehrstöckigen Gebäudes unweit von der Skyline, wo ein kalter Wind bläst. Schnell hat er die Szenerie erfasst, packt seine mitgebrachten Dosen aus und fängt an zu sprühen.
Spot gehört zu den bekanntesten Street Artists Frankfurts. Seine Kreaturen sind die City Ghosts, die überall in der Stadt zu sehen sind. Auch wenn er die Bezeichnung „Geister“ inzwischen übernommen hat, mag er sie nicht sonderlich. „Die Leute sollen ihre eigenen Assozia-tionen mit meinen Bildern haben. Ich nenne sie Figuren, Grimassen, Typen oder Grinsegesichter“, sagt er.
Inzwischen ist der nächste Ghost fertig. Nach nur wenigen Minuten ist Spot wieder auf der Straße und mischt sich unter die Menschen. Der einzige Beweis, dass er da war, ist ein neues Grinsegesicht, das über die Stadt wacht. Bereits Mitte der 90er-Jahre fing er an, „wie jeder halt anfängt“, seinen Namen auf Hauswände zu taggen. Seine Figur entwickelte sich erst Ende 1999 und ist seitdem zu einem beständigen Begleiter geworden.
Im Großteil der Fälle überlegt sich der Künstler vorher, welche Farben und welche Mimiken zu den ausgesuchten Orten am besten passen würden. Für größere Motive fotografiert er die Stelle und experi-mentiert am Computer. Trotzdem gibt es viele Faktoren, die man als Sprayer nicht vorher beachten kann. Wenn die Polizei kommt oder er sich vermalt, kann er sich anders als im Atelier nicht an das zuvor entworfene Bild halten und muss improvisieren. Mitunter kommt es aber auch vor, dass er spontan seine Ghosts malt. „Vor allem, wenn ich ein paar Bierchen getrunken und die Cans gerade im Rucksack habe“, grinst er verschmitzt.
Haben die Ghosts denn eine politische Botschaft? „Es ist zumindest eine deviante Handlung – ist das nicht per se schon politisch?“, fragt der Sprayer zurück. Dass er illegal sprüht, stört ihn nicht. Die Auftragsarbeit, die er manchmal erledigt, habe nicht die gleiche Energie und Dynamik wie ein illegales Werk. „Wenn ich einen Strich ziehe und nicht darüber nachdenke, ist er perfekt.“ Aus diesem Grund versucht Spot, sich in ein Stadium des „assoziativen Malens“ zu bringen. Beim Malen auf der Straße muss er auf so viele Faktoren achten, dass das Bild fast von allein entsteht. „Das sind meine besten Werke“, sagt er. Inzwischen achtet er aber darauf, größtenteils nur öffentliche Stellen zu bearbeiten. Außerdem werden die Ghosts auf Mülleimern und Stromkästen nicht so schnell entfernt wie auf privaten Hauswänden.
Warum nehmen Street Artists überhaupt den finanziellen Aufwand und so viele Risiken auf sich? Spot zumindest hat seine Antwort. Er möchte die Menschen, die von den Geistern entdeckt werden (denn so geschieht es seiner Meinung nach), aus ihrem Alltagstrott holen. „Leb dich aus, gestalte dein Umfeld nach deinen eigenen Möglichkeiten, und du wirst ein besseres Leben haben“, das ist seine Motivation. „Und wenn ich nur 1 Prozent erreiche und diesen Leuten ihr Bewusstsein für die eigene soziale Umgebung schärfen kann, reicht mir das schon.“
Spot ist nicht der einzige einst illegale Künstler, der versucht, sich durch seine Kunst aus dem Doppelleben zu befreien. Im November hatte das Graffiti-Urgestein Bomber in der Heyne Fabrik in Offenbach eine Ausstellung zu seinem 25-jährigen Jubiläum. Die Bilder, die er dort zum Verkauf anbot, kosteten zwischen 240 und 2300 Euro. Auch Spot hofft, sich zukünftig so seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können.
Und seine charakteristischen Figuren möchte er auch weiterhin malen. „Die Geister gehören zu mir, sie sind die wahre Konstante in meinem Leben“, verrät Spot. Das gibt ihm auch den Antrieb weiterzumachen. Und die Reaktion der Menschen: „Ich kann kleinen Kindern eine Freude bereiten.“ Als er, legal, das leerstehende Haus auf der Berger Straße 8 bemalte, hatten vorbeilaufende Schulklassen eine Riesenfreude daran, die Geister zu zählen und zu imitieren. Spot bekommt außerdem Zusendungen von Vätern, die mit ihren Kindern auf Stadtplänen die aufgefundenen Geister verzeichnen. Inzwischen hat er schon viele Gesichter entdeckt, die gar nicht von ihm stammen. Ausmachen tut ihm das aber nichts, im Gegenteil. „Ich freue mich, wenn ich die Kids dazu inspirieren kann, selbst Geister zu malen“, erklärt er.
Auch für die Zukunft hat Spot noch einiges geplant. Er will noch nichts verraten, verspricht aber: „Euch werden die Augen flattern!“
Beachten Sie auch: PYC – Ein illegaler Künstler im Portrait
Eine Version dieses Artikels erschien zuerst am 3. Dezember 2013 im Journal Frankfurt. Hier können Sie es abonnieren.
Spot gehört zu den bekanntesten Street Artists Frankfurts. Seine Kreaturen sind die City Ghosts, die überall in der Stadt zu sehen sind. Auch wenn er die Bezeichnung „Geister“ inzwischen übernommen hat, mag er sie nicht sonderlich. „Die Leute sollen ihre eigenen Assozia-tionen mit meinen Bildern haben. Ich nenne sie Figuren, Grimassen, Typen oder Grinsegesichter“, sagt er.
Inzwischen ist der nächste Ghost fertig. Nach nur wenigen Minuten ist Spot wieder auf der Straße und mischt sich unter die Menschen. Der einzige Beweis, dass er da war, ist ein neues Grinsegesicht, das über die Stadt wacht. Bereits Mitte der 90er-Jahre fing er an, „wie jeder halt anfängt“, seinen Namen auf Hauswände zu taggen. Seine Figur entwickelte sich erst Ende 1999 und ist seitdem zu einem beständigen Begleiter geworden.
Im Großteil der Fälle überlegt sich der Künstler vorher, welche Farben und welche Mimiken zu den ausgesuchten Orten am besten passen würden. Für größere Motive fotografiert er die Stelle und experi-mentiert am Computer. Trotzdem gibt es viele Faktoren, die man als Sprayer nicht vorher beachten kann. Wenn die Polizei kommt oder er sich vermalt, kann er sich anders als im Atelier nicht an das zuvor entworfene Bild halten und muss improvisieren. Mitunter kommt es aber auch vor, dass er spontan seine Ghosts malt. „Vor allem, wenn ich ein paar Bierchen getrunken und die Cans gerade im Rucksack habe“, grinst er verschmitzt.
Haben die Ghosts denn eine politische Botschaft? „Es ist zumindest eine deviante Handlung – ist das nicht per se schon politisch?“, fragt der Sprayer zurück. Dass er illegal sprüht, stört ihn nicht. Die Auftragsarbeit, die er manchmal erledigt, habe nicht die gleiche Energie und Dynamik wie ein illegales Werk. „Wenn ich einen Strich ziehe und nicht darüber nachdenke, ist er perfekt.“ Aus diesem Grund versucht Spot, sich in ein Stadium des „assoziativen Malens“ zu bringen. Beim Malen auf der Straße muss er auf so viele Faktoren achten, dass das Bild fast von allein entsteht. „Das sind meine besten Werke“, sagt er. Inzwischen achtet er aber darauf, größtenteils nur öffentliche Stellen zu bearbeiten. Außerdem werden die Ghosts auf Mülleimern und Stromkästen nicht so schnell entfernt wie auf privaten Hauswänden.
Warum nehmen Street Artists überhaupt den finanziellen Aufwand und so viele Risiken auf sich? Spot zumindest hat seine Antwort. Er möchte die Menschen, die von den Geistern entdeckt werden (denn so geschieht es seiner Meinung nach), aus ihrem Alltagstrott holen. „Leb dich aus, gestalte dein Umfeld nach deinen eigenen Möglichkeiten, und du wirst ein besseres Leben haben“, das ist seine Motivation. „Und wenn ich nur 1 Prozent erreiche und diesen Leuten ihr Bewusstsein für die eigene soziale Umgebung schärfen kann, reicht mir das schon.“
Spot ist nicht der einzige einst illegale Künstler, der versucht, sich durch seine Kunst aus dem Doppelleben zu befreien. Im November hatte das Graffiti-Urgestein Bomber in der Heyne Fabrik in Offenbach eine Ausstellung zu seinem 25-jährigen Jubiläum. Die Bilder, die er dort zum Verkauf anbot, kosteten zwischen 240 und 2300 Euro. Auch Spot hofft, sich zukünftig so seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können.
Und seine charakteristischen Figuren möchte er auch weiterhin malen. „Die Geister gehören zu mir, sie sind die wahre Konstante in meinem Leben“, verrät Spot. Das gibt ihm auch den Antrieb weiterzumachen. Und die Reaktion der Menschen: „Ich kann kleinen Kindern eine Freude bereiten.“ Als er, legal, das leerstehende Haus auf der Berger Straße 8 bemalte, hatten vorbeilaufende Schulklassen eine Riesenfreude daran, die Geister zu zählen und zu imitieren. Spot bekommt außerdem Zusendungen von Vätern, die mit ihren Kindern auf Stadtplänen die aufgefundenen Geister verzeichnen. Inzwischen hat er schon viele Gesichter entdeckt, die gar nicht von ihm stammen. Ausmachen tut ihm das aber nichts, im Gegenteil. „Ich freue mich, wenn ich die Kids dazu inspirieren kann, selbst Geister zu malen“, erklärt er.
Auch für die Zukunft hat Spot noch einiges geplant. Er will noch nichts verraten, verspricht aber: „Euch werden die Augen flattern!“
Beachten Sie auch: PYC – Ein illegaler Künstler im Portrait
Eine Version dieses Artikels erschien zuerst am 3. Dezember 2013 im Journal Frankfurt. Hier können Sie es abonnieren.
Fotogalerie: City-Ghost
Web: topspot-ffm.de
8. Januar 2014, 11.52 Uhr
Isabella Caldart
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